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Die deutsch-amerikanischen Beziehungen

Die deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Rede von Botschafter John C. Kornblum
30. März 2000


Bertelsmann ist das erste wirklich transatlantische Unternehmen, das aus den revolutionären Veränderungen der letzten zehn Jahre hervorgegangen ist. Die Entwicklung von Bertelsmann spiegelt für mich am besten die neue Synthese wider, die heute die Beziehungen zwischen den euroatlantischen Völkern kennzeichnet.

Indem Sie Ihren business instincts folgen, tragen Sie auch zur Definition einer neuen Form der atlantischen Gemeinschaft bei. Unsere organisch gewachsene Gemeinschaft wird nicht mehr durch zwei getrennte Pfeiler geprägt. Das Ende des Kalten Krieges hat neue Formen menschlicher Kreativität und Innovation ermöglicht. Das Verschwinden der ideologischen und militärischen Grenzen zwischen Ost und West beschleunigte auch die Beseitigung der unsichtbaren Barrieren zwischen Ideen und Kapital innerhalb der westlichen Welt. Nationen können sich - genau wie Unternehmen - nicht mehr hinter nationalen oder gar regionalen Grenzen verstecken. Wissensgemeinschaften ersetzen die Geografie als Definition unseres Lebensraums.

Dieses neue Paradigma erfordert die Fähigkeit, Chancen und Ressourcen zu nutzen, unabhängig davon, woher sie stammen. Wirtschaftliche und soziale Strukturen sind zunehmend miteinander verbunden. Das Konzept der "deutsch-amerikanischen Beziehungen" selbst wurde durch eine integriertere Sichtweise ersetzt.

Thomas Middelhof sagte vor ungefähr zwei Wochen in Berlin: "Zukunftsfähig werden nur die Gesellschaften sein, die die Fähigkeit zum Lernen entwickelt haben."

Wir können aus den Erfahrungen der letzten zehn Jahre viel lernen. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass uns ein noch sehr viel weiterreichender Wandel bevorsteht. Der technologische Fortschritt und die wirtschaftliche Integration stellen unsere Sozialsysteme, unsere Institutionen und die Politik vor schwierige Entscheidungen. Nichts wird so bleiben, wie es war.

Die Belastungen solch rapider Veränderungen machen sich häufig in den Deba tten in unseren Ländern, zwischen den europäischen Partnern und über den Atlantik hinweg bemerkbar. Unsere politischen Systeme scheinen noch nicht mit den neuen Paradigmen Schritt zu halten. Die Europäer fühlen sich manchmal bedroht durch die "amerikanische Dominanz". Die Amerikaner erwidern, ihre europäischen Freunde setzten Reformen nicht schnell genug um.

Viel davon ist lediglich Teil der notwendigen Debatte, die mit grundlegenden Veränderungen einhergeht. Aber die aktuelle Lage wird zu oft durch Fehlinformationen, Emotionen und sogar Ärger verschleiert, die sich aus dem Veränderungsdruck ergeben.
Abr andere Tendenzen werden durch Angst geschürt. Angst vor dem Unbekannten, vor dem Unbequemen und vor dem Verlust an Einfluss.

Jeder erfolgreiche Geschäftsmann weiß um die Bedeutung sorgfältiger Analysen und genauer Informationen. Unternehmensentscheidungen müssen ein genaues Bild des Geschäftsklimas wiedergeben. Vor allem müssen wir lernen, die richtigen Fragen zu stellen. Lösungen, die auf alten Fragen beruhen, sind oft schlimmer als gar keine Lösungen.

Diese Binsenwahrheit ist für unsere atlantische Gemeinschaft besonders wichtig. Die Herausforderungen für unsere Partnerschaft ähneln heutzutage eher denen eines großen innovativen Konzerns als denen eines Bündnisses zwischen Nationen. Unser Markt verändert sich ständig. Der veränderte Geschmack der Verbraucher setzt unser Produktangebot unter Druck. Ohne Vorwarnung tauchen neue Konkurrenten auf. Die Technologie verändert sich immer schneller. Wenn wir die Lage nicht richtig einschätzen, können unsere Erfolge durch Fehlinformationen - und durch Angst - beeinträchtigt werden.

Deshalb werde ich heute Abend versuchen, wie ein Unternehmen vorzugehen und Ihnen eine Art Geschäftsbericht vorzulegen. Ein Jahresbericht über unseren transatlantischen Familienbetrieb.

Ich habe das Bertelsmann-Forum für diesen Bericht ausgewählt, weil Ihr Unterhehmen die Einstellung verkörpert, die für eine erfolgreiche Bewältigung der Herausforderungen erforderlich ist. Ihre Kriterien für Unternehmensentscheidungen passen genau in dieses Bild. Aus diesem Grund habe ich versucht, für Sie eine detaillierte "Unternehmensanalyse" über den Zustand unseres gemeinsamen Unternehmens - der euroatlantischen Gemeinschaft AG -- vorzubereiten.

Die wichtigsten atlantischen Stärken:

Ich freue mich, Ihnen berichten zu können, dass die Bilanz unseres atlantischen Unternehmens durchaus positiv ist. Unsere Produkte revolutionieren die Welt seit über 50 Jahren. In den letzten zehn Jahren haben unsere Initiativen Produkte und Märkte auf eine Art und Weise geeint, die in der Weltgeschichte einmalig ist.

Unsere Einnahmen übersteigen unsere Ausgaben bei Weitem. Wir bilden mit unseren zeitgemäßen Produkten und Strategien Kapital für die Zukunft.

Was sind unsere spezifischen Stärken am Beginn eines neuen Jahrhunderts?

Eine klare Unternehmensvision

Erstens ist unsere Unternehmensvision klar und überzeugend. Demokratische Werte und eine freie Marktwirtschaft haben sich als eine überwältigend starke und positive Kraft für die Entwicklung der Welt erwiesen. Sie haben in Deutschland und Europa die längste Periode von Frieden und Wohlstand in ihrer Geschichte gewährleistet.

Diese Unternehmensvision und der Mut der Deutschen und Amerikaner, sie zu verteidigen, machte Berlin während des Kalten Kriegs zum Außenposten der Freiheit.

Diese Vision und die Verpflichtung der Deutschen und Amerikaner, sie zu verwirklichen, führte zur Wiedervereinigung Deutschlands.

Und dieser Vision sind wir verpflichtet und werden sie weiterhin anstreben, bis wir die Grundlage für unsere unternehmerische Aufgabe geschaffen haben: Der Aufbau einer stabilen, geeinten und demokratischen atlantischen Welt, die ungeteilt und friedlich ist.

Diese Vision ist die echte Grundlage unserer Partnerschaft, auf der alle anderen Elemente aufbauen.

Eine Erfolgsstrategie

Unser zweiter großer Pluspunkt ist unsere Strategie. Unsere Methoden und Mittel, auf unsere Vision freier, wohlhabender Gesellschaften hinzuarbeiten, sind sehr erfolgreich.

Wir haben festgestellt, dass wir gut funktionierende Marktwirtschaften aufbauen und jeden Bereich unserer Gesellschaften mit starken demokratischen Werten durchdringen können, wenn wir als Team arbeiten. Nur so können wir Freiheit und Wohlstand in unseren Nationen fördern, ohne dafür Stabilität und Wirtschaftswachstum zu opfern.

So haben wir erst gemeinsam am Wiederaufbau nach der Zerstörung des Zweiten Weltkriegs gearbeitet und dann am Aufbau starker, solider Gesellschaften und Volkswirtschaften. Wir haben starke Instrumente in Form von Institutionen geschaffen, um unsere Ziele zu erreichen.

Ohne einen Schuss abzufeuern, haben wir über eine feindliche, konkurrierende Ideologie obsiegt. Heute sichern wir unsere eigene Stabilität und unseren Wohlstand zum Teil dadurch, dass wir die neuen europäischen Demokratien weiterhin bei ihrer Umgestaltung unterstützen.

Es gab Meinungsverschiedenheiten und Schwierigkeiten, aber konzerninterne Kontroversen haben unsere Fähigkeit, im Einklang zu handeln, selten beeinträchtigt. In der Tat hat unser offener Umgang miteinander wichtige Impulse zum Modernisieren ausgelöst.

Auch nach der Überwindung der ideologischen Bedrohung dürfen wir nicht vergessen, dass unsere Grundstrategie immer noch der beste Weg zu unserem künftigen Erfolg ist.

Ein starkes wirtschaftliches Fundament

Unser dritter großer Pluspunkt ist unsere wirtschaftliche Stärke. Unsere Bürger haben den höchsten Lebensstandard der Welt. Die Grundlage hierfür ist die freie Marktwirtschaft - sie führt zu hoher Produktivität und dem hohen Qualifikationsniveau in unseren Gesellschaften. Aber auch unsere integrierten Institutionen trugen entscheidend zur Garantie von finanzieller Stabilität und der Förderung des Güteraustauschs bei.

Transatlantischer Handel

Beispielsweise hat uns die Zusammenarbeit über unser strategisches Instrument - das GATT - und seine Nachfolgeorganisation - die WTO - eine Senkung der weltweiten Zölle um durchschnittlich 90 Prozent ermöglicht. Der Welthandel hat in diesem Zeitraum um das 15fache zugenommen.

Heute sind Europa und Amerika die größten Wirtschaftspartner des jeweils anderen. Seit Gründung der WTO Mitte der neunziger Jahre hat der Handel zwischen Europa und den Vereinigten Staaten um über 20 Prozent zugenommen. Heute beläuft sich der Handel mit Waren und Dienstleistungen auf nahezu zwei Milliarden D-Mark pro Tag.

Die Mehrheit der weltweiten Innovationen kommt aus der transatlantischen Region. Wir stellen über die Hälfte aller weltweit produzierten Waren und Dienstleistungen her. Der transatlantische Handel allein sichert über 12 Millionen Arbeitsplätze - ziemlich gleichmäßig zwischen Europa und Nordamerika aufgeteilt. Deutsche Firmen beschäftigen 650.000 Arbeitnehmer in den Vereinigten Staaten, und amerikanische Unternehmen stellen 800.000 Arbeitsplätze in Deutschland zur Verfügung.

Weiterer Abbau von Handelshemmnissen

Die Nationen der euroatlantischen Welt tragen -- auch aus eigenem Interesse -- die Verantwortung fur den weiteren Abbau von Handelshemmnissen - seien sie tarifär, regulierend oder auf Standards basierend. Das ist auf unsere Stärke sowie unsere regionale und transatlantische Integration zurückzuführen.

Die Vereinigten Staaten engagieren sich weiter für eine neue Verhandlungsrunde innerhalb der WTO. Die weitere Deregulierung unserer internen Strukturen in Schlüsselbereichen wie Telekommunikation, Energie und Dienstleistungen würde unserem Wohlstand zusätzlich Auftrieb geben. Das gleiche gilt für weitere Reformen und Marktöffnung in der Landwirtschaft.

Mit der drastischen Reduzierung der Zölle in den vergangenen 50 Jahren sind Standards und Regulierungen in unserer Wirtschaftsdebatte zunehmend wichtig geworden. Wir entwickeln allerdings die Instrumente, um solche Fragen anzusprechen. Der multinationale Industrieausschuss für Internet- und E-Commerce-Standards ist ein hervorragendes Beispiel dafür.

Stärkung unserer Finanzinstitutionen

Ein Grund für unseren Erfolg ist das Netz multilateraler Finanzinstitutionen, das sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs herausgebildet hat. Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und assoziierte Institutionen haben finanzielle Stabilität und eine drastische Zunahme internationaler Transaktionen ermöglicht.

Aber veränderte Umstände bringen neue Herausforderungen mit sich. Wenn man auf der ganzen Welt solide Entwicklungspraktiken und finanzielle Stabilität erhalten will, muss man allerdings kreativ vorgehen. Eine der bedeutendsten Herausforderungen unserer Gemeinschaft in den nächsten Jahren ist es, die Stabilität eines marktgestützten Finanzsystems zu bewahren.

Ein hervorragendes Beispiel für solche neuen und kreativen Lösungen ist die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, meist durch den Euro bekannt. Die Vereinigten Staaten begrüßten den Euro als einen wichtigen Beitrag zu solidem Wirtschafts- und Finanzmanagement in einem geeinten Europa.

Seine Vorteile sind nicht auf niedrigere Transaktionskosten oder eine Zunahme des innereuropäischen Handels beschränkt. Er hat bereits zu verstärktem europäischem Engagement für die Intensivierung des Strukturwandels geführt. Und grundsätzlicher gesehen, wird er weiterhin als politisch einigende Kraft und vertrauensbildende Maßnahme unter den europäischen Nationen und Bürgern wirken.

Betriebssicherheit

Unser vierter großer Pluspunkt: Wir haben die Sicherheit unserer Betriebe gewährleistet.

Das gilt insbesondere für unsere europäischen Abteilungen. Vor 50 Jahren waren unsere europäischen Betriebe praktisch zerstört. Heute genießen unsere europäischen Partner mehr Sicherheit als je zuvor in der Geschichte.

In den vergangenen 50 Jahren der Zusammenarbeit haben wir nicht nur unsere eigene Sicherheit durch unsere gemeinsame Strategie bewahrt. Wir haben auch eine aktive Rolle bei der Verbreitung von Sicherheit in ganz Europa übernommen. Die Grundlage dieser Sicherheit ist die Demokratie.

NATO

Die NATO ist der Grundpfeiler unserer atlantischen Sicherheit. Wie andere Institutionen auch hat sich die NATO erfolgreich an veränderte Bedürfnisse angepasst. Allerdings hat sich die Zielsetzung der NATO ebenso wenig verändert wie unsere atlantische Strategie und unsere Vision. Sie ist und bleibt eine freiwillige Vereinigung von Ländern zur Verteidigung gemeinsamer Werte und Interessen: Unserer gemeinsamen "Unternehmensvision".

Was sich verändert hat, ist das strategische Umfeld. Während der ersten Jahrzehnte der Nachkriegszeit mussten wir uns gegen eine wohlbekannte Bedrohung verteidigen. Mit dem Ende des Kalten Kriegs wurden neue oder lange unterdrückte Bedrohungen für die europäische Stabilität und Sicherheit freigesetzt - ethnische und religiöse Spannungen, Korruption und organisiertes Verbrechen. Bei den meisten handelt es sich nicht um militärische Konflikte. Andere eskalieren trotz unserer Bemühungen, sie zu entschärfen, zu bewaffneten Konflikten - siehe Kosovo.

Letztes Frühjahr hat die NATO Ihr 50-jähriges Bestehen bei einem Gipfeltreffen in Washington gefeiert. Staats- und Regierungschefs haben ein neues strategisches Konzept verabschiedet, das den neuen Herausforderungen der Nachkriegszeit gerecht wird.

Die Rolle der europäischen Bündnispartner

Die NATO ist aber nicht nur ein Grundpfeiler unserer atlantischen Sicherheit, sondern auch eine Grundlage der europäischen Verteidigung. Die Integration europäischer Fähigkeiten in das Bündnis vervielfacht die Schlagkraft der einzelnen Länder. Seit dem Ministertreffen im Juni 1996 in Berlin baut das Bündnis auch eine besondere europäische Struktur auf. Sie soll sicherstellen, dass die Fähigkeiten des Bündnisses für europäische Operationen eingesetzt werden können, an denen die Vereinigten Staaten nicht teilnehmen.

Zudem wollen diese Bündnispartner in der EU europäische Fähigkeiten auf der Grundlage gemeinsamer Verpflichtungen der EU aufbauen, die die NATO unterstützen.

Die Vereinigten Staaten unterstützen diesen Prozess, insofern er bestehende Strukturen und Aktivitäten der NATO nicht verdoppelt oder kooperationsbereite Bündnispartner ausschließt.

Der Konflikt im Kosovo hat gezeigt, dass die wichtigste Aufgabe für die europäischen Bündnispartner darin besteht, Fähigkeiten auf der Grundlage einer gemeinsamen Infrastruktur und gemeinsamer Missionen aufzubauen. Die Vereinigten Staaten sind davon überzeugt, dass diese Bestrebungen unsere gemeinsame Partnerschaft stärken werden.

Die Osterweiterung der EU wird ein weiterer wichtiger Beitrag Europas zu unserer gemeinsamen Sicherheit sein. Die Aufnahme unserer mittel- und osteuropäischen Partner - auf der Basis der bestehenden Mitgliedschaftsstrategie der EU - wird den Prozess der Vereinigung der Nationen Europas und der atlantischen Welt endlich abschließen.

Meine Damen und Herren:

Dies sind die Trumpfkarten der atlantischen Gemeinschaft: Eine gemeinsame Vision, eine wirkungsvolle Strategie, starke Volkswirtschaften und sichere Gesellschaften. Die letzten 50 Jahre unserer Partnerschaft waren sehr erfolgreich, weil wir uns an diese grundsätzlichen Dinge gehalten haben. Wenn wir weiterhin auf diesen Stärken aufbauen - sozusagen auf den "core competencies" unserer Gemeinschaft - sind unserem zukünftigen Potenzial keine Grenzen gesetzt.

Man kann wirklich sagen: Unsere Bürger hatten nie zuvor in der Geschichte mehr Freiheit, Sicherheit und Wohlstand als heute. Unsere deutschen Freunde haben nie zuvor so friedlich und harmonisch mit ihren Nachbarn gelebt. Wir sollten nicht vergessen, dass das alles ohne eine atlantische Gemeinschaft nicht möglich gewesen wäre. Ohne die Verbindung über den Atlantik hinweg wird dieser Wohlstand nicht überleben.

Schwächen

Aber unser euroatlantisches Unternehmen hat auch Schwachstellen.

Die grundlegende Veränderung unserer Geschäftsbedingungen - der Austausch eines einzigen, feindlichen Konkurrenten gegen unzählige neue Herausforderungen - setzt sowohl unsere Produktlinie als auch unsere internen Strukturen erheblichem Druck aus. In einigen Fällen war die Umstrukturierung bereits erfolgreich. Aber es sind noch weitreichende Veränderungen auf Gebieten erforderlich wie Ausbildung, Produktentwicklung und der Art und Weise, wie unsere Unternehmen die wirtschaftliche Lage wahrnehmen.

Perspektiven noch nicht angeglichen

Zunächst einmal haben wir die Perspektiven unserer verschiedenen Partner noch nicht angeglichen.

Die Vereinigten Staaten beginnen das neue Jahrhundert auf der Grundlage von 100 Jahren Wachstum und Erfolg. Wir verschließen nicht die Augen vor Schwierigkeiten, aber unser wirtschaftliches Umfeld gedeiht, unsere Gesellschaften sind zuversichtlich, und wir haben uns hohe Ziele für die Zukunft gesteckt .

Trotz der hervorragenden letzten 25 Jahre blicken unsere europäischen Partner auf ein Jahrhundert der Konflikte, Katastrophen und des Zusammenbruchs zurück. Sie sind sich ihrer Beziehungen untereinander nicht sicher und nicht immer davon überzeugt, dass der heutige Wohlstand von Dauer sein wird. Ihnen fehlt Zuversicht und Vision.

Unsere europäischen Partner sehen sich mit drei Revolutionen gleichzeitig konfrontiert: Der Wiedervereinigung und Integration Europas, der Modernisierung der Gesellschaft und der Bewältigung einer weltweiten technologischen Revolution. Die Amerikaner waren vielen dieser Belastungen vor 15 Jahren ausgesetzt. In vielen wichtigen Bereichen verläuft unsere Entwicklung zeitversetzt.

Wie ich bereits erwähnte, beeinflusst unsere gemeinsame Vision von prosperierenden sicheren Marktwirtschaften wirklich alle positiven Aspekte unserer Beziehungen. Genauso ziehen sich unsere unterschiedlichen Sichtweisen der Zukunft wie ein roter Faden durch unsere Kontroversen. In Europa lähmt die Angst vor dem Wandel auch die wichtige Umstrukturierungsarbeit, die für die Bewältigung zukünftiger Herausforderungen notwendig ist.

2. Nachbarschaftskonflikte

Unsere zweite Schwachstelle besteht darin, dass Teile der euroatlantischen Gebiets weiterhin von Konflikten beherrscht werden. Sicherheit und Frieden sind nicht in der ganzen euroatlantischen Region verbreitet.

Das Selbstbewusstsein unserer Partnerschaft wird von den ethnischen und religiösen Konflikten in strategischen Teilen Europas unterminiert.

Der Ausbruch eines Krieges in Südosteuropa hat tiefe Risse im europäischen Selbstbewusstsein hinterlassen. Noch schwieriger als die politische Uneinigkeit unter den EU-Staaten war die Erkenntnis, dass alte Konflikte noch schwelen. Fast über Nacht schien die rasche Integration eines demokratischen Europas unerreichbar geworden zu sein. Statt hoffnungsvoll fing die neue Ära getrübt und problembeladen an.

Die Erfahrungen Europas in Bosnien erinnerten Europa daran, dass weder die NATO noch die EU so weitermachen können wie vor 1990. Die Debatte über die Konsequenzen des Balkankrieges wird lange dauern.

3. Revolutionärer Wandel

Drittens. Wir befinden uns in einem Zeitalter beschleunigten Wandels. Veränderungen sind nichts Neues. Auch nicht, dass man darüber redet. John F. Kennedy sagte einmal: "Die Geschichte ist ein strenger Meister. Sie hat keine Gegenwart - nur die Vergangenheit, die in die Zukunft rast. Wenn man versucht, festzuhalten, wird man überrollt." W. Edward Deming drückte es prägnanter aus: "Man muss sich nicht ändern. Überleben ist keine Pflicht."

Aber das Tempo steigert sich. Der Wandel bringt Vorteile für unsere Gesellschaften mit sich. Aber er ist auch entwurzelnd und führt zu Unstimmigkeiten und Konflikten.

Viele dieser Unstimmigkeiten konzentrieren sich auf die Auswirkungen der wirtschaftlichen Integration. Andere Diskussionen und Konflikte resultieren aus den revolutionären wissenschaftlichen und technologischen Fortschritten. Beispielsweise wird auf beiden Seiten des Atlantiks eine hitzige Debatte über gentechnisch veränderte Organismen und Lebensmittelsicherheit geführt. Sind gentechnisch veränderte Lebensmittel gefährlicher als die mit traditionellen Züchtungsmethoden hergestellten? Es gibt unterschiedliche Meinungen.

Man muss erkennen, dass die Konflikte nicht an einer Trennlinie zwischen Europa und Amerika verlaufen - vielmehr formen Interessen und Meinungen ein Mosaikmuster, das die euroatlantische Welt umspannt. Die Ansätze unterscheiden sich in den europäischen Ländern ebenso sehr wie zwischen Amerika und Europa.

Anders ausgedrückt: Wir sind bereits über die so genannten "auswärtigen Beziehungen" hinaus. Wir haben eine Art "atlantische Innenpolitik", wie Sie im Deutschen sagen. Ich meine damit, dass konkrete gesellschaftliche und wirtschaftliche Anliegen geographische und politische Grenzen oft überschreiten.

Aber dieser Strukturwandel wird bis jetzt nur selten verstanden - auf beiden Seiten des Atlantiks. Komplizierte inneratlantische Auseinandersetzungen werden zu oft als ein "Abdriften" abgestemptelt. Man redet von verschiedenen Wertvorstellungen oder anderen Lebensvorstellungen bei Themen, die sogar noch heftiger diskutiert werden müssten.

4. Strukturreformen sind notwendig

Viertens und letztens. Die Infrastruktur unserer euroatlantischen Gemeinschaft konnte in vielerlei Hinsicht nicht mit dem raschen Wandel unserer Zeit Schritt halten. Einige grundlegende Gesichtspunkte unserer Gesellschaften: Der Arbeitsmarkt, unsere Verkehrsinfrastruktur, unsere Gesundheits-, Bildungs- und Rentensysteme sowie unsere sozialen Sicherheitsnetze werden den Anforderungen eines modernen Zeitalters nicht mehr gerecht.

Infolge des zunehmend länderübergreifenden Wesens unseres Arbeitslebens, werden diese üblicherweise innenpolitischen Anliegen zu entscheidenden Bestandteilen unseres transatlantischen Dialogs. Unsere Gesellschaften werden mobiler. Die Fähigkeit zu Tele- und Fernarbeit nimmt zu.

Die Vereinigten Staaten haben viel getan, um im Inland eine Strukturreform und eine Reform des Sozialsystems vorzunehmen. Aber es bleibt noch viel zu tun.

In Deutschland und Europa ist das Tempo des Wandels langsamer. Die meisten politischen Entscheidungsträger erkennen die Notwendigkeit von Strukturreformen an. Aber sie sind unsicher, was das Tempo und Ausmaß der Reformen angeht. Sie wissen nicht, wie viel sie erreichen können, ohne die soziale Struktur zu zerreißen.

Der Wandel wird auch von der Unfähigkeit behindert, die richtigen Fragen zu stellen. In Europa argumentieren noch viele für den Erhalt einer bestimmten Lebensweise - obwohl manche Traditionen längst von neuen abgelöst wurden.

Dann gibt es da noch die Frage, wie wir unsere Unternehmen am besten organisieren. In Europa ist die Ansicht weit verbreitet, dass wir mit der Angleichung unserer Produktlinie erst beginnen können, wenn die europäischen Partner das gleiche Stadium der Entwicklung und Einflussnahme erreichen wie die Amerikaner. In einer Wissensgesellschaft können solche Kriterien nur zur Isolation derer führen, die hinterherhinken. Unsere europäischen Partner müssen lernen, sich mehr auf Mittel und Zweck zu konzentrieren als auf theoretisch gutaussehende Visionen, die sich oft an der Vergangenheit orientieren.

Perspektiven

Meine Damen und Herren, Aktionäre der euroatlantischen Gemeinschaft:

Dies ist die Lage der atlantischen Partnerschaft: Überwiegend positiv, doch nicht ohne Herausforderungen. Das Fundament ist stark, aber die Schwachstellen dämpfen die Dynamik unseres Konzerns.

Heute strukturieren viele erfolgreiche Unternehmen ihren Betrieb um. Sie definieren ihre Ziele genau nach der veränderten Lage und gestalten ihre Produkte hinsichtlich der neuen Erkenntnise. Wir haben ein Anfang gemacht, aber es gibt noch sehr viel zu tun. Wir müssen vor allem den Abteilungen in Europa einen umfassenderen Ausblick vermitteln. Mehr Autonomie. Mehr Eigenverantwortlichkeit.

Unsere Aufgabe heute besteht darin, einen breiteren Horizont für das europäische Engagement in unserer Partnerschaft zu definieren. Wir müssen die Qualität wieder erlangen, die Europa jahrhundertelang groß gemacht hat - eine nach außen gerichtete europäische Universalität und eine can do-Einstellung (Machbarkeits-Einstellung).

Eine neue Synthese

Bei seinem Deutschlandbesuch vor zwei Jahren versuchte Präsident Clinton, eine neue solche Einstellung in unserer atlantischen Gemeinschaft zu wecken. Er rief Europa auf, unsere Ziele in einer Reihe von gemeinsamen Projekten zu unterstützen. Damit hoffte er, das europäische Engagement für die Verwirklichung von Idealen wiederzuerwecken. Er sagte, das Wiederbeleben dieser Geisteshaltung, dieser offenen, zielgerichtete Einstellung, sei der Schlüssel zu Europas Zukunft.

Deutschland kommt hierbei eine besondere Rolle zu. Deutschland ist der beständigste europäische Partner der Vereinigten Staaten. Es entwickelt sich außerdem zu einem noch stärkeren europäischen Pfeiler.

Deutschland kann der Rolle Europas auf der Welt Inhalt und Richtung verleihen. Ein dynamisches und sicheres Deutschland wird gewährleisten, dass sich ein pragmatisches und verantwortungsbewusstes Europa entwickelt. Ein positives und zuversichtliches Deutschland wird zum Entstehen eines positiven und zuversichtlichen Europas beitragen.

Jahrzehntelang haben wir das Bild von zwei unabhängigen Pfeilern benutzt, um die Zukunft der westlichen Welt zu definieren. Dieses Bild sollte jedoch vielleicht überarbeitet werden, um einer neuen, umstrukturierten Partnerschaft gerecht zu werden. Im Geist der Zukunft sollten wir meines Erachtens auf die Welt der Wissenschaft zurückgreifen, um unsere Gemeinschaft zu definieren.
Wir sind Nationen und Völker, die das gleiche Vermächtnis, die gleichen Ziele und Visionen haben. Wir verlassen uns aufeinander, damit wir weiterhin Wohlstand, Sicherheit und Anregungen haben. Unser altes Bild von zwei getrennten Gemeinschaften, die eine Brücke über den Atlantik bauen, ist überholt. Wir brauchen ein neues Bild für unsere Gemeinschaft

Vor kurzem fiel mir auf, dass es dieses Bild bereits gibt - im Berliner Reichstag. Die Rampe, die in die neue Glaskuppel hinaufführt, besteht eigentlich aus zwei Rampen - eine führt hinauf, eine hinab und gemeinsam nehmen sie die Form eines der Grundbausteine des Lebens an: Der Doppelhelix.

Die Stränge einer Doppelhelix können nicht voneinander getrennt werden, ohne das Leben selbst zu beenden. Auch Europa und Amerika können nicht voneinander getrennt werden, ohne daß uns beiden irreparabler Schaden zugefügt wird. Daher schlage ich vor, dass wir die Form der Doppelhelix - zwei ineinander verschlungene Stränge - als unser neues Unternehmenslogo wählen.

Europa und Amerika sind ein einziger Organismus. Wir haben eine komplexe Struktur mit zahlreichen Bedürfnissen. Aber wie die Stränge einer Doppelhelix können wir nicht getrennt werden, wenn wir prosperieren wollen. Wenn wir im Rahmen dieses neuen Symbols arbeiten und uns auf unsere entscheidenden Stärken konzentrieren, können wir sicherstellen, dass unsere Partnerschaft, die in den vergangenen 50 Jahren so außerordentlich erfolgreich war, diesen Erfolg in das neue Jahrhundert überträgt.

 
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Aktualisiert: August 2001