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Eine neue atlantische Gemeinschaft für das 21. Jahrhundert

Eine neue atlantische Gemeinschaft für das 21. Jahrhundert.
Außenminister Christopher zum 50. Jahrestag der "Rede der Hoffnung" in Stuttgart
6. September 1996


Originalrede

Herr Ministerpräsident, Herr Außenminister, Herr Bürgermeister, General Jamerson, Gouverneur James,
Herr Kongreßabgeordneter, meine Damen und Herren,

bevor ich beginne, möchte ich ein besonderes Wort der Anerkennung für meinen Amtskollegen Klaus Kinkel aussprechen, der sich in hohem Maße für die deutsch-amerikanischen Beziehungen eingesetzt hat, der während meiner dreieinhalbjährigen Amtszeit als Außenminister mein enger Freund und Vertrauter gewesen ist, und der mich heute nach Stuttgart eingeladen hat. Ich bin gekommen, um gemeinsam mit Ihnen der "Rede der Hoffnung" zu gedenken, die mein Vorgänger, Außenminister James Byrnes, heute vor 50 Jahren hier in Stuttgart hielt. Ich bin gekommen, um an das halbe Jahrhundert der Fortschritte zu erinnern, die wir gemeinsam seit dieser Rede erzielt haben und zu erörtern, wie wir im nächsten Jahrhundert eine prosperierende Partnerschaft gewährleisten können.

Es wird niemanden überraschen, daß man Außenminister Byrnes - wie den meisten von uns - bei der Vorbereitung seiner Rede behilflich war. Sein wichtigster Berater war John Kenneth Galbraith, der berühmte Ökonom, Autor und Botschafter in Indien. Als ich Professor Galbraith vor einigen Tagen anrief, um mit ihm Erinnerungen an die Byrnes-Rede auszutauschen, meinte er mit einem Lächeln in der Stimme: "Ich habe niemals mit größerer Zustimmung einer Rede gelauscht."

Natürlich hörte ganz Europa aufmerksam zu, denn die Zukunft des Kontinents stand auf Messers Schneide. Die Vereinigten Staaten hatten sich mit ihren Verbündeten zusammengetan, um den Krieg zu gewinnen, weil sie wußten, daß Amerika nicht frei sein konnte, wenn Europa es nicht war. Aber im Jahr 1946 hatten wir den Sieg noch nicht davongetragen. Die ersten amerikanischen Care-Pakete kamen zwar im August jenes Jahres hier an, aber ein deutscher Reporter, der mit Außenminister Byrnes nach Stuttgart reiste, blickte aus seinem Zugfenster und beschrieb "zahllose Frauen mit zerschlissenen Rucksäcken ... einige wenige Männer, die sich in der Dämmerung nach Hause schleppten", ein Zuhause, in dem "die Kinder keine Schuhe haben,
die Tochter keinen Mantel, das Haus weder Fensterscheiben noch Brennstoff im Keller hat. Und der
Winter kommt." Unterdessen brachte die Befreiung im Osten nicht die Freiheit, sondern neue
kommunistische Tyrannei, die Familien, Nationen und die Welt trennen sollte.

Außenminister Byrnes Rede wurde bekannt als "Rede der Hoffnung", weil sie Amerika fest an die Seite derer stellte, die an eine bessere Zukunft für Deutschland und Europa glaubten. Die von ihm in der Rede formulierten Prinzipien legten das Fundament für unsere erfolgreiche Partnerschaft der Nachkriegszeit. Sie schufen die Basis für das, was zu einer überparteilichen amerikanischen Strategie wurde, symbolisiert durch die Anwesenheit des republikanischen Senators Arthur Vandenberg bei der Rede von Außenminister Byrnes. Diese Prinzipien gestalten unseren Ansatz zu Europa bis auf den heutigen Tag.

Erstens versprach Byrnes, daß die Vereinigten Staaten eine politische und militärische Macht in Europa bleiben würden. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten wir uns aus den europäischen Angelegenheiten zurückgezogen und einen schrecklichen Preis dafür bezahlt. "Wir wollen jenen Fehler nicht wiederholen", erklärte Byrnes. "Wir bleiben hier."

Zweitens bekräftigte Byrnes, daß unsere Unterstützung für die Demokratie der Schlüssel zu dauerhaftem Frieden in Deutschland und Europa ist. "Das amerikanische Volk wünscht, dem deutschen Volk die Regierung Deutschlands zurückzugeben", äußerte er. Wir waren zuversichtlich, daß ein demokratisches Deutschland unser Partner werden könnte.

Schließlich brachte Byrnes das Engagement der Vereinigten Staaten für die politische und wirtschaftliche Einheit Deutschlands zum Ausdruck. Die Vereinigten Staaten vertraten die Auffassung, daß Deutschland vereinigt, demokratisch und frei sein müßte, wenn Europa als Ganzes Stabilität und Integration erlangen sollte.

Byrnes weitblickender Ansatz ebnete den Weg für George Marshall, Konrad Adenauer, Jean Monnet und die bemerkenswerte Generation, die die Erholung Europas anführte und uns 50 Jahre Frieden und Wohlstand bescherte. Dank ihnen erkannten wir das Versprechen der "Rede der Hoffnung". Amerika behielt sein Engagement und seine Streitkräfte in Europa bei. Das deutsche Volk wählte Freiheit und erreichte die Vereinigung. Und gemeinsam behielten wir Kurs im Kalten Krieg. Heute ist der Checkpoint Charlie nur noch ein Museum für Touristen. Vor dem NATO-Hauptquartier, wo wir einst die Verteidigung von Berlin und Stuttgart gegen einen sowjetischen Angriff planten, wehen heute die Flaggen von 43 europäischen Nationen, einschließlich der russischen.

Im vergangenen halben Jahrhundert haben die Vereinigten Staaten und Deutschland Beziehungen
aufgebaut, die tiefer als die Bande sind, die ausschließlich von Soldaten und Diplomaten geknüpft werden. Wir haben eine kulturelle und intellektuelle Partnerschaft, die so ausgezeichnet durch das
Fulbright-Programm, die Goethe-Institute, den German Marshall Fund und viele andere Institutionen
repräsentiert wird. Wir haben eine wirtschaftliche Partnerschaft: Amerika ist der größte ausländische Investor in Deutschland und der Hauptnutznießer deutscher Investitionen im Ausland. Wir haben auch eine umweltpolitische Partnerschaft: Gemeinsam kämpfen wir um die Beseitigung von Altlasten in Ostdeutschland, gegen sauren Regen in Wisconsin und die Entwaldung in Brasilien.

Vor 50 Jahren erklärte Außenminister Byrnes, Amerika will "dem deutschen Volk helfen, seinen Weg zurückzufinden zu einem ehrenvollen Platz unter den freien und friedliebenden Nationen der Welt". Unsere gemeinsamen Leistungen sind atemberaubend. Heute stehen diese Stadt und das sie umgebende Land für das Europa, das uns allen vertraut ist: Ein Ort, an dem Demokratie, Wohlstand und Frieden eine Selbstverständlichkeit geworden sind. Deutschland ist das vereinigte Herzstück eines zunehmend vereinten Kontinents. Und dieser Kontinent blickt jetzt auf Deutschland als Symbol und Katalysator für die Integration, die er anstrebt.

Trotz all unserer Fortschritte haben wir jedoch in Europa noch Herausforderungen zu bewältigen. Das Ende des Kalten Krieges hat kein Ende der bewaffneten Konflikte auf diesem Kontinent mit sich gebracht. Und obwohl die durch den Kalten Krieg in Europa herbeigeführte Spaltung verblaßt, ist sie noch nicht vollständig überwunden. Diese Spaltung ist immer noch sichtbar in der wirtschaftlichen Kluft zwischen Ost und West. Sie zeigt sich an der Umweltverschmutzung, die Menschenleben von der Ukraine bis nach Schlesien verkürzt. Vor allem ist sie greifbar in dem Wunsch nach größerer Sicherheit der Bürger vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer, über eine Region hinweg, in der die beiden großen Kriege unseres Jahrhunderts und der Kalte Krieg begannen.

In wenigen Jahren bricht ein neues Jahrhundert an. Ich möchte Ihnen die Vision vermitteln, die Präsident Clinton und ich für die Vereinigten Staaten und Europa im Jahr 2000 haben. Es ist die Vision einer neuen atlantischen Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft wird auf den von unseren Vorgängern geschaffenen Institutionen aufbauen, aber sie wird die künstlichen Grenzen Europas der Zeit des Kalten Krieges überschreiten. Sie wird Nordamerika eine tiefere Partnerschaft mit einem umfassenderen, integrierteren Europa auf diesem Kontinent und der ganzen Welt bescheren. Sie schreibt die von Außenminister Byrnes niedergelegten Prinzipien fort.

Während das nächste Jahrhundert in dieser neuen atlantischen Gemeinschaft anbricht, werden unsere gemeinsamen Anstrengungen uns das Vertrauen gegeben haben, daß die demokratischen Bestrebungen von 1989 Bestand haben, Vertrauen, daß Kriege wie der in Bosnien verhindert werden können, und Vertrauen, daß jede neue Demokratie - groß und klein - ihren rechtmäßigen Platz in Europa einnehmen kann. In dieser neuen atlantischen Gemeinschaft werden die Vereinigten Staaten in Partnerschaft mit unseren Freunden und Verbündeten - und einer effektiveren Europäischen Union, die neue Mitglieder aufnimmt - vollständig in Europa engagiert sein. In dieser Gemeinschaft wird die NATO weiterhin der zentrale Pfeiler unseres Sicherheitsengagements sein. Es wird eine neue NATO sein, angepaßt an die Bewältigung sich abzeichnender Herausforderungen, mit der uneingeschränkten Beteiligung aller unserer derzeitigen Mitglieder und mehrerer neuer aus dem Osten. Die Partnerschaft für den Frieden der NATO und die OSZE werden uns die Instrumente zur Verhinderung von Konflikten an die Hand geben und die Freiheit für alle Bürger unserer Gemeinschaft sicherstellen. In unserer Vision für diese Gemeinschaft wird ein demokratisches Rußland unser vollwertiger Partner sein. Unsere Volkswirtschaften werden zunehmend integriert sein und florieren. Europa und Amerika werden gemeinsam gegen die globalen Bedrohungen vorgehen, die wir nur zusammen überwinden können.

Das ist die Art von Vision, die unserer Partnerschaft Stärke und unserem Volk Hoffnung in den dunkelsten, gefährlichsten Tagen unseres Jahrhunderts gegeben hat. Vor zehn Jahren war sie noch ein Traum. In zehn Jahren könnte die Chance vertan sein. Aber ich glaube, wir können sie ergreifen, wenn wir in den letzten Jahren dieses Jahrhunderts gemeinsam vier Herausforderungen meistern.

Die erste Herausforderung besteht im Aufbau eines sicheren und integrierten Europas, um die veralteten Grenzen des Kalten Krieges für immer auszuradieren. Die neuen Demokratien Zentraleuropas und der neuen unabhängigen Staaten wollen unsere Partner sein. Es liegt in unserem Interesse, ihnen bei der Übernahme unserer gemeinsamen Pflichten behilflich zu sein. Es liegt in unserem Interesse, sie in die gleichen Wertestrukturen und Institutionen einzubeziehen, die Westeuropa die Überwindung seines Erbes von Konflikten und Teilung ermöglichten. Es liegt sicherlich im Interesse Deutschlands, mit uns und unseren anderen Verbündeten bei dieser Aufgabe zusammenzuarbeiten, denn damit kann Deutschlands östliche Grenze zu dem gemacht werden, was seine westliche seit langem ist: Ein Tor, nicht eine Schranke.

Beim NATO-Gipfeltreffen im Januar 1994 schlugen Präsident Clinton und unsere Verbündeten eine
umfassende Strategie für die europäische Sicherheit vor. Präsident Clinton vertritt die Auffassung, daß ein weiterer Gipfel zur vollständigen Umsetzung dieser Strategie erforderlich ist. Ich erwarte, daß unsere Staats- und Regierungschefs im Frühjahr oder Frühsommer 1997 zusammentreffen. Ihr Ziel sollte sein, den internen Reformen der NATO zuzustimmen, Erweiterungsverhandlungen in die Wege zu leiten und die Partnerschaft der NATO mit Rußland und anderen europäischen Staaten zu vertiefen.

Der Zweck der NATO-Reform besteht in der Gewährleistung, daß die NATO neue Herausforderungen in einem Europa bewältigen kann, in dem keine Macht eine Bedrohung für eine andere darstellt. In diesem Jahr haben meine Amtskollegen und ich ein historisches Programm für den Aufbau einer neuen NATO vereinbart. Es wird dem Bündnis die Übernahme einer prominenteren und kompetenteren europäischen Rolle gestatten und den besonderen europäischen Funktionen der Westeuropäischen Union Substanz verleihen. Es wird die Fähigkeit der NATO verbessern, auf Notfälle zu reagieren und es unseren Partnern in Zentraleuropa und den neuen unabhängigen Staaten erleichtern, uns zur Seite zu stehen, wenn wir es tun. Unser oberstes Ziel ist eine neue NATO, in der alle unsere Verbündeten, einschließlich Frankreich und Spanien, Vollmitglieder sind.

Auch die NATO-Erweiterung verläuft planmäßig und wird stattfinden. Im Augenblick befindet sich die NATO in einem intensiven Dialog mit den interessierten Ländern um herauszufinden, was sie und die NATO als Vorbereitung für ihren Beitritt tun müssen. Auf der Grundlage dieser Diskussionen sollten wir beim Gipfel von 1997 mehrere Partner zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen einladen. Wenn die ersten neuen Mitglieder durch die offene Tür der NATO treten, wird sie für alle diejenigen offen bleiben, die unter Beweis stellen, daß sie willens und bereit zur Übernahme der Pflichten der Mitgliedschaft sind. Die NATO sollte in eine neue Phase ihres intensivierten Dialogs mit denjenigen eintreten, die eine Mitgliedschaft anstreben, nachdem die ersten Kandidaten zum Beitritt eingeladen wurden.

Die Erweiterung wird sicherstellen, daß die Vorteile der NATO nicht an der Linie halt machen, die ihre Bedeutung mit dem Fall der Berliner Mauer verlor. Die von unseren Partnern als Vorbereitung auf die Mitgliedschaft unternommenen Schritte - Stärkung der Demokratie und Bildung von Vertrauen mit ihren Nachbarn - haben Zentraleuropa bereits größere Stabilität verliehen als es in diesem Jahrhundert erlebt hat. In der Tat war kein Bündnis effektiver bei der Verhinderung von Konflikten als die NATO. Aus diesem Grund haben wir sie geschaffen. Aus diesem Grund wollen unsere Partner ihr beitreten. Aus diesem Grund ist die NATO das Kernstück unserer europäischen Strategie.

Natürlich verdienen alle neuen Demokratien Europas - unabhängig davon, ob sie der NATO früher, später oder überhaupt nicht beitreten - gleiche Chancen, zur Gestaltung der Zukunft Europas beizutragen. Aus diesem Grund müssen wir den Geltungsbereich der Partnerschaft für den Frieden ausdehnen.

Dank der Partnerschaft für den Frieden können wir jetzt die ersten wirklich europaweiten militärischen Koalitionen bilden, in denen Soldaten aus Rußland und Amerika, Polen und der Ukraine, Deutschland und Litauen Seite an Seite üben und jederzeit zum Schutz unserer Sicherheit bereit sind. Zu diesem Zweck sollten wir das Mandat der Partnerschaft über ihre derzeitige Mission hinaus erweitern. Wir sollten unsere Partner in die Planung und Durchführung der NATO-Missionen einbeziehen. Wir sollten ihnen ein größeres Sagen bei der Gründung eines Atlantischen Partnerschaftsrats einräumen. Auf diese Weise bietet uns die NATO die Grundlage zur Schaffung unserer neuen atlantischen Gemeinschaft - in der ganz Europa und Nordamerika beim Aufbau dauerhafter Sicherheit zusammenarbeiten, und die Erfolg hat, wo alle bisherigen Bestrebungen scheiterten.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ist unerläßlich für diese sich abzeichnende neue Gemeinschaft. Das ist klar ersichtlich aus ihren wichtigen und mutigen Missionen in Bosnien, Tschetschenien und im Baltikum. Die Grundsätze von Helsinki - Respektierung einer offenen Gesellschaft und der Rechtsstaatlichkeit - waren der Wegweiser für alles, was wir im letzten Jahrzehnt geleistet haben und gestalten unsere Vision für die Zukunft. Beim OSZE-Gipfeltreffen im Dezember in Lissabon sollten wir auf diesen Prinzipien aufbauen, um unsere Sicherheitszusammenarbeit im nächsten Jahrhundert zu definieren. In Lissabon sollten unsere Staats- und Regierungschefs praktische Schritte unternehmen, wie die Aufnahme von Verhandlungen zur Anpassung des KSE-Vertrags an das neue Sicherheitsumfeld Europas.

Engere politische Zusammenarbeit in der Europäischen Union sowie ihre bevorstehende Erweiterung werden zu Sicherheit und Wohlstand der neuen atlantischen Gemeinschaft beitragen und die Partnerschaft zwischen Europa und den Vereinigten Staaten festigen. Präsident Clinton ist ein entschiedener Befürworter verstärkter europäischer Integration und hat erneut die von Präsident John F. Kennedy eingegangene Verpflichtung bekräftigt.

Ein entscheidendes Ziel der neuen atlantischen Gemeinschaft ist die Integration der Ukraine in Europa. Die Ukraine hat Marktwirtschaft und Demokratie eingeführt und auf Nuklearwaffen verzichtet. Sie strebt enge Beziehungen zu Rußland und Zentraleuropa sowie eine enge Partnerschaft mit westlichen Nationen und Institutionen an. Wir wollen der Ukraine bei der Konsolidierung ihrer Unabhängigkeit durch die Überwindung ihrer ernsthaften Wirtschaftsprobleme, durch Zugang zu wichtigen Märkten und die Entwicklung engerer Beziehungen zur NATO helfen.

Die von mir dargelegte Vision kann nur erfolgreich sein, wenn wir die entscheidende Rolle Rußlands in der neuen atlantischen Gemeinschaft anerkennen. Während eines Großteils dieses Jahrhunderts haben Angst, Tyrannei und Selbstisolation Rußland vom europäischen Mainstream getrennt. Jetzt fassen jedoch die neuen Muster von Vertrauen und Zusammenarbeit Fuß. Das russische Volk baut auf der Grundlage der Ideale von Demokratie und freier Marktwirtschaft eine neue Gesellschaft auf. Obwohl sein Kampf noch lange nicht beendet ist, wie die seit 20 Monaten andauernden Angriffe auf Tschetschenien demonstrieren, hat das russische Volk eine Rückkehr zur Vergangenheit abgelehnt und unser Vertrauen in die Demokratie bestätigt - dieselbe Art von Vertrauen, dem Außenminister Byrnes hier vor 50 Jahren Ausdruck verlieh. Jetzt kann sich ein integriertes, demokratisches Rußland am Aufbau eines integrierten, demokratischen Europas beteiligen.

Heute möchte ich dem russischen Volk folgendes mitteilen: Wir begrüßen Sie als unsere vollwertigen Partner beim Aufbau eines neuen Europas, das frei von Tyrannei, Teilung und Krieg ist. Wir wollen zusammen mit Ihnen daran arbeiten, Rußland in die Familie marktwirtschaftlicher Demokratien aufzunehmen. Wir wollen, daß Sie Interesse an den Institutionen europäischer Sicherheit und wirtschaftlicher Zusammenarbeit entwickeln und eine Rolle darin übernehmen. Aus diesem Grund streben wir grundlegend neue Beziehungen zwischen Rußland und der neuen NATO an. Solche Beziehungen sind möglich. Sie sind für uns alle wichtig. Und wir sind entschlossen, sie zu knüpfen.

Die Zusammenarbeit der NATO mit Rußland sollte in einer offiziellen Charta ihren Ausdruck finden. Diese Charta sollte dauerhafte Vereinbarungen über Konsultationen und gemeinsame Aktionen zwischen Rußland und dem Bündnis enthalten.

Die NATO und Rußland benötigen eine Charta, weil wir ein gemeinsames Interesse an der Verhinderung bewaffneter Konflikte haben. Wie werden gleichermaßen bedroht durch Proliferation, Nuklearschmuggel und das Schreckgespenst von Katastrophen wie Tschernobyl. Die Charta sollte uns einen dauerhaften Mechanismus für Krisenmanagement an die Hand geben, damit wir beim Auftreten dieser Herausforderungen umgehend zusammen darauf reagieren können. Unsere Truppen sollten zusammen für gemeinsame Operationen üben. Das Potential unserer Partnerschaft zeigt sich bereits in Bosnien, wo unsere Truppen gemeinsame Lasten tragen und gemeinsame Leistungen erbringen. Wir wollen den nächsten logischen Schritt unternehmen.

Unsere Bestrebungen in Bosnien demonstrieren sowohl die Chancen als auch die Dringlichkeit des Aufbaus einer neuen atlantischen Gemeinschaft. Bosnien steht heute in vieler Hinsicht dort, wo Europa 1946 stand. Die Grünflächen seiner Städte wurden zu Friedhöfen. Seine Kinder haben Terror und Hunger kennengelernt und die destruktive Macht des Hasses gesehen. Das Land steht aber auch an der Schwelle zu einer besseren Zukunft. Der Krieg ist vorüber und der vor ihm liegende Weg klar: Er ist abhängig von Demokratie, Gerechtigkeit und Integration. Vergangenen Monat war ich in Sarajevo und sah dort die Fortschritte, die gemacht wurden, seit das Daytoner Abkommen den Weg zum Frieden geebnet hat. Deutschlands Diplomatie, seine Wirtschaftshilfe sowie sein militärischer Beitrag sind hierbei allesamt von entscheidender Bedeutung.

Bereits in einer Woche werden Wahlen abgehalten, damit die Institutionen eines geeinten bosnischen Staates gegründet werden können. Jede politische Partei in Bosnien unterstützt diese Wahlen. Das bosnische Volk möchte wieder seine Stimme zurückerhalten, die der Krieg ihm verweigerte. Unsere Aufgabe besteht darin, ihm bei der Wahrnehmung dieses Rechts unter angemessenen Bedingungen zu helfen. Durch die Verschiebung der Kommunalwahlen hat die OSZE bereits ein deutliches Signal gesendet, daß grundlegende Normen erfüllt werden müssen. Wir müssen Vertrauen in die Macht der demokratischen Entscheidung in Bosnien haben. Wir müssen uns auch vor Augen halten, daß Wahlen nur ein erster Schritt sind. Wir müssen langfristig zusammenarbeiten, damit die führenden Politiker Bosniens ihren Verpflichtungen nachkommen und wir allen Nationen des ehemaligen Jugoslawien helfen können, sich wieder an Europa anzuschließen.

Unsere zweite Herausforderung beim Aufbau der neuen atlantischen Gemeinschaft besteht in der
Förderung von Wohlstand unserer Nationen und seiner globalen Ausweitung. Die Vereinigten Staaten und Europa haben die umfassendsten Wirtschaftsbeziehungen der Welt aufgebaut. Sie erhalten 14 Millionen Arbeitsplätze auf beiden Seiten des Atlantiks.

Wir müssen uns auf einen freien und offenen transatlantischen Markt zubewegen, wie ihn die Vereinigten Staaten und die Europäische Union letzten Dezember anvisierten. Während die Schranken fallen und sich die Dynamik erhöht, scheint immer mehr möglich. Wir haben bereits ein Stadium erreicht, in dem wir die echte Integration der Volkswirtschaften Europas und Nordamerikas realistisch erörtern können. Wir können jetzt praktische Schritte unternehmen, beispielsweise den Abbau von beschränkenden Vorschriften, um visionärere Ziele zu erlangen.

Unsere Vision für offenen Handel und Investitionen in der neuen atlantischen Gemeinschaft muß ebenso umfassend sein wie unsere Vision dieser Gemeinschaft selbst. Mit anderen Worten: Sie muß sich auf Zentraleuropa und die neuen unabhängigen Staaten, einschließlich Rußlands, erstrecken. Präsident Jelzin hat beispielsweise der Öffnung Rußlands für ausländische Investitionen Priorität eingeräumt, und Präsident Clinton engagiert sich persönlich für die Erlangung dieses Ziels. Wir unterstützen entschieden den Eintritt Rußlands in die WTO zu angemessenen wirtschaftlichen Bedingungen. Wir sind uns bewußt, daß in den neuen Demokratien Europas Stabilität von Wohlstand abhängt - und von unserer Bereitschaft zur Öffnung westlicher Märkte.

Das ist ein Grund dafür, daß wir ein umfassendes Programm für die Erweiterung der Europäischen Union unterstützen. Die Aussicht auf eine Mitgliedschaft in der EU wird zur Durchführung demokratischer und marktwirtschaftlicher Reformen in Zentral- und Osteuropa beitragen. Sie stellt die Weichen für einen echten europäischen Binnenmarkt. Dabei sollten rasche Fortschritte gemacht werden.

Gemeinsam tragen wir auch die Verantwortung sicherzustellen, daß das internationale Wirtschaftssystem und seine Institutionen für das 21. Jahrhundert gerüstet sind. Wir haben bereits gemeinsam an der Reform des IWF und der Weltbank gearbeitet. Wir schlossen die Uruguay-Runde ab und gründeten die Welthandelsorganisation. Beim ersten Ministertreffen der WTO kommenden Dezember in Singapur sollten wir auf den Abschluß der unerledigten Themen der Uruguay-Runde drängen, insbesondere bei den Dienstleistungen, und damit beginnen, die Prioritäten für das nächste Jahrhundert zu setzen. Ferner müssen wir das unsrige tun um zu gewährleisten, daß die ärmsten Nationen der Welt von offenen Märkten profitieren.

Unsere neue atlantische Gemeinschaft wir nur sicher sein, wenn wir gemeinsam am Umgang mit
grenzüberschreitenden Bedrohungen arbeiten - Bedrohungen wie Terrorismus, Weiterverbreitung von Nuklearwaffen, Verbrechen, Drogen, Krankheiten und Umweltzerstörung. Die Gefahren, die diese Bedrohungen für unsere Sicherheit und unser Wohlergehen darstellen, sind ebenso groß wie alle, mit denen wir während des Kalten Krieges konfrontiert waren. Ihre Bewältigung stellt unsere dritte Herausforderung dar, von der ich heute zwei Elemente erörtern möchte: Terrorismus und Umwelt.

Wir müssen gemeinsam dem Terrorismus die Stirn bieten, wo immer er auftritt. Von den Nachtlokalen in Berlin zu den Metrostationen in Paris, von den Bürgersteigen Londons zu den Bürotürmen in New York haben gesetzlose Verbrecher unsere Bürger zu Zielscheiben und unsere öffentlichen Plätze zu Jagdgründen gemacht.

Präsident Clinton hat versprochen, internationale Bestrebungen zur Bekämpfung dieses gemeinsamen Feindes anzuführen. Die vom Präsidenten bei der UN-Generalversammlung im vergangenen Jahr vorgestellte Strategie zur Terrorismusbekämpfung war ein deutliches Zeichen unserer Entschlossenheit. Die vor zwei Monaten von den G-7-Staaten und Rußland in Paris angenommenen 25 spezifischen Maßnahmen sind ein Entwurf dafür, wie man Terroristen das Handwerk legen und sie hinter Gitter bringen kann. Ich fordere alle Nationen dazu auf, sie so schnell wie möglich umzusetzen.

Die Zusammenarbeit gegen dem Terrorismus Vorschub leistende Staaten ist ein Gebot, keine Option. Sie ist ein Anliegen, für das sich alle Nationen einsetzen sollten. Unser auf Prinzipien gegründetes Engagement für freien Handel verpflichtet uns nicht, Geschäfte mit aggressiven Tyranneien wir Iran und Libyen abzuschließen. Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um durch wirksame multilaterale Maßnahmen diesen verbrecherischen Regimen die Mittel zu verweigern, nach denen sie streben.

Auch der Irak unterstützt den Terrorismus, und wie wir gesehen haben, stellt er eine dauerhafte Bedrohung des Friedens im Nahen Osten dar. Ich möchte Bundeskanzler Kohl, Außenminister Kinkel und Deutschland meinen aufrichtigen Dank aussprechen, daß sie Präsident Clintons entschlossene Reaktion auf Saddam Husseins erneute Aggression unterstützt haben.

Bedrohungen der Umwelt respektieren ebenfalls keine Grenzen. Sie schaden unseren Volkswirtschaften und der Gesundheit unserer Bürger. Aus diesem Grund haben Präsident Clinton und ich Umweltfragen zu einem wesentlichen Bestandteil der amerikanischen Außenpolitik gemacht.

Hier in Europa besteht unsere dringlichste umweltpolitische Herausforderung darin, die verheerenden Auswirkungen jahrzehntelanger kommunistischer Mißwirtschaft zu beseitigen. Von den verlassenen Dörfern im Umkreis von Tschernobyl über die abgeholzten Wälder Sibiriens bis zu den riesigen verrosteten Fabriken in Zentraleuropa gehört Umweltzerstörung zu den verheerendsten Altlasten, mit denen Europas neue Demokratien konfrontiert werden.

Weltweit können wir durch Zusammenarbeit 1997 zum wichtigsten Jahr für die globale Umwelt seit dem Gipfel von Rio machen. Wir können die Führung bei der Erlangung realistischer, rechtlich indender Verpflichtungen zur Verringerung der Emission von Treibhausgasen übernehmen. Wir können uns auf eine verantwortliche Verwaltung der Wälder der Erde einigen - einer Ressource, der das deutsche und das amerikanische Volk immer hohen Wert beigemessen haben.

Alle heute von mir vorgeschlagenen Schritte erfordern eine engere Zusammenarbeit unserer Regierungen. Aber die Stärke unserer Beziehungen hängt letztlich von den Banden zwischen unseren Menschen ab. Das ist die vierte Herausforderung, die ich erörtern möchte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg leisteten Deutschland und die Vereinigten Staaten Pionierarbeit bei kulturellen und akademischen Austauschprogrammen, die für Amerikaner und Europäer heute so wichtig sind. Aufgrund unserer Partnerschaft im Kalten Krieg haben Millionen Amerikaner in Deutschland und Europa gelebt und gearbeitet, und wir können praktisch davon ausgehen, daß die Menschen sich gut kennenlernten. Aber jetzt nach dem Ende des Kalten Krieges müssen wir neue Bande knüpfen. Wir müssen auf den Banden aufbauen, die täglich von unseren Unternehmen, Universitäten, Parlamentariern und nichtstaatlichen Organisationen geschmiedet werden.

Im November werden die Vereinigten Staaten und die Europäische Union in Washington eine Konferenz zur Stärkung transatlantischer Austauschprogramme veranstalten. Ich möchte einen besonderen Vorschlag unterbreiten. Wir wollen eine Hoffnungsgemeinschaft - eine Fellowship of Hope - gründen: Einen Austausch zwischen den für auswärtige Angelegenheiten zuständigen Behörden der Vereinigten Staaten, der EU und ihrer Mitgliedstaaten, damit unsere jungen Führungspersönlichkeiten zusammen arbeiten und voneinander lernen können. Auch der Privatsektor kann mehr tun. Derzeit sind 500.000 Amerikaner bei deutschen Unternehmen beschäftigt, und 600.000 Deutsche arbeiten für amerikanische Firmen. Wir wollen alle unsere Unternehmen dazu ermutigen, dem Beispiel zu folgen, das einige Unternehmen bereits durch die Ausweitung von Austauschprogrammen für ihre Beschäftigten gesetzt haben.

Ich bin zuversichtlich, daß unsere Völker und unsere Regierungen gleichermaßen die Partnerschaft vertiefen können, deren wir uns schon lange erfreuen. Schließlich sind die dieser Partnerschaft zugrundeliegenden Prinzipien, denen Außenminister Byrnes Ausdruck verlieh, dauerhaft. Im Westen hielten sie dem Trauma des Zweiten Weltkriegs stand. Im Osten überdauerten sie die Säuberungsaktionen und Propaganda der kommunistischen Herrschaft. Im letzten Jahrzehnt ermutigten sie uns zur Zusammenarbeit bei der Vereinigung Deutschlands, der Beendigung des Krieges in Bosnien, der Unterstützung von Reformen in Rußland sowie der Errichtung des offensten Welthandelssystems der Geschichte.

All dies begann hier, inmitten der Trümmer und Verzweiflung des Jahres 1946. Und wenn wir heute von großer Hoffnung beflügelt sind, liegt das an dem, was Deutschland mit seinen Partnern seit damals erreicht hat. Aufgrund des von uns gemeinsam Geleisteten kann mein Land einer zukünftigen Partnerschaft mit einen neuen Deutschland und einen neuen Europa erwartungsvoll entgegensehen - einem Europa, in dem Grenzen einen statt zu trennen; einem Europa, dessen Horizonte weiter als seine Grenzen sind.

Wir haben mit Ihnen für den Aufbau dieses neuen Europas gekämpft. Und jetzt möchte ich ebenso wie mein Vorgänger es vor 50 Jahren tat im Namen Amerikas sagen: Wir bleiben hier. Wir können die von mir umrissenen Herausforderungen bewältigen. Wir können eine freie, geeinte und wohlhabende atlantische Gemeinschaft gründen. Und wenn wir das tun, werden Menschen auf der ganzen Welt von dem von Europa und Amerika gegebenen Beispiel inspiriert, ebenso wie wir von dem Beispiel Deutschlands inspiriert wurden.

 
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Aktualisiert: August 2001