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Amerikanische Präsidialdemokratie Hartmut Wasser |
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Die Vereinigten Staaten von Amerika sind der wichtigste Verbündete der Bundesrepublik Deutschland. Dennoch tun sich viele Deutsche, aber auch andere Kontinentaleuropäer, immer noch schwer, das politische System der USA, seine Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse, seine Stärken und seine Schwächen zu verstehen. Gerade diese Kenntnisse sind aber von besonderer Bedeutung, um das (außen-)politische Verhalten der einzig verbliebenen Weltmacht richtig einschätzen und prognostizieren zu können. Die wichtigste Ursache des Verkennens politischer Realitäten der USA liegt vermutlich darin, daß sich Deutsche und andere Kontinentaleuropäer immer wieder von vordergründigen Identitäten und formalen Parallelen der Herrschaftssysteme diesseits und jenseits des Atlantiks täuschen lassen. Sie diagnostizieren Varianten desselben Herrschaftsmodus, wo tatsächlich Struktur- und Funktionsunterschiede der politischen Institutionenordnungen vorhanden sind. Neue Institutionen Dieser Irrtum läßt sich auch aus der Ambivalenz erklären mit der die amerikanischen Verfassungsväter die Schaffung ihrer Republik ins Werk setzten. Sie gingen auf der einen Seite von allseits bekannten Ideen und Einrichtungen des abendländisch-europäischen Kulturkreises aus. So nutzten sie sowohl ihre genauen Kenntnisse der politischen Philosophie seit den Tagen der Antike oder der politischen Aufklärungsliteratur des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts in Europa sowie ihr Wissen über die Strukturen und Funktionsweisen des britischen Regierungssystems, die auf vielfältige Art und Weise die politischen Ordnungsverhältnisse in den amerikanischen Kolonien geprägt hatten. Sie operierten mit politischen Begriffen, die aus dem Fundus der Tradition stammten und die sie teilweise auch in die "Neue Welt" übernahmen. Sie nutzten andererseits all diese Kenntnisse, Vorgaben und Begrifflichkeiten nicht zur Imitation europäischer Modelle, sondern zur Schaffung ganz neuer, durchaus revolutionärer Institutionen. An dier Stelle sei bloß auf den Föderalismus als amerikanische Erfindung im Bereich des Staatsrechts erinnert. Mehr noch: Selbst wo die Verfassungsväter Ideen und Einrichtungen aus Europa übernahmen (etwa den Gedanken der Repräsentation), gewannen diese in einer völlig neuartigen Umwelt spezifisch amerikanische Charakteristika, die mit europäischen Modellen kaum noch zu vergleichen waren. Der Franzose Alexis de Tocqueville hat in seinem Buch "Über die Demokratie in Amerika" (1835) an vielfältigen Beispielen den Nachweis geführt, wie die eigentümliche "Ausgangslage" der "Neuen Welt", wie ihre Glaubensbekenntnisse das Überkommene selbst dort veränderten, wo man es zu bewahren suchte, wie etwa allein schon das "Dogma der Volkssouveränität" und das Gleichheitsprinzip überkommene Herrschaftseinrichtungen grundlegend veränderten. Der US-Historiker Frederick Jackson Turner meinte ähnliches, als er um die Jahrhundertwende die offene Grenze, das Erlebnis der Weite des Westens und die Erfahrung der Ungewißheit für die gesamte politisch-soziale Entwicklung der USA verantwortlich machte: "Vom Beginn der Besiedlung Amerikas an hadie Region der Grenze ständig ihren Einfluß auf die amerikanische Demokratie ausgeübt [...] Die amerikanische Demokratie ist im Grunde das Ergebnis der Erfahrungen des amerikanischen Volkes in der Auseinandersetzung mit dem Westen. Die westliche Demokratie fördert während der ganzen früheren Zeit die Entstehung einer Gesellschaft, deren wichtigster Zug die Freiheit des Individuums zum Aufstieg im Rahmen sozialer Mobilität und deren Ziel die Freiheit und das Wohlergehen der Massen war. Diese Vorstellungen haben die gesamte amerikanische Demokratie mit Lebenskraft erfüllt und sie in scharfen Gegensatz zu den Demokratien der Geschichte gebracht und zu den modernen Bemühungen in Europa, ein künstliches demokratisches Ordnungssystem mit Hilfe von Gesetzen zu errichten." Die Europäer und speziell die Deutschen haben Eigentümlichkeiten des amerikanischen Herrschaftssystems oft genug mißverstanden, weil sie ihm, von vordergründigen Parallelen der Regierungsweisen diesseits und jenseits des Atlantiks getäuscht, mit Vorstellungen und Begriffen begegneten, die ihren eigenen Verfassungsordnungen entstammten. Dabei unterscheiden sich die Strukturprinzipien der parlamentarischen Regierungssysteme europäisch-deutscher Prägung erheblich von denen der amerikanischen Präsidialdemokratie. Ein knapper Vergleich der zentralen Wesenselemente beider Ordnungsmodelle soll zunächst solche Unterschiede aufweisen. Parlamentarisches System Bei der Definition des parlamentarischen Regierungssystems kommt es nicht in erster Linie darauf an, daß in dieser Herrschaftsordnung ein Parlament existiert, das verfassungsmäßig festgelegte Befugnisse bei der politischen Willensbildung hat. Begnügten wir uns damit, würden wir Verschiedenes zu einer künstlichen Einheit zusammenfügen - die Präsidialdemokratie der USA ebenso wie das Direktorialsystem der Schweiz oder die parlamentarischen Regierungsformen der westeuropäischen Staaten. Abgesehen davon, daß in diesen politischen Systemen Parlamente an den staatlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen teilhaben, trennt sie vieles: im Rahmen der polity, der Institutionen, Strukturen und konstitutiven Normen ebenso wie im Bereich der politics, wie die Angelsachsen die politischen Prozesse umschreiben. Diese Unterschiede schlagen sich notwendigerweise auch in der Sphäre der policy, bei der Planung und Durchführung konkreter politischer Gestaltungsaufgaben, nieder. So ist beispielsweise gerade die enge funktionelle wie personelle Verflechtung von Exekutive und Legislative das zentrale Merkmal parlamentarischer Herrschaftsordnung. Das Parlament - zutreffender: die parlamentarische Mehrheit - bringt die Regierung hervor, trägt oder stürzt sie auch. Andererseits kann die Regierung unter verfassungsmäßig festgelegten Bedingungen das Parlament auflösen, aus eigenem Recht oder im Zusammenwirken mit dem Staatsoberhaupt. Längst wirken die beiden Körperschaften bei der Bewältigung aller legislativen und exekutiven Aufgaben so eng zusammen, daß das klassische, von dem Franzosen Charles de Montesquieu entwickelte "Gewaltenteilungs"-Modell die Beziehungsmuster heutiger Regierungen und Parlamente im Rahmen parlamentarischer Herrschaftssysteme nicht mehr angemessen beschreibt. Zur funktionellen Verflechtung treten personelle Verbindungen. Im allgemeinen bildet die Führungsgruppe der Mehrheitspartei bzw. der jeweiligen Koalitionspartner die Regierungsmannschaft, also das Kabinett. Umgekehrt besitzen die Regierungsmitglieder Sitz und Stimme im Parlament. Abgeordnetenmandat und Regierungsamt lassen sich miteinander vereinbaren; mehr noch: Das Funktionieren des Systems erfordert eine solche Vereinbarkeit. Wo die Regierung von der Kooperationsbereitschaft der Parlamentsmehrheit abhängt, wo umgekehrt das Parlament bei der Erfüllung seiner Gesetzgebungsfunktion der ständigen Hilfestellung durch die Regierung und die Bürokratie bedarf, wird die Verläßlichkeit bei der Zusammenarbeit vorrangig durch personelle Verzahnungen gesichert. Diese spezifische parlamentarische Form politischer Herrschaft hat sich in einem langen Entwicklungsprozeß zuerst in Großbritannien herausgebildet, um dann im 19./20. Jahrhundert auf Kontinentaleuropa überzugreifen. Die von Montesquieu für freiheitlich-moderne meinwesen geforderte Gewaltentrennung zwischen Exekutive und Legislative ist dabei zwar niemals ganz beseitigt worden (auch heute noch übt in der Bundesrepublik Deutschland auch die jeweilige Parlamentsmehrheit von Fall zu Fall eine Kontrolle der von ihr gestellten Regierung aus), hat sich aber doch überwiegend in das Parlament selbst verlagert, in das Gegenüber von Regierungsmehrheit und Opposition. Die Aufgabe der letzteren ist es, sowohl programmatische und personelle Alternativen zur Politik der Regierung zu entwickeln als auch die Regierung zu kritisieren und zu kontrollieren. Als zusätzliches Wesensmerkmal parlamentarischer Regierungssysteme sei schließlich noch der Umstand erwähnt, daß sich die ursprüngliche Einheit der Regierungsgewalt im Verlauf der historischen Entwicklung in den "wirkungsmächtigen" und "würdevollen" Teil aufspaltete, wie es der scharfsinnige Analytiker des Parlamentarismus, der Engländer Walter Bagehot, in seiner 1867 veröffentlichten Studie zur britischen Verfassung beschrieben hat. Seit geraumer Zeit schon meinen wir die politische Richtlinien setzende und aktiv gestaltende Regierung, wenn wir von der Exekutive sprechen. Dagegen ist der Monarch oder Präsident (auch in der Bundesrepublik Deutschland) das wesentlich auf Repräsentationsaufgaben beschränkte Staatsoberhaupt. Diesem stehen allenfalls in Zeiten verfassungspolitischer Krisen noch direkte Eingriffsmöglichkeiten in den Herrschaftsprozeß zu (bei Rücktritt einer Regierung, Unfähigkeit des Parlaments, eine Nachfolgerin zu bestellen, bei unklaren Machtverhältnissen nach Neuwahlen). Strukturprinzipien der Präsidialdemokratie Die amerikanische Herrschaftsordnung unterscheidet sich nach Meinung vieler Betrachter auf den ersten Blick vom zuvor skizzierten Modell durch die strikte Verwirklichung des klassischen Gewaltenteilungsprinzips von Exekutive und Legislative. Die politischen Theorien eines John Locke und Charles de Montesquieu scheinen auf dem Boden der Neuen Welt stärker beherzigt worden zu sein als in Europa, oder, wie dies der Politikwissenschaftler Ernst Fraenkel einmal ausgedrückt hat, die Amerikaner haben die "wesentlichen Merkmale der englischen Verfassung, wie sie aus der ,Glorreichen Revolution von 1688/89' hervorgegangen waren, reiner erhalten." Bei genauerem Hinsehen hält diese Behauptung nur bedingt stand, allein schon wegen Stellung und Rolle des US-Vizepräsidenten. Als Stellvertreter (bei Amtsunfähigkeit) und potentieller Nachfolger des Präsidenten ist er Teil der Exekutive; als Präsident des Senats, der dessen Sitzungen leiten und bei Stimmengleichheit den Ausschlag zugunsten einer Entscheidung geben kann, gehört er auch zur Legislative. Von strikter Gewaltentrennung läßt sich im Falle des Vizepräsidenten gewiß nicht reden. Der amerikanische Politikwissenschaftler Richard Neustadt hat einleuchtend dargelegt, daß es den Vätern der US-Verfassung eher um "eine Institutionentrennung mit wechselseitig teilnehmender Gewaltenausübung" gegangen sei. Das politische System der USA beruhe also nicht so sehr auf der Gewaltentrennung im klassischen Sinn, als vielmehr auf der Trennung der Staats- und Verfassungsorgane, also der politischen Institutionen. Das bedeutet, daß der Präsident einerseits, Repräsentantenhaus und Senat andererseits, zwar unabhängig voneinander amtieren, aber an den Grundfunktionen der Staatsgewalt, der Gesetzgebung und Verwaltung, wechselseitig teilhaben und gemeinsam an deren Erfüllung mitwirken. Sichtbarsten Ausdruck findet die Institutionentrennung zum einen in der Stellung des Präsidenten gegenüber beiden Häusern des Kongresses. Sie gründet sich auf die Volkswahl, auf den Umstand also, daß unter allen Wahlbeamten Amerikas allein der Chef des Weißen Hauses sein Herrschaftsrecht aus der Wahl durch die gesamte Bürgerschaft ableiten kann, und darauf, daß die Verfassung dem Präsidenten eine Amtsperiode von vier Jahren zuweist, die auch von oppositionellen Mehrheiten im Kongreß nicht beschnitten werden kann. Sie tritt zum anderen in der gleichfalls verfassungsmäßig festgelegten Legislaturperiode der beiden parlamentarischen Häuser in Erscheinung, die vom Präsidenten auch dann nicht verkürzt werden kann, wenn der Kongreß schiere Obstruktionspolitik betreiben, das heißt, die Arbeit der Exekutive in jeder Hinsicht blockieren würde. Die Verfassung der USA verbietet nicht allein parlamentarischen Regierungssturz oder exekutive Parlamentsauflösung; sie gebietet auch strikte Unvereinbarkeit von (Regierungs-)Amt und (Parlaments-)Mandat: "Kein Senator oder Abgeordneter darf während der Zeit, für die er gewählt wurde, in irgendeine Beamtenstellung im Dienste der Vereinigten Staaten berufen werden. ... Und niemand, der ein Amt im Dienste der Vereinigten Staaten bekleidet, darf während seiner Amtsdauer Mitglied eines der beiden Häuser sein." (US-Verfassung, Artikel I, Abschnitt 6, Absatz 2). Freilich haben die amerikanischen Verfassungsväter wie John Adams, James Madison oder Alexander Hamilton, die Gefahren erkannt, die einer strikten Anwendung der Gewaltentrennungslehre innewohnen. So kann die exklusive Betrauung jeweils eines Staatsorgans mit bestimmten Aufgaben die Ausübung unkontrollierter Herrschaft fördern, die radikale Isolierung der Gewalten voneinander die Lähmung des politischen Willensbildungs- und Herrschaftsprozesses begünstigen. Die Montesquieusche Lehre ist deshalb von den Gründervätern so interpretiert und in Verfassungsvorschriften umgewandelt worden, daß bislang Blockierungen des politischen Prozesses bzw. überzogene Machtansprüche einer Gewalt zwar immer wieder auftauchten, aber stets wieder eingedämmt werden konnten. James Madison bemerkte dazu: "Wenn Montesquieu sagt, es kann keine Freiheit geben, wo gesetzgebende und vollziehende Gewalt in ein und derselben Person oder in ein und derselben Körperschaft vereinigt sind, oder, wo die richterliche Gewalt nicht von der gesetzgebenden und von der vollziehenden Gewalt getrennt ist, so meint er damit keineswegs, daß die drei Zweige der Regierung untereinander auf ihre spezifische Tätigkeit nicht ein gewisses Maß von Einfluß ausüben oder einander nicht wechselseitig kontrollieren sollten." (Federalist, Artikel 47). Die amerikanischen Verfassungsväter haben ihre politische Vision einer Gewaltentrennung, die sie als Institutionentrennung mit wechselseitiger Teilhabe an den Grundfunktionen der Staatsgewalt definierten, in den Federalist Papers ausführlich dargestellt. Gemeint sind damit jene fünfundachtzig anonym veröffentlichten Essays in New Yorker Zeitungen, die vom Oktober 1787 bis zum Mai 1788 den Entwurf der Bundesverfassung kommentierten und seine Ratifizierung einforderten. Sie sind im Herbst 1788 auch in Buchform erschienen. Viel ist dort zu lesen über die Notwendigkeit, Gewaltentrennung durch das Prinzip der Gewaltenverschränkung ergänzen zu müssen, um das Zusammenwirken der Gewalten bzw. der politischen Institutionen zu fördern und gegenseitige Machtkontrolle gewährleisten zu können. Die Theorie der checks and balances, der wechselseitigen Hemmnisse und Balancen, der gegenseitigen Unabhängigkeiten und Zwänge zur Kooperation hat sich dann in einschlägigen Verfassungsbestimmungen verwirklicht. Sie billigen etwa dem Präsidenten gewisse Eingriffsmöglichkeiten in den Gesetzgebungsprozeß und dem Kongreß bestimmte Befugnisse im Bereich der Gesetzesanwendung zu. So ist der Präsident befugt, vom Kongreß verabschiedeten Gesetzen Geltungskraft zu verleihen oder sie durch Verweigerung seiner Unterschrift zumindest vorübergehend zu blockieren (suspensives Vetorecht). Der Senat wiederum wirkt an der Führung der auswärtigen Politik durch die Bestätigung (Ratifizierung) völkerrechtlicher Verträge und an der präsidentiellen Befugnis der Beamtenbestellung durch Bestätigung von Personalentscheidungen der Regierung mit. Schließlich besitzt der Kongreß die Waffe des impeachment: Er kann unter gewissen Voraussetzungen durch ein spezielles Disziplinarverfahren Angehörige der Exekutive einschließlich des Präsidenten oder der rechtsprechenden Gewalt ihrer Ämter entheben, eine verfassungsrechtliche Möglichkeit, die in der Praxis allerdings selten eine Rolle spielte. In unserem Jahrhundert wurde diese Waffe nur gegen Präsident Richard Nixon eingesetzt; mit seinem Rücktritt im Jahre 1974 ist er der Durchführung des impeachement-Verfahrens allerdings zuvorgekommen. Daß sich jenseits verfassungsrechtlich fixierter Zwänge des Zusammenwirkens im Laufe der geschichtlichen Entwicklung zusätzliche Möglichkeiten wechselseitiger Einflußnahmen zwischen den getrennten Gewalten herausbildeten, sei an dieser Stelle angemerkt. So kann ein über politische Autorität gebietender Präsident, der de facto als Führer seiner Partei gilt, etwa auf deren parlamentarische Aktivitäten in dem Sinne Einfluß nehmen, daß er sie zu jenem Grad von Geschlossenheit anhält, die für die Beförderung seiner politischen Ziele auf dem Wege der Gesetzgebung unabdingbar ist. Oder er kann über Parteifreunde im Kongreß die Gesetzesinitiative im Kongreß ergreifen, indem er sie dazu anhält, einen von ihm (bzw. seinen Mitarbeitern) formulierten Entwurf unter ihrer eigenen Verantwortung im Parlament einzubringen. Umgekehrt hat sich der Kongreß durch seine Budgetkompetenz schon lange in den gesamten Tätigkeitsbereich der Exekutive eingeschaltet, soweit dieser eben die Bereitstellung von Geldmitteln beinhaltet. Als Bspiel aus jüngster Vergangenheit mag die Beteiligung der USA an der NATO-Friedenstruppe in Bosnien dienen; der Kongreß hat unter Hinweis auf die Kosten dieser Aktion unter anderem eine zeitliche Befristung des US-Engagements auf ein Jahr durchgesetzt. Ein weiterer Strukturunterschied zwischen den politischen Ordnungen auf beiden Seiten des Atlantiks darf nicht vergessen werden. Im Gegensatz zu parlamentarischen Regierungssystemen hat die amerikanische Präsidialdemokratie auch an der Einheit der Exekutive festgehalten. Der Präsident verkörpert in seiner Person das Amt des Regierungschefs wie des Staatsoberhauptes. Er soll einer Vielzahl von Funktionen gerecht werden, die ihn verfassungsrechtlich als "mächtigsten Mann der Welt" ausweisen. Fassen wir das Gesagte zusammen. Die amerikanische Präsidialdemokratie unterscheidet sich in vielfältiger Hinsicht von der in Deutschland vertrauten parlamentarischen Regierungsweise. Sie setzt auf Institutionentrennung, also auf die Unvereinbarkeit von (Regierungs-)Amt und plamentarischem Mandat, wo hingegen im parlamentarischen Herrschaftsystem die Institutionen personell und funktional miteinander verzahnt sind, Mitglieder der Regierung normalerweise auch ein Mandat innehaben und Regierung wie Parlament wechselseitig unter bestimmten verfassungsrechtlichen Voraussetzungen ihren Sturz bewerkstelligen bzw. eine Auflösungsorder erwirken können. Das amerikanische System setzt dagegen auf Koordination der getrennt organisierten Institutionen im politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß. Solche "formalen" Gegensätzlichkeiten zeitigen politische Konsequenzen: Die Vereinigten Staaten kennen im allgemeinen weder Regierungskrisen im europäischen Sinne noch den bei uns häufig beklagten Prozeß der Entmachtung des Parlaments durch den Exekutivapparat, weisen also insgesamt ein hohes Maß an politischer Stabilität auf. Die Unabhängigkeit der Institutionen und der verfassungsmäßig gewollte Zwang zum Zusammenwirken dort, wo politische Entscheidungen zu treffen sind, haben auch stets Schutz vor anhaltendem Machtmißbrauch durch eine der politischen Gewalten geboten. Auch der Versuch von Präsident Richard Nixons, seine Macht auf Kosten des Parlaments zu erweitern, ist in dem Augenblick gescheitert, als sich der Kongreß auf seine Machtmittel besann und zu entschlossener Gegenwehr aufraffte. Andererseits können sich die "antagonistischen Partner" im Weißen Haus und Kapitol wechselseitig soviel Schwierigkeiten bereiten, daß darunter die Reaktionsfähigkeit des politischen Systems leidet. Der dauernde Zwang zu Koordination und Kompromiß erzeugt Reibungsverluste und gefährdet nicht selten Klarheit und Kontinuität amerikanischer Politik. Die verfassungsrechtlich gewollte "Langsamkeit" der Politikprozesse in den USA ist in den vergangenen Jahrzehnten häufig durch das Phänomen des divided government verstärkt worden. Der Umstand, daß der Präsident und die Kongreßmehrheit nicht derselben Partei angehören, hat zusätzlich Sand in das Getriebe der Entscheidungsprozesse gestreut. Wie im folgenden gezeigt werden soll, hängt die Leistungsfähigkeit des politischen Systems der USA weitgehend von Amtskompetenz und Führungsbefähigung des jeweiligen Präsidenten ab, der eine Fülle von Funktionen wahrzunehmen hat und dabei mehr auf seine Überzeugungskraft denn auf formale Befehls-/Gehorsamsmechanismen verwiesen bleibt. |
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