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US Siegel

Botschafter Walter J. Stoessel, "Club zu Bremen", Bremer Rathaus
4. Dezember 1980


Vor kurzem erst sprach Bundeskanzler Schmidt von der Notwendigkeit, in der Führung der Weltpolitik eine "Denkpause" einzulegen. Das ist am Ende eines so ereignisreichen Jahres und am Anfang einer Periode tiefgreifender Veränderungen der Weltlage gewiß eine vernünftige Forderung.

Einleitung: Detente in Schwierigkeiten

Wie Sie, meine Damen und Herren, sich vielleicht erinnern, war den westlichen Verbündeten schon vor der Invasion Afghanistans durch die Sowjets am 27. Dezember 1979 klar, daß angesichts deren wachsender militärischen Stärke Gegenmaßnahmen getroffen werden müssen. Demzufolge hatten sich die Verbündeten auf dem Washingtoner NATO-Gipfel im Mai 1978 auf eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung ihrer militärischen Position geeinigt. Zu diesen Schritten gehörte die Übernahme der Verpflichtung, ihren jeweiligen Verteidigungshaushalt jährlich um real mindestens drei Prozent zu erhöhen, und später, unmittelbar vor Afghanistan, hatten die NATO-Verbündeten in Brüssel am 12. Dezember 1979 auf Außenministerebene eine Empfehlung ausgearbeitet, die zwei Aspekte in den Vordergrund stellte: erstens, mit dem Bau weitreichender nuklearer Mittelstreckenraketen (Long Range Theater Nuclear Forces - LRTNF) zur späteren Dislozierung in Europa zu beginnen; und zweitens, mit den Sowjets Verhandlungen zur Rüstungsbegrenzung mit dem Schwerpunkt Mittelstreckenraketen zu führen. Diese Empfehlung stützte sich auf die Hoffnung, die Dislozierung von LRTNF-Waffen auf Seiten der Sowjets - insbesondere solcher vom Typ SS-20, die bereits an gewissen Standpunkten in der Sowjetunion disloziert sind - verringern oder aufhalten zu können. Dann kam Afghanistan - ein Akt einer massiven ausländischen Aggression, die unvermindert fortdauert.

Im Juli dieses Jahres lösten die wirtschaftlichen Probleme in Polen Unruhen unter der Arbeiterschaft mit möglicherweise weitreichenden politischen Konsequenzen aus. Sie brachten die Gefahr eines bewaffneten sowjetischen Eingreifens - das heißt einer Aggression - mit sich. Im Oktober leitete die Deutsche Demokratische Republik Schritte ein, um etwaige Einflüsse aus dem Westen, insbesondere aus der Bundesrepublik, auf die DDR "abzublocken". Sie gab dem eigenen Volk damit eindeutig zu verstehen, daß sie ein Übergreifen des polnischen Freiheitsstrebens gewaltsam verhindern werde.

Die Detente der Art, die sich im Verlauf des vergangenen Jahrzehnts entwickelt hatte, wurde hierdurch offensichtlich schwer belastet. So kam es zwangsläufig auf der Madrider Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die im November eröffnet wurde, zu einer Konfrontation zwischen Ost und West. Der Westen bestand darauf, daß sich die Konferenz mit ihrer statutengemäßen Aufgabe beschäftigen müsse: die Einhaltung der Verpflichtungen zu überprüfen, die die Teilnehmerstaaten mit Unterzeichnung der Schlußakte von Helsinki eingegangen waren - insbesondere was die Ächtung der Menschenrechte angeht, der Osten aber suchte die Konferenz von vorneherein auf andere Fragen abzudrängen oder in ihren diesbezüglichen Überlegungen einzuengen; er schob stattdessen die Idee einer europäischen Abrüstungskonferenz in den Vordergrund. Ob es überhaupt zu einer Plenartagung kommen werde, schien zunächst fraglich, da die sowjetische Taktik in den vorbereitenden Gesprächen darauf abzielte, die Einigung auf eine Tagesordnung zu verhindern.

In dieser Zeit entwickelte sich in Südwestasien ein neuer Krisenherd: in Teheran werden seit mehr als einem Jahr 52 amerikanische Diplomaten als Geiseln festgehalten. Zwischen Iran und Irak brach ein regulärer Krieg aus, diese Ereignisse konnten im Verein mit anderen potentiellen Quellen der Unstabilität im Nahen Osten den Weg für neue, größere sowjetische Vorstöße in Richtung auf den Persischen Golf bereiten - ein Gebiet, vor dem die westliche Welt hinsichtlich ihres Bedarfs an Rohöl, des wichtigsten Energieträgers, stark abhängig ist.

Schließlich haben die Vereinigten Staaten - mit großer Mehrheit - einen neuen Präsidenten gewählt: Ronald Reagan. Die Republikanische Partei konnte zudem zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder die Mehrheit im Senat gewinnen.

In der kurzen Zeit, die mir hier zur Verfügung steht, möchte ich vor dem Hintergrund der genannten Entwicklungen mein Augenmerk auf die Zukunft richten - und besonders auf die Zukunft der Beziehungen zwischen meinem Land und der Bundesrepublik Deutschland. Lassen Sie mich zwei Gesichtspunkte herausstellen: den Wandel - und darunter verstehe ich eine echte Schwerpunktsverlagerung in der amerikanischen Innenpolitik; und die Kontinuität - mit der ich die Beibehaltung der grundlegenden Rolle Amerikas in der Weltpolitik meine: das Festhalten an der unerschütterlichen amerikanischen Verpflichtung gegenüber dem NATO-Bündnis und Amerikas Beziehungen zu Deutschland als einem großen Bollwerk des Bündnisses.

Ein Wandel in Washington

Die Wahl Ronald Reagans bringt insofern einen Wandel der amerikanischen Politik mit sich, als sie einen Umschwung des politischen Pendels in Richtung auf einen größeren Konservatismus signalisiert. Erstmals seit den dreißiger Jahren wird es im amerikanischen Senat wieder eine starke konservative (und republikanische) Mehrheit geben. Und selbst im Repräsentantenhaus, in dem die Demokratische Partei die Mehrheit behielt, wird es eine - andersgeartete - konservative Mehrheit geben, wenn konservative Demokraten aus den Südstaaten mit den Republikanern stimmen.

Es gibt viele Gründe, warum der neue - oder wiedererweckte - amerikanische Konservatismus gerade zu dieser Zeit in Washington an die Macht kam. Als wichtigster ist wohl die Abschwächung der großen "liberalen" Bewegung in Amerika zu nennen, die 1932 in Washington mit der Wahl Franklin D. Roosevelts und mit dessen "New Deal" - dem neuen Plan - ihren Anfang nahm und sich über Harry S. Truman und dessen "Fair Deal" - dem fairen Plan -, John F. Kennedy und dessen "New Frontier" - der neuen Grenze -, und Lyndon B. Johnson und dessen "Great Society" - der großen Gesellschaft - bis hin zur Carter-Administration fortsetzte.

Es wäre falsch, die Wahlergebnisse ausschließlich als die Ablehnung eines regierenden Präsidenten oder eine Reaktion auf wirtschaftliche und außenpolitische Schwierigkeiten zu bewerten. Einer Trivialisierung des Zeitgeschehens käme es gleich, die Wahl als nichts als lediglich einen Meilenstein des Erfolgs bestimmter neuer politischer Kräfte in den Vereinigten Staaten von der Art der konservativen und religiös orientierten "moralischen Mehrheit" anzusehen. Um die Wahl Ronald Reagans zu begreifen, muß man sich allem voran darüber klar werden, daß er eine Mehrheit der Wähler in so gut wie jeder definierbaren gesellschaftlichen Gruppe in den Vereinigten Staaten gefunden hat - mit den schwarzen und jüdischen Amerikanern als den zwei einzigen Ausnahmen. Und selbst in diesen traditionellen Hochburgen der Demokraten konnte er manche Einbrüche erzielen. Er gewann die Mehrheit der Arbeiter für sich - der Lohnarbeiter im "blauen Overall", und die der gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft, die 50 Jahre hindurch eifrige Verfechter des Liberalismus demokratischer Prägung waren. Reagan wurde nicht von dieser oder jener Gruppe oder Kräftekombination gewählt, sondern vom ganzen amerikanischen Volk.

Es wäre ferner falsch, diesen erneuerten amerikanischen Konservatismus als Hervorbringung einer intellektuellen Bewegung, den "nouveaux philosophes" in Frankreich vergleichbar, zu interpretieren. Gewiß, der amerikanische Konservatismus hat auch intellektuelle Wurzeln, und mein Land weist eine wachsende Zahl konservativer Intellektueller von hohem Ansehen auf. Reagan aber wurde vom Volk gewählt - mit wenig Zutun des akademischen und literarischen Establishments. Die Wahl Ronald Reagans ist ein typisch amerikanisches Phänomen. Was wir in diesen Wahlen sehen, ist kein "neues Amerika" und auch kein "altes Amerika", sondern ein anderes Gesicht ein und desselben Amerika, wir wurden nicht Zeuge einer Verlagerung der öffentlichen Meinung nach rechts sondern einer Wiederbelebung konservativer politischer Kräfte angesichts von Problemen und, nach Auffassung vieler Amerikaner, eines Übermaßes an liberalem und dirigistischem politischen Denken.

Die Kontinuität der von beiden Parteien getragenen Außenpolitik

Lassen Sie mich nun einige Worte zur Kontinuität der amerikanischen Außenpolitik unter der künftigen republikanischen Administration sagen. Seiner Überzeugung nach werden gewisse Leitlinien unserer Außenpolitik konstant bleiben, die Geschichte der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg bekräftigt diese Einschätzung dessen, was vor uns liegt.

Wenngleich die Republikanische Partei der Vereinigten Staaten seit dem Bombenangriff der Japaner auf Pearl Harbour im Jahre 1941 nicht isolationistisch war, ist in Europa noch immer gelegentlich zu hören, die Republikaner dächten irgendwie isolationistisch. Nichts ist weiter von der Wahrheit entfernt als dieses. In Wirklichkeit ist die Erneuerung einer Art von Isolationismus in den Vereinigten Staaten während der Nachwehen des Vietnam-Krieges fast ausschließlich den Radikalen des äußersten linken Flügels der Demokratischen Partei zuzuschreiben.

Ein zweites Mißverständnis betrifft die Verpflichtung Ronald Reagans und der Republikanischen Partei auf den Frieden. Die neue amerikanische Regierung wird dem Frieden mit ebensoviel Hingabe dienen wie die auslaufende und die vorausgegangenen Administrationen. Es gibt natürlich gewisse Auffassungsunterschiede von konservativen Republikanern und liberalen Demokraten in der Frage, wie der Frieden gewährleistet werden könne. Viele unter den ersteren befürworten traditionsgemäß, größeren Nachdruck auf die militärische Stärke zu legen. Diese Auffassung entspricht auch den Ansichten vieler angesehener Ostexperten. Sie versichern, die Sowjetunion betriebe im Grunde genommen eine opportunistische Außenpolitik und sei darauf aus, Schwächen im Westen (und in der Dritten Welt) zu nutzen, wo immer solche auftreten. Diese These zu erhärten, braucht man sich nur auf die Ursprünge des "Kalten Krieges" in Europa zu besinnen: die Einbeziehung der Tschechoslowakei in den sowjetischen Machtbereich anfangs 1948, die Berliner Blockade noch im gleichen Jahr und andere Ereignisse, die auf den allzu hastigen Abzug der amerikanischen Truppen aus Europa folgten. Als Entgegnung auf die sowjetische Herausforderung wurde die NATO errichtet. Als ein seinem Wesen nach auf Verteidigung gerichtetes Bündnis mit einer reinen Verteidigungsstrategie war die NATO als solche weder damals noch zu einem anderen Zeitpunkt hinterher je als eine Herausforderung für die Sowjetunion gedacht. Die NATO erwies sich als eine echte Erfolgsstory: hinter ihrem Schild erfreut sich Westeuropa einer bisher einmaligen Periode des Friedens und der Stabilität.

Die Invasion Südkoreas durch Nordkorea erfolgte zu einer Zeit, als die sowjetischen Führer Grund zu der Annahme hatten, die äußere Grenze des amerikanischen Sicherheitsbereichs verlaufe im Pazifik irgendwo zwischen Japan und der Halbinsel Korea, wie sich der damalige US-Außenminister Dean Acheson ausdrückte, und jüngst begann die sowjetische Invasion Afghanistans im Anschluß an den Zusammenbruch des Shah-Regimes in Persien, das lange Jahre hindurch eine Säule der Stabilität in einem ansonsten höchst unstabilen Gebiet der Erde war.

Die Geschichte nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat gezeigt, daß die Sowjetunion den Westen in dem Maße respektiert, in dem dieser bereit und stark genug ist, sich militärisch zu verteidigen. Darauf richten sie ihr Verhalten aus.

Der künftige Kurs der amerikanischen Außenpolitik

Für mich als Diplomaten wäre es unklug und für Sie, meine Zuhörer, sicher wenig aufschlußreich, wollte ich mich auf eingehende Spekulationen über die Außenpolitik der künftigen Reagan-Administration einlassen. Ich möchte Ihnen stattdessen einige Ansichten zur Kenntnis bringen, die Reagan und die Republikanische Partei geäußert haben. Sie scheinen mir von besonderer Relevanz für die amerikanische Außenpolitik und die deutsch-amerikanischen Beziehungen zu sein. Sie lassen deutlich erkennen, wo der Nachdruck in den vor uns liegenden Monaten und Jahren in Washington liegen wird:

Ein zentrales Thema der Republikaner lautet, Amerika verwende nicht genügend Anstrengungen und Ressourcen auf seine Verteidigung. Sie möchten mehr für gewisse Programme ausgeben, die sie als dringend notwendig erachten. (Die Regierung Carter hat, das sollte man in diesem Zusammenhang nicht übersehen, ebenfalls eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben vorgeschlagen.)

Die Republikaner sind der Auffassung, die Vereinigten Staaten seien auf dem Gebiet der nuklearen Bewaffnung im Verhältnis zur Sowjetunion in den letzten Jahren von einer Position der "Gleichwertigkeit in den wesentlichen Dingen" auf eine Position der Unterlegenheit hierin zurückgefallen. Um das Gleichgewicht wieder herzustellen, schlagen sie die Verbesserung unserer strategischen Waffensysteme vor.

Was die europäische Sicherheit angeht, wünschen die Republikaner eine ausreichende Abschreckung vor Angriffen auf jedwedem Niveau und eine Stärkung der amerikanischen Glaubwürdigkeit bei unseren europäischen Verbündeten. Auch die Regierung Carter war bemüht, die Glaubwürdigkeit der amerikanischen nuklearen Abschreckung in den verschiedenen strategischen Eventualfällen auszuweiten.

Wie jeder amerikanische Präsident seit Gründung der NATO steht auch der designierte Präsident energisch zu ihr als einem Bündnis, das den Lebensinteressen der ganzen westlichen Welt dient. Wie Präsident Carter, fordert auch Ronald Reagan, daß sich die Vereinigten Staaten an die Spitze von konzertierten Anstrengungen stellen, ein starkes und zuversichtliches Bündnis aufrechtzuerhalten, das den Herausforderungen der achtziger Jahre entgegenzutreten vermag. Auch die Republikaner bejahen die wechselseitige Abhängigkeit der Bündnispartner voneinander; sie ziehen daraus aber die Folgerung, daß diese ihren vollen Anteil zu diesem Bündnis beitragen müssen. Wie Sie sicher alle aus der Presseberichterstattung aus jüngster Zeit wissen, war dies auch schon ein dringendes Anliegen der derzeitigen Regierung. Von diesem Thema werden wir zweifellos noch mehr hören.

Die neue Administration gibt wie die Carter-Administration deutlich zu erkennen, daß sie sich zur Ausweitung der Detente und zur Fortführung der Verhandlungen über Rüstungsbegrenzungen mit der Sowjetunion verpflichtet fühlt. Das kam schon im Wahlprogramm der Republikaner deutlich zum Ausdruck, und der designierte Präsident hat dies nach seiner Wahl erneut bekräftigt. Ich hege keine Zweifel, daß die Bemühungen um die Rüstungsbegrenzung und Abrüstung weitergeführt werden - durch den SALT-Prozeß und auch vor anderen Gremien.

Nach der Wahl hat der designierte Präsident Reagan seine Absicht bekräftigt, die frühere Gemeinsamkeit der beiden Parteien in der Außenpolitik wiederherzustellen.

Nach der Wahl hat Reagan desweiteren das Thema der Konsultation mit den Verbündeten, insbesondere mit den NATO-Verbündeten, aufgegriffen und erklärt, er möchte das Vertrauen der Partner des Bündnisses in die Vereinigten Staaten als dessen natürlicher Führungsmacht stärken. Von zentraler Bedeutung für Deutsche und Europäer ebenso wie für Amerikaner ist natürlich Reagans Haltung zu dem schon kurz erwähnten SALT- Prozeß. Der designierte Präsident ist und bleibt ein Kritiker des SALT II-Vertrages in seiner heutigen Gestalt. Dennoch bekannte er sich unwiderruflich zu dem Prozeß der SALT-Verhandlungen. Wie Bundeskanzler Schmidt vor und nach seiner Reise nach Washington im vergangenen Monat wiederholt zu verstehen gab, ist es wichtig, das SALT-Verfahren in Gang zu halten. Wie Sie wissen, sagte der designierte Präsident dem Bundeskanzler, daß er diese Auffassung teile. Die Sowjets haben inzwischen einige informelle Hinweise gegeben, daß sie bereit sind, Vorschläge der neuen Administration bezüglich der künftigen Handhabung von SALT-Verhandlungen entgegenzunehmen. Es besteht, wie ich glaube, Grund zu der Annahme, daß die Bemühungen um die Rüstungsbeschränkung weiterhin dieselbe Vorrangstellung genießen werden wie die letzten Jahre hindurch.

Was das Verhältnis zur Sowjetunion angeht, meine sehr verehrten Damen und Herren, beschränken sich die Parallelen zwischen der Carter- und der Reagan-Administration nicht auf die Erkenntnis der Notwendigkeit von Kontakten und anhaltenden Verhandlungen; sie erstrecken sich auch auf deren Zielsetzungen. Unterschiede bestehen allerdings in der Beurteilung der Frage, wie wir am ehesten zu guten Ergebnissen gelangen können. Ein Friede, der sich auf eine starke Verteidigung gründet, wurde im Wahlkampf propagiert. Das ist keine neue und sicherlich keine gefährliche Konzeption. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß die Sowjets Respekt vor einer harten Verhandlungsführung haben, sich aber durch Bluffs nicht einschüchtern lassen. Nur angesichts der Entschlossenheit des Westens werden sie bereit sein, in ernste und gegenseitig vorteilhafte Verhandlungen einzutreten.

Die Rolle Europas

Abschließend möchte ich noch einen Faktor der Weltsituation anführen, den ich bisher unerwähnt ließ. Ich meine das Phänomen der allmählichen Rückkehr Europas - insbesondere Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland - auf die weltpolitische Bühne. Die Situation hat sich gegenüber den ersten Nachkriegsjahren verändert, als sich Europa von den Verwüstungen des Krieges zu erholen begann. Damals war es notwendig, daß die Vereinigten Staaten den größten Teil der Last der Verteidigung Europas übernahmen. Heute sind Europa und allen voran die Bundesrepublik Deutschland wirtschaftlich stark, ein geeintes Europa ist jedoch noch immer nicht politische Realität. Ganz Westeuropa aber profitiert von dem Bündnis, und ein großer Teil Europas gehört ihm an. Es ist deshalb angezeigt, daß die Europäer in einer Zeit, in der unsere Interessen in anderen Teilen der Erde, insbesondere im Nahen Osten, bedroht werden, einen größeren Beitrag zur Verteidigung ihres eigenen Kontinents leisten. Ich wäre nicht offen zu Ihnen, wenn ich Ihnen nicht sagen würde, daß das Gefühl in den Vereinigten Staaten um sich greift, die Europäer genießen einen zu großen Anteil an den Segnungen und trügen einen zu kleinen Anteil an den Lasten des Bündnisses.

Das ist nicht die Position der Reagan-Administration. Die neue Administration hat sich vielmehr noch nicht zum europäischen Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung geäußert. Die scheidende Carter-Administration dagegen hat sich zu dieser Frage sehr klar geäußert. Wir können damit rechnen, daß die Vereinigten Staaten künftig mehr für die Verteidigung aufwenden werden. Es wäre deshalb nicht überraschend, wenn die neue amerikanische Regierung die gleiche oder eher noch eine festere Haltung in der Frage eines erweiterten europäischen Beitrags einnehmen würde. Die Vereinigten Staaten sind bereit, den Haupteil an den Lasten zu tragen, die die Entwicklung einer westlichen Militärstrategie zur Gewährleistung der Sicherheit der Ölversorgung aus den Fördergebieten im Nahen Osten mit sich bringt. Das liegt im Interesse aller Länder des Westens und vor allem auch im Interesse Westeuropas, das über sehr geringe eigene Ölvorkommen und über wenige alternative Energiequellen verfügt. Die vor zwei Jahren gegebene Zusicherung der NATO-Mitgliedstaaten, ihre Verteidigungshaushalte um jährlich drei Prozent zu erhöhen, basiert auf den Sicherheitserfordernissen Europas. Sie haben in der Zwischenzeit zugenommen. Die Ereignisse im Nahen Osten und in Südwestasien haben ihnen zudem eine weitere Dimension hinzugefügt.

Schlußbetrachtung: Herausforderung und Kontinuität

In dieser "Denkpause" sollten Europäer und Amerikaner mithin die Frage stellen und diskutieren: "Was ist ein angemessenes Eingehen auf die gemeinsamen europäisch-amerikanischen Sicherheitserfordernisse, insbesondere in Gebieten außerhalb des NATO-Bereichs?" Wir müssen hierzu eine von allen gebilligte Strategie entwickeln. Eine Überlegung mag als Ausgangspunkt dienen: Sie können sich darauf verlassen, daß die amerikanische Verpflichtung für die Sicherheit Europas durch das NATO-Bündnis in den achtziger Jahren dieses Jahrhunderts unerschütterlich fortbestehen wird. Das gleiche gilt für die amerikanische Verpflichtung zur Fortführung der Bemühungen um weitere Rüstungsbegrenzungen. So wie es uns möglich war, den Herausforderungen in Europa in den letzten 35 Jahren gemeinsam erfolgreich zu begegnen, so können wir, dessen bin ich sicher, auch den neuen Herausforderungen in Europa und in anderen Teilen der Welt gemeinsam mit Erfolg entgegentreten.

Die Situation hat sich überall auf der Welt verändert; unsere gemeinsamen Wertvorstellungen, unsere gemeinsamen Interessen und unsere gemeinsamen Zielsetzungen aber sind die gleichen geblieben. Diese eigentlichen Grundlagen des westlichen Bündnisses und der deutsch-amerikanischen Freundschaft gilt es ständig weiter auszubauen. Ich bin zuversichtlich, daß das geschehen wird.

Quelle: Sonderheft. Amerika Dienst. U.S. Botschaft.

 
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Aktualisiert: September 2002