Die
politischen Parteien in den Vereinigten Staaten |
Nachfolgend veröffentlichen wir einen Artikel von Professor John F. Bibby, emeritierter Professor der Fakultät für Politikwissenschaften der University of Wisconsin in Milwaukee und ehemaliger Vorsitzender des Fachgebiets Politische Parteien innerhalb der Amerikanischen Vereinigung für Politische Wissenschaften. Prof. Bibby ist eine anerkannte Autorität in Fragen der amerikanischen Politik und des amerikanischen Staatswesens und Verfasser von Politics, Parties, and Elections in America. Als die Gründer der amerikanischen Republik 1787 die Verfassung der Vereinigten Staaten ausarbeiteten, schufen sie eine staatliche Ordnung, in der Parteien keine Rolle spielten. Durch verschiedene verfassungsrechtliche Bestimmungen - wie Gewaltenteilung, gegenseitige Kontrolle und gemeinsame Verantwortung von Kongress und Regierung (checks and balances), Föderalismus sowie die indirekte Wahl des Präsidenten durch ein Wahlmännerkollegium - versuchten sie sogar, die politischen Parteien und Gruppierungen aus dem neuen Staatswesen herauszuhalten. Trotz dieser Absichten der Gründer waren die Vereinigten Staaten 1800 das erste Land, in dem landesweit organisierte Parteien entstanden und die Regierungsgewalt durch Wahlen von einer politischen Gruppierung auf die andere überging. Das Entstehen und die Vormachtstellung politischer Parteien Das Entstehen politischer Parteien war eng verknüpft mit der Ausweitung des Wahlrechts, als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Bindung des Stimmrechts an Grundbesitz entfiel. Angesichts der nun stark angewachsenen Wählerschaft benötigte man ein Mittel, um Wählermassen zu mobilisieren. Um dieses wesentliche Ziel zu verwirklichen, wurden Parteien als politische Institutionen gegründet. Die amerikanischen Parteien entstanden so im Zuge dieser demokratischen Revolution, und sie waren in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts bereits ein fester Bestandteil der politischen Landschaft. Heute wird das politische Geschehen völlig von der Republikanischen und der Demokratischen Partei beherrscht. Fast 60 Prozent aller Amerikaner betrachten sich entweder als Republikaner oder Demokraten, und selbst die Unabhängigen beziehungsweise nicht Parteigebundenen tendieren normalerweise zu einer der Parteien und zeigen ein hohes Maß an Parteitreue. So stimmten zum Beispiel bei den fünf Präsidentschaftswahlen zwischen 1980 und 1996 75 Prozent der zu den Republikanern oder den Demokraten tendierenden Unabhängigen für den von ihrer favorisierten Partei nominierten Präsidentschaftskandidaten. Im Jahr 2000 stimmten 79 Prozent der zu den Republikanern tendierenden Unabhängigen für den Republikaner George W. Bush, wohingegen 72 Prozent der zu den Demokraten tendierenden Unabhängigen ihre Stimme für den Kandidaten der Demokraten, Al Gore, abgaben. Der allgegenwärtige Einfluss der Parteien schließt auch die Regierungspartei mit ein. Die beiden großen Parteien dominieren das Präsidentenamt, den Kongress, die Gouverneursämter und die Parlamente der Bundesstaaten. Alle Präsidenten seit 1852 waren entweder Republikaner oder Demokraten, und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg entfielen auf die großen Parteien im Durchschnitt 94,8 Prozent der bei den Präsidentschaftswahlen abgegebenen Stimmen. Nach den Wahlen zum Kongress und den Kommunalwahlen im Jahr 2002 gab es unter den 100 Mitgliedern des amerikanischen Senats nur einen einzigen unabhängigen Senator, und nur 2 der 435 Abgeordneten des amerikanischen Repräsentantenhauses waren unabhängig. Auf der Ebene der Bundesstaaten waren alle 50 Gouverneure entweder Republikaner oder Demokraten, und nur 21 (0,003 Prozent) der über 7.300 Abgeordneten in den Parlamenten der Bundesstaaten waren weder Republikaner noch Demokraten. Das Zweiparteiensystem bestimmt die Regierung sowohl auf der Ebene des Bundes als auch auf der der Bundesstaaten. Obwohl die amerikanischen Parteien in ideologischer Hinsicht weniger in sich geschlossen und weniger programmatisch sind als die Parteien in vielen anderen Demokratien, prägen sie doch das politische Geschehen entscheidend. Seit den Wahlen 1994 zeigen sich bei den Republikanern und Demokraten im Kongress deutliche politische Unterschiede im Vergleich zur historischen Norm sowie ein ungewöhnlich hohes Maß an innerparteilicher Geschlossenheit. Die parteipolitischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Parteien werden im Kontext der alle zwei Jahre stattfindenden Kongress- und Senatswahlen ausgetragen, die das echte Potenzial zu einem parteipolitischen Machtwechsel in Repräsentantenhaus und Senat bergen. Die Kombination von politischer Spaltung und intensivem Wettbewerb um die Kontrolle der Kammer hat in den letzten Jahren zu einer äußerst aufgeheizten Atmosphäre parteipolitischer Konflikte im Senat und Repräsentantenhaus geführt. Und im Vorfeld der Wahlen 2004 führen die Kongressabgeordneten beider Parteien und die Bewerber um die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten ebenso wie die Bush-Administration eine Reihe von Schachzügen durch, um sich einen Vorteil bei den Wahlen zu verschaffen. Warum ein Zweiparteiensystem? Eines der herausragendsten und beständigsten Merkmale des politischen Systems ist der Konkurrenzkampf zwischen den beiden großen Parteien. Seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts beherrschen Republikaner und Demokraten den Wahlkampf und die Politik. Diese konkurrenzlose Bilanz der Monopolisierung der Wahlkampfpolitik durch dieselben beiden Parteien ist Ausdruck gewisser struktureller Eigenheiten des politischen Systems sowie besonderer Merkmale der amerikanischen Parteien. In den Vereinigten Staaten Amerika gilt bei den Wahlen zu den gesetzgebenden Organen des Bundes und der einzelnen Bundesstaaten das Mehrheitswahlrecht (single-member district system) - das heißt, gewählt ist, wer die Stimmenmehrheit (also die größte Anzahl von Stimmen in dem jeweiligen Wahlbezirk) auf sich vereinigt. Im Gegensatz zum Verhältniswahlrecht kann nach dem Mehrheitswahlrecht in jedem Wahlkreis immer nur eine Partei gewinnen. Dieses System stellt somit einen Anreiz dar, zwei Parteien mit einer breiten Basis zu bilden, die dann für den Wähler attraktiv genug sind, in den Wahlkreisen Mehrheiten zu erzielen, wodurch kleinere Parteien oder eine dritte Partei praktisch fortwährend zum Scheitern verurteilt sind ? also kein Rezept für Langlebigkeit, es sei denn, sie schließen sich einer der großen Parteien an. Der Anschluss an eine der großen Parteien ist für die meisten kleineren Parteien jedoch keine Alternative, weil alle außer einer Handvoll von Bundesstaaten so genannte Fusionen verbieten, bei denen der Bewerber für mehr als eine Partei kandidiert. Ein weiterer institutioneller Anstoß in Richtung Zweiparteiensystem geht von dem System des Wahlmännerkollegiums für die Präsidentschaftswahl aus. Unter dem System des Wahlmännerkollegiums wählen die Amerikaner technisch gesehen die Kandidaten für den Präsidentschaftswahlkampf nicht direkt. Stattdessen stimmen sie in jedem Bundesstaat für eine Kandidatenliste von "Wahlmännern", die sich dem einen oder anderen Präsidentschaftskandidaten verpflichtet haben. Um zum Präsidenten gewählt zu werden, benötigt man die absolute Mehrheit der Stimmen der insgesamt 538 Wahlmänner aus den 50 Bundesstaaten. Diese Bedingung macht es einer dritten Partei äußerst schwer, die Präsidentschaft zu erringen, weil die Wahlmännerstimmen der einzelnen Bundesstaaten nach einem System vergeben werden, das dem Wahlsieger alle Stimmen zuerkennt (winner-take-all). Das heißt, der Kandidat, der die Mehrheit der Stimmen in einem Bundesstaat erhält ? selbst wenn es nur eine knappe Mehrheit ist ? erhält alle Wahlmännerstimmen eines Bundesstaates. Ebenso wie das Mehrheitswahlrecht benachteiligt auch das Wahlmännerkollegium dritte Parteien, denn sie haben kaum eine Chance, die Wahlmännerstimmen eines Bundesstaats zu bekommen, geschweige denn, genügend Staaten für die Wahl des Präsidenten hinter sich zu bringen. Da die Republikaner und Demokraten den Staatsapparat kontrollieren, überrascht es auch nicht, dass sie noch weitere die großen Parteien begünstigende Wahlvorschriften geschaffen haben. Allein den Namen einer neuen Partei in einem Bundesstaat auf den Stimmzettel zu bringen, kann ein mühsames und kostspieliges Unterfangen sein. So ist zum Beispiel nach den Wahlzulassungsbestimmungen des Bundesstaates North Carolina eine Petition mit 58.842 Unterschriften erforderlich, damit eine neue Partei die Namen ihrer Präsidentschaftskandidaten überhaupt auf den Stimmzettel für die Wahlen 2004 setzen kann. Daneben gewährt das Bundeswahlkampfgesetz (Federal Election Campaign Act) den großen Parteien noch besondere Vergünstigungen, unter anderem sehr viel mehr öffentliche Gelder zur Finanzierung des Präsidentschaftswahlkampfes als es kleineren Parteien zur Verfügung stellt ? selbst denjenigen, die bei der letzten Wahl die 5-Prozent-Hürde überschritten haben. Das charakteristische amerikanische Nominierungsverfahren ist ein weiteres strukturbedingtes Hindernis für dritte Parteien. Unter allen Demokratien dieser Welt sind die Vereinigten Staaten das einzige Land, in dem Vorwahlen zur Nominierung der Kandidaten der Parteien für Staatsämter in den Bundesstaaten und im Kongress abgehalten werden, und wo in den einzelnen Bundesstaaten Vorwahlen für die Präsidentschaftswahlen zur Nominierung der jeweiligen Präsidentschaftskandidaten stattfinden. Bei dieser Art von Nominierungssystem wählt die Masse der Anhänger einer Partei in einer Vorwahl den von ihrer Partei für die allgemeine Wahl nominierten Kandidaten aus. In den meisten Ländern werden die Kandidaten von den Parteiorganisationen und deren Vorsitzenden aufgestellt. Aber in den Vereinigten Staaten liegt die Entscheidung darüber, wer von den Republikanern und Demokraten nominiert wird, letztlich beim Wähler. Dieses System trägt natürlich auch dazu bei, dass in den Vereinigten Staaten die internen Parteiorganisationen schwächer ausgebildet sind als in den meisten anderen demokratischen Staaten. Dieser auf Mitwirkung der Wähler angelegte Nominierungsprozess hat auch dazu beigetragen, dass Republikaner und Demokraten seit 150 Jahren die Wahlkampfpolitik dominieren. Wenn sie bei den Vorwahlen von einer Partei nominiert werden, können auch Parteirebellen ihren Namen auf den Stimmzettel für die allgemeinen Wahlen setzen lassen, ohne dass sie dazu eine dritte Partei gründen müssen, und können so ihre Chancen auf einen Wahlsieg verbessern. Daher sind in beiden großen Parteien durch den Vorwahl- und Nominierungsprozess auch abweichende Meinungen vertreten, und Dissidenten stehen nicht vor der schwierigen Aufgabe, eine dritte Partei zu gründen. Natürlich macht das System der Vorwahlen zur Nominierung der Kandidaten die beiden großen Parteien auch außerordentlich durchlässig, und gelegentlich werden sie von einigen gesellschaftlichen "Randbewegungen" und "Außenseiterkandidaten" durchdrungen. Breite Basis in der Wählerschaft und politisch in der Mitte angesiedelt Die amerikanischen Parteien finden breite Unterstützung in allen Gesellschaftsschichten. Mit Ausnahme der afroamerikanischen Wähler - von denen bei den Wahlen 2000 90 Prozent für den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten stimmten - rekrutieren sowohl die Republikanische als auch die Demokratische Partei erhebliche Teile ihrer Gefolgschaft aus praktisch allen wichtigen sozioökonomischen Gruppen der Gesellschaft. Obwohl man generell davon ausgehen kann, dass beispielsweise Gewerkschaftsmitglieder Demokraten wählen, können die Republikaner doch bei den meisten Wahlen damit rechnen, dass sie mindestens ein Drittel der Stimmen der Gewerkschaftsmitglieder erringen, und 1984 erhielt die Partei 46 Prozent dieser Stimmen. Im Jahr 2000 wählten 37 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder die Republikanische Partei. Obwohl die Unterstützung für die Demokraten mit steigendem Einkommen normalerweise abnimmt, können demokratische Präsidentschaftskandidaten für gewöhnlich auch auf beträchtliche Unterstützung von Wählern der oberen Mittelklasse zählen. Im Jahr 2000 erhielt beispielsweise der Kandidat der Demokraten, Al Gore, 43 Prozent der Stimmen von Wählern mit einem Jahreseinkommen von über 100.000 Dollar. Politische Parteien in den Vereinigten Staaten haben einen relativ geringen Grad an innerer Geschlossenheit und sind keine strikten Anhänger einer bestimmten Ideologie oder festen politischen Richtung. Vielmehr ging es ihnen immer in erster Linie darum, Wahlen zu gewinnen und die Führungspositionen im Staat zu kontrollieren. Da sie ihre Wähler aus allen sozioökonomischen Schichten rekrutieren und sich innerhalb einer Gesellschaft bewegen müssen, die ideologisch im Wesentlichen in der Mitte angesiedelt ist, vertreten die amerikanischen Parteien vornehmlich eine Position der Mitte. Sie weisen darüber hinaus auch ein hohes Maß an politischer Flexibilität auf. Dieser nichtdoktrinäre Ansatz erlaubt es Republikanern wie Demokraten, bei ihren Parteimitgliedern sehr unterschiedliche Meinungen zu tolerieren und hat dazu beigetragen, dass sie dritte Parteien und Protestbewegungen absorbieren konnten, wann immer diese auftraten. Dezentralisierte Parteien Man muss immer wieder betonen, wie sehr die amerikanischen Parteien durch stark dezentralisierte Machtstrukturen charakterisiert sind. Historisch gesehen kann bei der regierenden Partei der jeweilige Präsident nicht davon ausgehen, dass die Abgeordneten seiner Partei im Kongress sein Programm loyal unterstützen werden; ebenso wenig können die Parteiführer im Kongress erwarten, dass die Mitglieder ihrer Partei bei der Abstimmung strikt der Parteilinie folgen. Innerhalb der Parteiorganisation operieren bei den Republikanern wie bei den Demokraten die Wahlkampfausschüsse für die Kongress- und Senatswahlen (die aus den gewählten Mitgliedern bestehen) völlig autonom von der auf die Präsidentschaft ausgerichteten nationalen Parteiführung ? den nationalen Ausschüssen der Republikaner und Demokraten. Abgesehen von einem begrenzten Einfluss auf die Verfahren zur Wahl der Delegierten zum Bundesparteitag mischen sich die nationalen Parteiorganisationen selten in die Angelegenheiten der Partei in den einzelnen Bundesstaaten ein. Diese organisatorische Zersplitterung ist zum Teil auch die Folge der in der Verfassung verankerten Gewaltenteilung zwischen der Legislative, Exekutive und Judikative der Regierung, wobei jede mit einem anderen Verfahren gewählt wird, unterschiedliche Amtszeiten hat und alle unabhängig voneinander sind. Dieses System der Gewaltenteilung bietet den Abgeordneten nur wenig Anreiz, sich geschlossen hinter ihren Parteivorsitzenden zu stellen. Dies gilt allgemein, ob wir über die Kongressabgeordneten und einen Präsidenten aus ihrer eigenen Partei sprechen oder ähnliche Beziehungen zwischen den Abgeordneten eines Bundesstaates und einem Gouverneur. Der Verfassungsgrundsatz des föderalen Staatsaufbaus, der ein gestaffeltes System von Regierungen auf Ebene des Bundes, der Bundesstaaten und der Kommunen geschaffen hat, führt zu einer weiteren Dezentralisierung der Parteien, indem er Tausende von separaten Wahlkreisen ? ebenfalls auf Ebene des Bundes, der Bundesstaaten und der Kommunen - schafft, jeder mit seinen eigenen Amtsträgern. Wie bereits erwähnt, schwächt auch die Durchführung von Vorwahlen zur Nominierung der Kandidaten die Parteiorganisationen, denn sie haben so keine Möglichkeit, die Auswahl der Kandidaten zu kontrollieren. Die einzelnen Kandidaten werden daher dazu ermutigt, sich eine eigene Wahlkampforganisation und eine Anhängerschaft unter den Wählern aufzubauen, um zuerst die Vorwahlen und dann die allgemeinen Wahlen zu gewinnen. Selbst das Aufbringen von Spendengeldern für den Wahlkampf bleibt dem einzelnen Kandidaten im Wesentlichen selbst überlassen, da die Parteiorganisationen normalerweise nur begrenzte Mittel zur Verfügung haben und häufig sehr strikte gesetzliche Auflagen einhalten müssen, was die Höhe der Gelder anbelangt, die sie insbesondere für Wahlkämpfe auf Bundesebene ausgeben können. Die Vorbehalte der Amerikaner gegenüber Parteien Obwohl sich eindrucksvoll belegen lässt, dass das Parteiwesen im amerikanischen politischen System durchaus eine Rolle spielt, ist das Misstrauen gegenüber Parteien tief in der staatsbürgerlichen Kultur verwurzelt. Die Einführung des Vorwahlsystems zur Nominierung der Kongresskandidaten und der Kandidaten in den Bundesstaaten zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowie der starke Anstieg der Zahl der Vorwahlen für die Präsidentschaftswahl in jüngster Zeit, die zum ausschlaggebenden Faktor bei der Nominierung der Präsidentschaftskandidaten wurden, sind ein Beweis für die parteifeindliche Stimmung innerhalb der Öffentlichkeit. Den Amerikanern behagt es nicht, dass die Leiter ihrer Parteiorganisationen großen Einfluss auf ihre Regierung ausüben. Meinungsumfragen belegen, dass große Teile der Wählerschaft glauben, Parteien würden eher zur Verwirrung als zur Klärung von Sachfragen beitragen ? und dass es besser wäre, wenn auf dem Stimmzettel gar keine Parteien aufgeführt wären. Die amerikanischen Parteien operieren nicht nur in einem
ihnen gegenüber nicht gerade aufgeschlossenen kulturellen Klima,
sie stehen auch vor dem Problem, dass eine beträchtliche Zahl von
Wählern der persönlichen Identifizierung mit einer bestimmten
Partei immer weniger Bedeutung beimisst. Bezeichnend für diese
wenig ausgeprägte Parteibindung der Wähler ist das ticket?splitting,
das heißt, man gibt seine Stimme bei derselben Wahl Kandidaten
verschiedener Parteien. Im Jahr 2000 stimmten so 20 Prozent der Wähler
bei den Präsidentschaftswahlen und den Wahlen zum Repräsentantenhaus
für Kandidaten verschiedener Parteien. Folglich wurden 40 der Bezirke,
die George W. Bush in den Präsidentschaftswahlen gewann, gleichzeitig
von demokratischen Kandidaten für das Repräsentantenhaus gewonnen.
Dritte Parteien und unabhängige Kandidaten Wie aus der nachfolgenden Tabelle hervorgeht, traten in der amerikanischen Politik trotz der bereits erwähnten Hindernisse von Zeit zu Zeit dritte Parteien und unabhängige Kandidaten auf. Oft nahmen sie sich gesellschaftlicher Themen an, die von den großen Parteien nicht aufgegriffen wurden, brachten sie in die öffentliche Debatte ein ? und auf die Tagesordnung der Regierung. Aber die meisten dritten Parteien hielten sich nur bei einer Wahl und verschwanden danach, wurden unbedeutend oder gingen in einer der großen Parteien auf. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist es nur einer neuen Partei gelungen, zu einer großen Partei zu werden, nämlich den Republikanern. Damals spaltete das alles beherrschende moralische Thema der Sklaverei die Nation und bot somit eine Gelegenheit, Kandidaten zu rekrutieren und die Wähler zu mobilisieren. Obwohl die nachfolgende Tabelle nicht gerade Beweise für die langfristige Überlebensfähigkeit dritter Parteien liefert, lässt sie doch die Schlussfolgerung zu, dass diese Parteien großen Einfluss auf den Ausgang der Wahlen haben können. So führte 1912 die Kandidatur Theodore Roosevelts für eine dritte Partei zu einer Aufspaltung der Stimmen der traditionellen Wähler der Republikaner, und dadurch gelang es dem Demokraten Woodrow Wilson, mit weniger als der Mehrheit der direkt abgegebenen Stimmen gewählt zu werden.
1992 zog die Kandidatur von Ross Perot Wähler an, die in den achtziger Jahren meist die Republikaner gewählt hatten und trug so zur Niederlage des amtierenden republikanischen Präsidenten George H.W. Bush bei. Bei der sehr knappen Wahl im Jahr 2000 zwischen dem republikanischen Kandidaten George W. Bush und dem Demokraten Al Gore hätte Gore möglicherweise die Stimmen der Wahlmänner des Staates Florida und damit die für das Gewinnen der Präsidentschaftswahl erforderliche Mehrheit der Wahlmännerstimmen erhalten, wenn der Kandidat der Green Party, Ralph Nader, nicht auf den Wahlzetteln in Florida aufgeführt gewesen wäre. Meinungsumfragen seit den neunziger Jahren haben immer wieder ein hohes Maß an Unterstützung der Wähler für eine dritte Partei ergeben. Eine Meinungsumfrage des Gallup-Instituts im Vorfeld zu den Wahlen 2000 belegte, dass 67 Prozent der Amerikaner eine starke dritte Partei befürworteten, die Gegenkandidaten zu den republikanischen und demokratischen Nominierten für die Präsidentschaftswahlen, die Wahlen zum Kongress und für Ämter in den Bundesstaaten aufstellt. Diese Einstellung sowie die enormen Summen, die er in den Wahlkampf steckte, ermöglichten es dem texanischen Milliardär Ross Perot, bei den Präsidentschaftswahlen 1992 19 Prozent der direkten Wählerstimmen zu erringen - den höchsten Prozentsatz, den ein Kandidat auf sich vereinigen konnte, der keiner der großen Parteien angehörte, seit Theodore Roosevelt (Progressive Party) 1912 27 Prozent gewonnen hatte. Trotz Hinweisen für eine potentielle Unterstützung einer dritten Partei gibt es beträchtliche Hürden, die verhindern, dass eine dritte Partei die Präsidentschaftswahlen gewinnt oder selbst eine größere Anzahl von Senatoren oder Abgeordneten im Repräsentantenhaus stellen kann. Zusätzlich zu den bereits erwähnten, ist eines der Haupthindernisse die Furcht der Wähler, dass ihre Stimme praktisch "verloren" ist, wenn sie diese dem Kandidaten einer dritten Partei geben. Man hat nachgewiesen, dass Wähler strategisch abstimmen und ihre Stimme ihrer zweiten Wahl geben, wenn sie das Gefühl haben, dass der Kandidat einer dritten Partei keine Aussichten auf den Sieg hat. So bewerteten 2000 beispielsweise 15 Prozent der Wähler Ralph Nader in einer Umfrage vor der Wahl besser als George W. Bush oder Al Gore, aber Nader erhielt lediglich 2,7 Prozent der direkten Stimmen. Ähnlich stimmten 1992 21 Prozent der Wähler, die Ross Perot an erster Stelle genannt hatten, bei der tatsächlichen Stimmabgabe für andere Kandidaten. Daneben gibt es auch das Phänomen, dass man seine Stimme aus "Protest" dem Kandidaten einer dritten Partei gibt. 1992 antworteten fünf Prozent der Perot-Wähler bei einer Gallup-Umfrage, sie hätten nicht für ihn gestimmt, wenn er ihrer Ansicht nach hätte gewinnen können. Sollte es dritten Parteien oder unabhängigen Kandidaten gelingen, die Präsidentschaft zu erringen, stünden sie nach der Wahl vor einem möglicherweise beängstigenden Problem, nämlich dem Problem des Regierens - das heißt, der personellen Besetzung der Regierungsämter und der Zusammenarbeit mit einem von Republikanern und Demokraten dominierten Kongress, die nur begrenzt zur Zusammenarbeit mit einem Präsidenten gewillt wären, der keiner der großen Parteien angehört. Amerika
Dienst, 28. Januar 2004 |
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U.S. Diplomatic Mission to Germany/Public
Affairs/Information Resource Centers Aktualisiert: Februar 2004 |