Ich freue mich
sehr, heute mit Ihnen die Sicherheitsstrategien für das 21. Jahrhundert
zu erörtern und möchte bei dieser Gelegenheit unterstreichen,
dass die Vereinigten Staaten und Deutschland nach wie vor weitestgehend
die gleichen strategischen Ziele verfolgen. Diese Ziele spiegeln sich
in der Nationalen Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten, der
im Dezember 2003 verabschiedeten Sicherheitsstrategie der Europäischen
Union und – was am wichtigsten ist – in unserer täglichen engen
Zusammenarbeit bei unzähligen Projekten wider.
In den Tagen der Entscheidung nach Ende des Zweiten Weltkriegs und bei
Beginn des Kalten Krieges erklärte Präsident Harry Truman:
"Durch die Ereignisse hat unsere amerikanische Demokratie neuen
Einfluss gewonnen und neue Verantwortung übernommen. Dies wird
unseren Mut, unser Pflichtbewusstsein und unsere Vorstellung von Freiheit
auf die Probe stellen." Die Verpflichtungen, von einem Präsidenten
eingegangen und von allen zehn seiner Nachfolger eingehalten, haben
zum Sieg im Kalten Krieg und zu einem beispiellosem Erfolg der Sache
der Freiheit und Demokratie geführt.
Das Militär
– und das schließt die Streitkräfte aller unserer NATO-Partner
ein – hat die Lasten dieser Verpflichtung getragen. Jene, die ihrer
Berufung mit den damit verbundenen Zielen und Opfern, der Ehre und dem
Risiko gefolgt sind, haben unseren Respekt verdient. Wir werden ihre
Leistungen nicht vergessen.
Gemeinsame Verpflichtungen/Ziele
In diesem neuen Jahrhundert werden die von uns eingegangenen Verpflichtungen
ebenfalls entscheidend sein. Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler
Ebene werden neue Strategien erörtert, entwickelt - und angewendet.
Diese neuen Strategien haben das atlantische Bündnis auf eine harte
Probe gestellt, aber sie haben die Kernwerte nicht verändert, die
das Bündnis in der Vergangenheit geformt haben.
Um dies zu belegen, möchte ich einen wichtigen Diplomaten zitieren.
Er sagte: "Europa und Amerika sind in ihrem Kampf gegen die neue
Bedrohung aufeinander angewiesen. Wir sitzen im gleichen Boot, denn
wir wollen das Gleiche verteidigen: Die Bewahrung der Freiheit und der
Sicherheit für unsere Bürger, Sicherung unserer offenen Demokratien
und der Menschenrechte. Das sind die Ziele, die wir beide verfolgen,
das sind die Werte, die wir teilen."
Das waren die Worte von Außenminister Joschka Fischer, als er
im Herbst zu Studenten und Dozenten der Princeton Universität sprach.
In dieser Rede entwarf Außenminister Fischer eine gemeinsame Strategie
für die Vereinigten Staaten und Europa, basierend auf gemeinsamen
Werten, multilateralen Institutionen und gemeinschaftlichem Handeln.
Diese Rede war wichtig, denn sie zeigte, dass wir womöglich bei
der Vorgehensweise unterschiedlicher Meinung sind, nicht aber bei den
politischen Grundlagen.
Die neuen Bedrohungen – Terrorismus, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen,
das Scheitern von Staaten, regionale Konflikte und das internationale
Verbrechen – haben das Sicherheitsumfeld tatsächlich auf dramatische
Weise neu definiert. Der 11. September hat uns die neuen Bedrohungen
und Herausforderungen auf erschreckende Weise vor Augen geführt.
Doch schon vor dem 11. September wurde deutlich, dass die Sicherheitsbedrohungen
in der Zukunft anders aussehen würden als während des Kalten
Kriegs, und dass sowohl nationale als auch internationale Verteidigungsdoktrinen,
Institutionen und Bündnisse sich entsprechend ändern müssten,
um nicht die Vergangenheit, sondern Gegenwart und Zukunft widerzuspiegeln.
Sichtweisen in Europa
Im September 2002 verabschiedete Präsident Bush eine neue Nationale
Sicherheitsstrategie für die Vereinigten Staaten. Es war eine Festlegung
der amerikanischen Strategie für die Welt nach dem 11. September.
Obwohl sie von Experten als Antwort auf die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts
gepriesen wurde, war sie in einigen Kreisen umstritten und führte
in anderen zu Missverständnissen. Zwei Sätze aus einem 30-seitigen
Dokument, die Präemptivschläge als Option im Umgang mit den
Bedrohungen des 21. Jahrhunderts nannten, wurden aus dem Zusammenhang
gerissen und folglich von vielen hier in Europa als grundlegende Abkehr
von der Tradition der amerikanischen Außenpolitik kritisiert.
All dies, obwohl Deutschland und die Vereinigten Staaten sowie andere
europäische Partner in den meisten Angelegenheiten weiterhin einer
Meinung sind und zusammenarbeiten, um durch die Förderung von Stabilität
und demokratischen Reformen auf der Welt gemeinsame Ziele zu verwirklichen.
Durch die NATO stabilisieren wir Bosnien, das Kosovo und das übrige
Südosteuropa. Im Rahmen des Programms Partnerschaft für den
Frieden der NATO bringen unsere gemeinsamen Anstrengungen Ländern,
die vor ein paar Jahren unseren Interessen gegenüber noch feindlich
eingestellt waren, demokratische Kontrolle über die Streitkräfte.
Am bedeutendsten ist vielleicht, dass die NATO die Führung in Afghanistan
übernommen hat. Diese historische Entscheidung, die Rolle der NATO
auf Einsätze in bündnisfremden Gebieten zu erweitern, wird
den Frieden und die Stabilität bringen, die für das Gedeihen
von Freiheit und Demokratie in einem Land erforderlich sind, das diese
Ideale nie kannte.
Unglücklicherweise
überdeckten die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der effektivsten
Strategie zur Durchsetzung der 17 Resolutionen des UN-Sicherheitsrats
zum Irak die Wahrnehmung einer Gemeinschaft europäischer und amerikanischer
Werte und führten sogar zu gefährlichen Fehldarstellungen
der Vereinigten Staaten als Ganzes. Tatsächlich wurde in der EU
die Ansicht vertreten, wir versuchten Europa durch das Thema Irak zu
spalten. Das stimmt nicht. Wir haben die Unterstützung ganz Europas
angestrebt und erhielten diese auch für Resolution 1441 des UN-Sicherheitsrats.
Ähnlich hofften wir auch auf die Unterstützung der EU für
die Folgeresolution letzten März. Zu diesem Zeitpunkt war Europa
bereits gespalten. Geduldig und beständig versuchten wir, die Unterstützung
ganz Europas zu erlangen. Erst als die Franzosen erklärten, unter
keinen Umständen eine Resolution zu unterstützen, gaben wir
die Idee einer UN-Resolution zum Irak auf.
Voriges Jahr äußerten traditionell proamerikanische Gesellschaften,
wie die Deutschlands, die Meinung, George W. Bush sei eine größere
Bedrohung für die Welt als Saddam Hussein. Meinungsumfragen belegten,
dass Verschwörungstheorien bei der Meinungsbildung der Deutschen
eine große Rolle spielten. Es war schockierend zu erfahren, dass
es laut einer im Juli von der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlichten
Umfrage jeder fünfte Deutsche für möglich hielt, die
Vereinigten Staaten hätten den 11. September als Vorwand für
die Weltherrschaft geplant. Einstellungen wie diese sind eindeutige
Beweise, dass wir unsere Bemühungen zur Zusammenarbeit auf internationaler
Ebene zur Betonung unserer gemeinsamen Interessen, Ziele und Erfolge
verdoppeln müssen.
Lagebericht im Krieg gegen Terror und Weiterverbreitung
Als Folge des unmittelbaren Engagements von Präsident Bush zur
Bewältigung der Herausforderungen unserer Zeit konnte Wichtiges
erreicht werden. In seinem Bericht zur Lage der Nation erinnerte der
Präsident an die Fortschritte im globalen Krieg gegen den Terror
und bei der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen.
· Afghanistan hat eine neue, demokratische Verfassung verabschiedet
und plant in unmittelbarer Zukunft freie und faire Wahlen;
· die Vereinigten Staaten arbeiten mit der internationalen Gemeinschaft
an einer diplomatischen Lösung zur Einstellung des nordkoreanischen
Nuklearprogramms;
· die internationale Gemeinschaft übt gemeinsam Druck auf
den Iran aus, vollständig mit der IAEO zur Beantwortung ernster
Fragen in Bezug auf sein Nuklearprogramm zu kooperieren;
· wir haben ein neues Abkommen mit Russland zur maßgeblichen
Reduzierung amerikanischer und russischer strategischer Offensivwaffen
abgeschlossen;
Von besonderer Bedeutung ist Libyens Verzicht auf seine Programme für
Massenvernichtungswaffen. Als Folge des Irak-Konflikts scheinen führende
Politiker auf der ganzen Welt zu dem Schluss zu gelangen, dass Massenvernichtungswaffen
keinen Einfluss, kein Prestige und keine Sicherheit bringen. Vielmehr
führen sie zu Isolation.
Eine neue Partnerschaft
Im umfassenderen Krieg gegen den globalen Terrorismus arbeiten Polizei-
und Grenzschutzbeamte, Richter sowie Mitarbeiter des Finanz- und Bankwesens
in den Vereinigten Staaten und Deutschland und in mehr als 100 weiteren
Ländern in den entscheidenden Schlachten im Krieg gegen den Terror
auf der ganzen Welt eng zusammen. Diese Art der Zusammenarbeit weist
auf eine neue Art der Partnerschaft hin. Jetzt stellt sich uns die Frage,
welchen Weg wir nun einschlagen. Vergleichen und analysieren wir zwei
Zitate aus neueren amerikanischen und deutschen politischen Reden über
die Kernelemente einer erfolgreichen Sicherheitsstrategie. Wer sagte:
"Das erste [Element] ist die unbedingte Selbstbindung
der westlichen Demokratien an die eigenen Grundwerte - Freiheit, Menschenrechte,
Toleranz, Demokratie, Herrschaft des Rechts und soziale Marktwirtschaft...
Das zweite ist das Bekenntnis zu und der Respekt vor einer gemeinsamen
Ordnung, die auf gemeinsamen Werten, auf dem Recht, auf Zustimmung,
auf Kooperation und Mitgestaltung beruht... Das dritte Element ist die
politische Entschlossenheit und militärische Fähigkeit, Gefahren
abzuwenden. Es bedarf beider Komponenten, um totalitäre Netzwerke
und hasserfüllte Ideologien dauerhaft zu zerstören."
Präsident Bush?
Außenminister Powell? Sie hätten es sein können. Aber
nein, dies ist wieder ein Zitat aus der Rede von Außenminister
Fischer in Princeton. Die Analyse Fischers weist starke Parallelen zu
den drei Pfeilern für Frieden und Sicherheit auf, die Präsident
Bush in London skizzierte, als er sagte: "Frieden und Sicherheit
freier Nationen ruhen jetzt auf drei Pfeilern: Erstens müssen internationale
Organisationen den unsere Welt konfrontierenden Gefahren gewachsen sein
- von der Hilfe für scheiternde Staaten bis zum Widerstand gegen
die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen. Ebenso wie im letzten
Jahrhundert können Nationen in diesem Jahrhundert gemeinsam mehr
erreichen als im Alleingang. Der zweite Pfeiler von Frieden und Sicherheit
ist die Bereitschaft freier Nationen, der Aggression und dem Bösen
durch Gewalt Einhalt zu gebieten, wenn alle anderen Mittel erschöpft
sind. Der dritte Pfeiler der Sicherheit ist eine Verpflichtung zur globalen
Verbreitung von Demokratie sowie der mit ihr einhergehenden Hoffnung
und des Fortschritts als Alternative zu Instabilität, Hass und
Terror..."
Die nationale Strategie der Vereinigten Staaten
Obwohl die Nationale Sicherheitsstrategie von Präsident Bush kontroverse
Meinungen hervorrief, hat die Strategie mehr Gemeinsamkeiten mit der
europäischen Sicherheitsstrategie als manche Kritiker wahr haben
möchten. Schließlich werden in Artikel I der europäischen
Sicherheitsstrategie wie in ihrem amerikanischen Gegenstück ebenfalls
Terrorismus, die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionale
Konflikte, das Scheitern von Staaten und das organisierte Verbrechen
als Hauptbedrohungen Europas identifiziert. In Artikel III des EU-Dokuments
wird festgestellt, dass die EU "aktiver, kohärenter und mit
mehr Fähigkeiten ausgestattet" sein muss. Außerdem wird
angemerkt: "Die transatlantischen Beziehungen sind unersetzlich.
Durch gemeinsames Handeln können die Europäische Union und
die Vereinigten Staaten eine beachtliche Kraft für das Gute auf
der Welt sein."
Obwohl sich die amerikanische Nationale Sicherheitsstrategie hauptsächlich
auf die Verhinderung von Konflikten konzentriert, geht sie über
die EU-Strategie hinaus, indem sie konkret den präemptiven Einsatz
militärischer Gewalt gegen Terroristen oder den Terrorismus unterstützende
Staaten erlaubt, allerdings nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen.
Dies steht voll und ganz im Einklang mit dem Völkerrecht. In diesem
Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass das EU-Dokument in Bezug
auf die Frage der Präemptivschläge zweideutig ist.
Erwähnenswert ist auch, dass Verteidigungsminister
Struck bei der Konferenz "Bundeswehr und Gesellschaft" der
Welt am Sonntag letzten November hervorhob, dass "in Europa bisweilen
vergessen wird, dass internationales Recht nur dann Gewicht entfaltet,
wenn es auch durchgesetzt werden kann – notfalls mit militärischen
Mitteln".
Der Schwerpunkt liegt auf der Förderung von Sicherheit
– nicht auf Präemptivschlägen
Ich kann nicht genug betonen, dass der Schwerpunkt der Nationalen Sicherheitsstrategie
der Vereinigten Staaten nicht auf Präemptivschlägen liegt.
Vielmehr liegt er auf Maßnahmen zur Förderung der Sicherheit.
Die erste dieser Maßnahmen ist die Förderung von Rechtsstaatlichkeit,
freier Meinungsäußerung, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung,
Achtung der Frau, religiöser und ethnischer Toleranz sowie Achtung
von Privateigentum. Die zweite ist die Stärkung von Bündnissen
zur Überwindung des globalen Terrorismus sowie die Zusammenarbeit
zur Verhinderung von Angriffen auf die Vereinigten Staaten und ihre
Freunde. Die dritte ist – und ich hebe hervor – die Arbeit mit anderen
zur Reduzierung regionaler Konflikte. Der Schwerpunkt der Nationalen
Sicherheitsstrategie der Vereinigten Staaten liegt auf Multilateralismus
und der Förderung von Demokratie und Menschenrechten. Diese Strategien
werden weitaus deutlicher betont als jeglicher Hinweis auf Präemptivschläge.
In Bezug auf Präemptivschläge sollte man jedoch
erwähnen, dass auch die Europäische Union dieses Thema in
ihrem im Dezember veröffentlichten Papier zur Sicherheitsstrategie
der EU angesprochen hat. Das Papier betont, dass bestimmte Bedrohungen
- anders als im Kalten Krieg - so gefährlich und dynamisch sind,
dass Maßnahmen vor Auftreten einer Krise erforderlich sind. Die
Logik der EU weist also Parallelen zur Nationalen Sicherheitsstrategie
der Vereinigten Staaten auf, indem sie die Risiken betont, mit denen
wir uns heute konfrontiert sehen.
Die nationale
Strategie der Vereinigten Staaten – ein neuer Multilateralismus
Die Vereinigten Staaten sind der festen Überzeugung, dass die Regeln
umgesetzt werden müssen. Die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit
wird auf fast jeder Seite der Nationalen Sicherheitsstrategie hervorgehoben
– sei es die Konzentration auf die Bekämpfung des Terrorismus,
die Bewahrung regionaler Stabilität, die Erweiterung von Handel
und Entwicklung, die Pflege freundschaftlicher Verbindungen zu globalen
Mächten oder die Bewältigung transnationaler Herausforderungen
wie Massenvernichtungswaffen, Infektionskrankheiten oder internationales
Verbrechen.
Die Vereinigten Staaten lehnen Multilateralismus um seiner selbst willen
allerdings ab. Es reicht nicht aus, multilaterale Abkommen auf dem Papier
zu erzielen; Abkommen und Regeln müssen durchgesetzt werden. In
diesem Punkt stimmen wir mit dem Architekten der Sicherheitsstrategie
der EU, Javier Solana, überein. In einer vor kurzem geführten
Diskussion über die EU-Strategie erklärte Solana – und ich
zitiere erneut: "Wir benötigen einen effektiven multilateralen
Ansatz zur internationalen Ordnung mit gut funktionierenden internationalen
Institutionen und Regeln, die umgesetzt werden".
Die nationale
Strategie der Vereinigten Staaten – die Verbreitung von Demokratie
Die amerikanische Verpflichtung zu internationaler Zusammenarbeit ist
eine prinzipielle Angelegenheit, die in der Förderung von Freiheit
und Würde weltweit wurzelt. In seiner Rede vor dem Bundestag in
Berlin im Mai 2002 erklärte Präsident Bush: "Um eine
sicherere Welt zu schaffen, müssen wir eine bessere Welt schaffen.
Gewalt und Ressentiments werden durch Fortschritte im Gesundheits- und
Bildungswesen sowie beim Wohlstand besiegt.
Der Gedanke, dass die Ausübung amerikanischer Macht Hand in Hand
mit der Förderung von Menschenrechten und demokratischen Prinzipien
geht, findet sich in den politischen Maßnahmen amerikanischer
Präsidenten von Woodrow Wilson über John F. Kennedy und Ronald
Reagan bis zu Bill Clinton wieder. Vor dem 11. September hätte
man diese Idee als politische Rhetorik verwerfen können. Aber heute
haben unsere beiden Regierungen ebenso wie Studien der Vereinten Nationen
erkannt, dass die Wurzeln des radikalen islamischen Terrorismus im Fehlen
von Demokratie, dem Vorherrschen von autoritären Regierungssystemen
sowie dem Fehlen von Freiheit und Chancen in der arabischen Welt begründet
sind.
Wenn wir den Krieg gegen den Terrorismus gewinnen wollen, müssen
wir diesen Kampf der Ideen gewinnen. Es ist kein Kampf zwischen dem
Westen und dem Islam. Dieselben bösartigen Extremisten, die einen
Krieg gegen den Westen führen, führen auch einen Kampf gegen
den die Mehrheit der moderaten Muslime. In ihrem arabischen Entwicklungsbericht
fordern die Vereinten Nationen Wege zur Erweiterung demokratischer Institutionen
und grundlegender menschlichen Freiheiten auf den muslimischen Nahen
Osten. Diese Philosophie wurde von Präsident Bush in London im
Herbst vergangenen Jahres und von Außenminister Fischer in Princeton
aufgegriffen.
Die Nationale Sicherheitsstrategie erkennt auch die Bedeutung der Verbreitung
von Wohlstand an und fördert Wachstum durch Freihandel, Investitionen,
Kapitalflüsse, Finanzen und erhöhte Produktivität in
armen Regionen in Lateinamerika, dem Nahen Osten, Südasien, Afrika
und Teilen Ostasiens. Mit dem neuen Millennium Challenge Account (Konto
für die Millenniumsherausforderungen) hat Präsident Bush die
Aufstockung der Entwicklungshilfe um 50 Prozent bis zum Jahr 2006 zugesagt.
Dies ist die größte Erhöhung seit Einführung des
Marshall-Plans 1948. Darüber hinaus sind die privaten Spenden aus
amerikanischen Quellen mehr als dreimal so hoch wie die von der amerikanischen
Regierung geleistete offizielle Entwicklungshilfe.
Die Vereinigten Staaten haben eine Führungsrolle bei der Bereitstellung
ausländischer Direktinvestitionen an die Entwicklungsländer
inne und führen den Großteil an Forschung und Entwicklung
durch. Damit schaffen sie eine Grundlage für verbesserte Lebensbedingungen.
Die nationale Strategie der Vereinigten Staaten – Umstrukturierung der
Verteidigung
Beim Forum der Welt am Sonntag letzten November in Berlin stellte der
ehemalige NATO-Generalsekretär Robertson fest: "Die nichtamerikanischen
NATO-Länder haben viele Soldaten, aber viel zu wenige von ihnen
können entsandt werden. Der überwiegende Teil [dieser] 1,4
Millionen Soldaten sind für die Art von Aufgaben nutzlos, die wir
heute zu bewältigen haben."mEr
fügte hinzu: "Die harte unleugbare Wahrheit ist, wenn unsere
Regierungen weiterhin politische Verpflichtungen eingehen, in Afghanistan,
Afrika oder andernorts militärisch mehr zu tun, dann müssen
sie die Verwendbarkeit ihrer Streitkräfte verbessern."
Anfang der neunziger Jahre begann das amerikanische Militär einen
Prozess der Umstrukturierung, um sich an aktuelle Bedrohungen und Realitäten
anzupassen und darauf zu reagieren. Dieser Prozess der Umstrukturierung
ist in der Nationalen Sicherheitsstrategie niedergelegt.
Am wichtigsten ist jedoch vielleicht, dass die Vereinigten Staaten mit
ihren Bündnispartnern zusammenarbeiten, um die NATO umzugestalten.
Die Einbeziehung neuer Nationen in die NATO demonstriert den historischen
Wandel, den unsere Zeit vollzogen hat. Heute haben wir eine erweiterte
NATO mit zunehmenden – wenn auch noch immer nicht ausreichenden – Fähigkeiten.
Dies ist eine besondere und entscheidende Herausforderung für die
NATO und hat direkte Auswirkungen auf die künftige Effektivität
und Rolle der NATO bei der Bewältigung der Bedrohungen des 21.
Jahrhunderts. Heute geben 13 der 26 NATO-Staaten weniger als die als
Minimum geforderten 2 Prozent des BIP für die Verteidigung aus,
und es wurden nur minimale Fortschritte dabei erzielt, die NATO-Streitkräfte
einsatzfähiger zu machen.
Verteidigungsminister Struck gab kürzlich einen ehrgeizigen Plan
zur Umstrukturierung der Bundeswehr bekannt, um sie einsatzfähiger
und geeigneter zur Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
zu machen. Wird sie erfolgreich durchgeführt, wird Deutschland
zum Vorreiter bei der Umgestaltung der NATO und leistet einen entscheidenden
Beitrag zu der neuen NATO Response Force (NRF). Die Frage für Deutschland
und nicht zuletzt für das gesamte Bündnis lautet jedoch, werden
die erforderlichen Ressourcen für die erfolgreiche Umstrukturierung
unserer Streitkräfte bereitgestellt? Das ist natürlich letztlich
eine politische Entscheidung, und bedauerlicherweise scheinen die bewilligten
Finanzmittel zur Sicherstellung uneingeschränkt einsatzfähiger
deutscher Streitkräfte weit von den benötigten entfernt.
Unterstützung
der ESVP
Im März 2001
gaben Präsident Bush und Bundeskanzler Schröder eine gemeinsame
Erklärung heraus, in der die Vereinigten Staaten die europäische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie die Aussicht begrüßten,
dass Europa mit ihr vollständig im Einklang mit der NATO stehende
neue Fähigkeiten entwickeln würde.
Das Berlin-Plus-Abkommen vom März letzten Jahres war ein enormer
Durchbruch. Der EU wurde bei der Planung und Umsetzung von EU-Operationen
Zugang zu den Ressourcen der NATO zugesichert. Im Rahmen von Berlin-Plus
leitete die EU ihren ersten Einsatz in bündnisfremdem Gebiet in
Mazedonien ein – Operation Concordia – unter Verwendung von Ressourcen,
die der EU im Hauptquartier von SHAPE zur Verfügung gestellt worden
waren. Wir sehen der engen Zusammenarbeit mit einem neuen, stärkeren
Pfeiler der EU in der NATO erwartungsvoll entgegen.
Deutschland sieht sich realen Bedrohungen gegenüber.
Es erstaunt mich, dass viele Deutsche nicht erkennen zu scheinen, dass
es Kräfte gibt, die eine sehr reale Bedrohung der Sicherheit Deutschlands
darstellen – nicht nur im Ausland, sondern hier in Deutschland. Otto
Schily, Ihr Innenminister, ist sich dieser Bedrohung bewusst. Auf der
Website des Innenministeriums steht folgende Warnung: "Die Gefährdung
durch den islamistischen Terrorismus hält unverändert an.
Die grenzüberschreitenden Strukturen sind existent und funktionsfähig.
Die Sicherheitsbehörden müssen weiterhin von geheim operierenden
Zellen ausgehen, die Anschläge in eigener Regie durchführen
können."
Die Verurteilung von vier Terroristen, die einen Bombenanschlag
auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg geplant hatten, durch ein
Frankfurter Gericht im letzten Frühjahr ist nur ein Beweis, dass
islamische Terroristen Europa, einschließlich Deutschland, als
potenzielles Ziel sehen. BND-Präsident Hanning erklärte gegenüber
einer Münchner Zeitung im Sommer vergangenen Jahres: "Dieser
Fall war ein echtes Alarmsignal für uns. Er hat zum ersten Mal
klargemacht, dass islamische terroristische Fundamentalisten Deutschland
nicht nur als logistische Basis benutzen, sondern auch bereit sind,
selbst Anschläge durchzuführen."
Schlussbemerkung
Ich habe heute versucht, Beispiele transatlantischer Zusammenarbeit
hervorzuheben – aber, was noch wichtiger ist – Beispiele dafür,
wie die Vereinigten Staaten und Europa auf einer weiterhin tragfähigen
Partnerschaft aufbauen können. Die Zukunft gehört denjenigen,
die auf den Aufbau einer auf Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden gründenden
Welt hinarbeiten.
Die Bewahrung eines starken und effektiven Bündnisses – und die
Abwendung weiterer Terroranschläge – erfordern Engagement auf beiden
Seiten des Atlantiks. Als die Berliner Mauer fiel, hofften die Vereinigten
Staaten ebenso wie ihre Bündnispartner auf eine Friedensdividende.
Stattdessen entdeckten wir, dass die Welt weniger stabil und vorhersehbar
geworden ist.
Wir freuen uns auf die weitere enge Zusammenarbeit mit Deutschland bei
dem gesamten Spektrum der Sicherheitsherausforderungen. Wir hoffen jedoch,
Sie machen sich bewusst, dass Sicherheitszusammenarbeit mit den Vereinigten
Staaten auch in Ihrem Interesse liegt.
Man sagt, Konrad Adenauer habe einmal geäußert: “Die Weltgeschichte
ist auch die Summe dessen, was vermeidbar gewesen wäre.” Lassen
Sie nicht zu, dass jemals gesagt wird, wir hätten nicht alles in
unserer Macht Stehende getan, um eben die Dinge zu schützen, die
Amerika und Europa zu dem machen, was sie sind. Wenn wir unsere eigenen
Interessen schützen, tragen wir zur Gestaltung einer sicheren und
friedlichen Welt bei.
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