Rede auf der 43. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik
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Sehr verehrte Minister, Parlamentarier, Vertreter des US-Kongresses, meine Damen und Herren, Ich möchte Horst danken, dass er mich eingeladen hat, vor diesem ehrwürdigen Kreis zu sprechen und etwas zu unserer transatlantischen Partnerschaft zu sagen. Es ist eine Freude, so viele Menschen zu sehen, mit denen ich seit vielen Jahren im Sicherheitsbereich arbeite. Und wenn ich schon über Themen spreche, an denen seit Jahren gearbeitet wird: als alter Kalter Krieger hat mich eine der gestern gehaltenen Reden fast mit Sehnsucht nach einer weniger komplexen Zeit erfüllt. Fast. Viele von ihnen haben einen diplomatischen oder politischen Werdegang. Ich habe, wie der zweite Redner gestern, eine ganz andere Laufbahn eingeschlagen – im Spionagegeschäft. Und ich denke, ehemalige Spione haben die Angewohnheit, offen zu sprechen. Aber ich habe ein Umerziehungslager besucht - ich war viereinhalb Jahre Universitätspräsident und musste mit den Fakultätsmitgliedern zurecht kommen. Und, wie einige Universitätspräsidenten in den vergangenen Jahren lernen mussten, ist man im Umgang mit der Fakultät entweder nett oder man muss gehen. Die reale Welt, in der wir leben, ist eine andere und viel komplexere Welt als die vor 20 oder 30 Jahren. Wir haben viele gemeinsame Probleme und Herausforderungen, die wir partnerschaftlich mit anderen Ländern angehen, einschließlich Russland. Aus diesem Grund habe ich diese Woche die Einladung von Präsident Putin und Verteidigungsminister Iwanow angenommen, nach Russland zu kommen. Ein Kalter Krieg ist wirklich genug. Die Welt hat sich seit Mai 1989 dramatisch verändert. Damals saß ich mit Horst Teltschik, Bundeskanzler Kohl und meinem Kollegen Larry Eagleburger auf der Terrasse des Kanzlerbungalows in Bonn. Die Bündnispartner versuchten damals, bezüglich der Reduzierung der konventionellen Streitkräfte in Europa eine Einigung zu erreichen. Wenn ich jedoch an dieses eine Treffen denke, erinnere ich mich, dass das wirklich schwierige Thema nicht das militärische Gleichgewicht in Europa war, sondern sicherzustellen, dass genug Kuchen und Gebäckstücke für den Kanzler und den stellvertretenden Außenminister auf dem Tisch waren. Es ist gut, nach dem NATO-Ministertreffen in Sevilla in München zu sein. Diese Reise war eine ganz andere Erfahrung als meine so genannte Informationsreise im vergangenen Monat durch Europa, den Nahen Osten und Zentralasien. Es hat sich bei dieser Reise jedoch vor allem eines herausgestellt - ich bin zu alt, sieben Länder in fünf Tagen zu besuchen. Ich habe jetzt aber hier in München festgestellt, dass ich auch zu alt bin, sieben Stunden lang still zu sitzen. Wie viele von Ihnen wissen, hat mich die Sicherheit dieses Kontinents während meiner akademischen und beruflichen Laufbahn stets interessiert - in der Tat seit 40 Jahren. Das war während meiner Promotion in russischer und sowjetischer Geschichte so und auch während meiner gesamten Laufbahn bei der CIA, sowie während meiner Tätigkeit für den Nationalen Sicherheitsrat unter vier verschiedenen Präsidenten. Während eines Großteils dieser Jahre arbeitete ich Hand in Hand mit Kollegen in den westeuropäischen Regierungen an der Koordination unserer Maßnahmen und Reaktionen in der zweiten Hälfte des Kalten Krieges. Viele dieser Kollegen sind heute Morgen hier. Ich konnte die außergewöhnlichen Ereignisse von der Helsinki-Konferenz 1975 bis zur Befreiung Mittel- und Osteuropas fünfzehn Jahre später aus nächster Nähe verfolgen. Während dieser schweren Anstrengungen gab es Zeiten der Konfrontation zwischen den Supermächten. Auch die Beziehungen zwischen den Bündnispartnern waren nicht frei von Spannungen und Belastungen. Aber unsere atlantische Partnerschaft war stark genug, um uns zu ermöglichen, die Schwierigkeiten zu überwinden und die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit zu treffen. Beispielsweise war die Entscheidung, Ende der Siebzigerjahre Marschflugkörper und Pershingraketen als Maßnahme gegen die neuen Waffen der Sowjetunion zu stationieren, für viele Verbündete politisch schwer. Aber letztendlich trugen der Mut und die Führungskraft der Staatsmänner und -frauen auf beiden Seiten des Atlantiks sowie die tatsächliche Stationierung der Raketen in den frühen Achtzigerjahren dazu bei, den Boden zu bereiten für eine tiefer gehende Reduzierung von Nuklearwaffen nach Ende des Kalten Krieges. Im Nachhinein erscheint es klar, dass das totalitäre System ebenso sehr von den Ideen besiegt wurde, die der Westen damals und heute vertritt – wie von seinen Interkontinentalraketen, Panzern und Kriegsschiffen. Unsere effektivste Waffe damals wie heute ist der gemeinsame Glaube Europas und Nordamerikas an politische und wirtschaftliche Freiheit, religiöse Toleranz, die Menschenrechte, repräsentative Regierungen und Rechtsstaatlichkeit. Diese Werte haben unsere Seite geeint und Menschen auf der anderen Seite inspiriert – auf dem Wenceslas-Platz, in Gdansk, hinter der Berliner Mauer und an so vielen anderen Orten auf der Welt – den Kommunismus von innen heraus zu besiegen. Zum Schluss erhoben sich die Bürger in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion einfach, schüttelten ihre Ketten ab und forderten eine Zukunft basierend auf eben diesen Prinzipien. Ich denke, diese gemeinsamen Werte und Interessen bestehen fort, genau wie unsere gemeinsame Verantwortung, sie zu verteidigen. Heute werden sie von einem anderen bösartigen ideologischen Feind bedroht und stehen einer Reihe von anderen drohenden geopolitischen Herausforderungen gegenüber. Das strategische Umfeld hat die Mission und Identität des Atlantischen Bündnisses auf die Probe gestellt - eine Institution und Einrichtung, die meiner Meinung nach der politische und militärische Ausdruck einer tieferen Verbundenheit zwischen Europa und Nordamerika ist. Viele dieser Fragen sind nicht neu. Ich erinnere mich daran, Anfang des Jahres 1989 unzählige Stunden lang die Zukunft des Bündnisses erörtert zu haben und wie es sich verändern müsse, um nach dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes noch wichtig und relevant zu sein. Die sich uns noch heute stellende Frage ist, wie eine Partnerschaft, die ursprünglich gegründet wurde, um fest stehende Grenzen zu verteidigen, sich an ein Zeitalter der unkonventionellen und globalen Bedrohungen anpassen kann. Der europäische Kontinent stellt sich der Bedrohung durch den Terrorismus natürlich schon seit Jahrzehnten. Ich muss die Münchner nicht daran erinnern – in dieser Stadt wurde die Welt 1972 Zeuge der Entführung und des brutalen Mordes an olympischen Sportlern, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem wir heute sitzen. Aber die Herausforderung durch den gewaltsamen Extremismus, die sich heute stellt, ist anders als alles, dem der Westen über Generationen hinweg gegenüberstand. In vielerlei Hinsicht geht dieser Extremismus auf eine tiefe Entfremdung von den Grundlagen der modernen Welt zurück – religiöse Toleranz, Meinungsfreiheit und die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Wie wir gesehen haben, sind viele der extremistischen Netzwerke vor Ort gewachsen, und finden bei den ruhelosen und entfremdeten Einwanderergruppen Europas fruchtbaren Boden. Wie Präsident Bush sagte, haben die Extremisten heute das düstere Talent, "neue Technologien und alten Hass" zu verbinden. Ihr Vermögen, sich Zugang zu globalen Kommunikationssystemen zu verschaffen, wendet moderne Errungenschaften gegen uns und macht lokale Konflikte zu Problemen mit potenziell viel größerem Ausmaß. Das Interesse, das sie an Massenvernichtungswaffen gezeigt haben, ist real und muss ernst genommen werden. Wir haben lernen müssen, dass diese Netzwerke von einem abgelegenen oder isolierten Ort, von jedem gescheiterten oder extremistischen Staat aus - wie beispielsweise Afghanistan während der Neunzigerjahre - weit reichende und verheerende Angriffe auf freie und zivilisierte Nationen planen und starten können. Nicht weniger als 18 Terrororganisationen, viele von ihnen mit Verbindungen zur Al Kaida, haben überall auf der Welt blutige Anschläge verübt - in den Vereinigten Staaten, Spanien, Großbritannien, Indien, Algerien, Somalia, Russland, Pakistan, Jordanien, Ägypten, Indonesien, Tunesien, Marokko und in anderen Ländern. Diese Anschläge – und andere Bedrohungen, die seitdem in Erscheinung getreten sind - haben uns noch drastischer die Notwendigkeit vor Augen geführt, das Atlantische Bündnis neu auszurichten, so dass es auch über die Grenzen der NATO hinweg Sicherheit exportieren kann. Obwohl sie geschaffen wurde, um dem sowjetischen Kommunismus entgegen zu wirken, war das Leitprinzip der NATO von Anfang an weit gefasst und tief gehend: für Generationen ein Verteidigungsbündnis vor Sicherheitsbedrohungen und für die Interessen der transatlantischen Gemeinschaft zu schaffen. Heute sehen wir, dass das Bündnis, das während des Kalten Krieges nicht einen einzigen Schuss abgegeben hat, sechs Missionen auf drei Kontinenten führt. Es hat neue Mechanismen für Aktionen auf internationaler Ebene geschaffen. Es hat tief greifende Veränderungen erfahren und wird sich auch in Zukunft weiter ändern. Wir sehen das an der wahrlich historischen NATO-Mission in Afghanistan, wo Streitkräfte des Bündnisses zum ersten Mal an wichtigen Landgefechten teilgenommen haben, an komplexen Einsätzen in schwierigem Gelände, an Kriegsschauplätzen weit entfernt von Westeuropa. Die Taliban zahlten vergangenes Jahr in Afghanistan den Preis dafür, dass sie den Kampfesmut der NATO-Streitkräfte herausforderten. Soldaten aus dem Vereinigten Königreich, Kanada, den Niederlanden, Australien, Rumänien, Estland und Dänemark siegten zusammen mit unseren afghanischen Verbündeten in oftmals heftigen Kämpfen in der Provinz Kandahar. Es ist so, wie die NATO-Bündnispartner erst in Sevilla diskutierten: Wenn wir jetzt die notwendigen Schritte ergreifen, wird die Frühlingsoffensive in Afghanistan unsere Offensive - und sie wird dem Feind der gewählten Regierung, die von der überwältigenden Mehrheit der Afghanen gestützt wird, eine heftige Niederlage bereiten. In Zukunft wird es von herausragender Bedeutung sein, dass uns der in Afghanistan errungene Erfolg nicht fahrlässig oder aufgrund mangelndem politischem Willen und Entschlossenheit entgleitet. Alle Bündnispartner sind sich einig, dass wir eine umfassende Strategie benötigen – die starke militärische Bestrebungen mit effektiver Unterstützung für die Regierung, für wirtschaftliche Entwicklung und den Kampf gegen den Drogenhandel kombiniert. Aber jetzt müssen wir diesen Versprechen Geld und Truppen folgen lassen. Ein Bündnis der wohlhabendsten Industrienationen der Welt mit mehr als zwei Millionen Soldaten – und dabei ist das amerikanische Militär noch nicht einmal mit eingerechnet - sollte in der Lage sein, die Streitkräfte und das Material zu stellen, um in Afghanistan seine Aufgabe zu erledigen - eine Mission, bei der es praktisch keine Kontroversen bezüglich Rechtmäßigkeit, Notwendigkeit oder internationaler Legitimität gibt. Hierbei zu versagen, wäre eine Schande. In Afghanistan hat sich etwas entwickelt, das einer Prüfung unserer Fähigkeit gleichkommt, eine Herausforderung mit enormen Auswirkungen auf unsere gemeinsamen Werte und Interessen zu bewältigen. Im heutigen strategischen Umfeld gibt es noch andere potenzielle Herausforderungen: die Spaltungswirkung religiös motivierter Konflikte und dschihadistischer Bewegungen, die vom Nahen Osten und Zentralasien ausgehen, ein Iran mit hegemonialen Absichten, das nach Nuklearwaffen strebt und der Konflikt über die Zukunft des Iraks, mit enormen Auswirkungen auf unsere gemeinsamen Interessen im Nahen Osten und darüber hinaus. Im Osten: China ist ein Land, das an einem strategischen Scheideweg steht. Wir alle wollen konstruktive Beziehung zu China, aber wir beobachten auch abwartend, welche strategischen Entscheidungen China möglicherweise trifft. Wir sind angesichts des jüngsten Tests einer Anti-Satelliten-Waffe besorgt. In diesem strategischen Umfeld muss das Bündnis bereit sein, schon lange bestehende Gewohnheiten, Annahmen und Strukturen zu verändern. Sicher sind viele Fortschritte erzielt worden. Nach nahezu 15 Jahren außerhalb der Regierung war ich sehr beeindruckt von den neuen Expeditionsfähigkeiten und institutionellen Reformen, die die NATO umgesetzt hat. Die Gespräche, die die Vereinigten Staaten mit Polen, der Tschechischen Republik, Großbritannien und Dänemark über ein Raketenabwehrsystem zum Schutz unserer Länder führen, sind eine viel versprechende Entwicklung. Auf dem NATO-Gipfel in Riga beschlossen die politischen Vertreter der Bündnispartner, unsere Sicherheitspartnerschaften mit ähnlich gesinnten Nationen in anderen Teilen der Welt zu stärken - wie beispielsweise mit Australien, Japan und Südkorea. Aber zusätzlich zu neuen Missionen, Fähigkeiten und Partnerschaften müssen die Mitglieder dieses Bündnisses einzeln und gemeinsam bereit sein, auch die notwendigen Ressourcen bereitzustellen - nicht nur in Afghanistan, sondern überall. Alle Mitgliedsländer haben sich dazu verpflichtet, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung aufzuwenden. Eine solche von allen getragene Investition ist notwendig, damit wir unsere gemeinsamen Verpflichtungen erfüllen können um sicherzustellen dass die Qualität und Technik unserer Ausrüstung und Fähigkeiten auf angemessenem Niveau sind, wenn wie zusammen in den Kampf ziehen – sei es nun in Afghanistan oder anderswo. Dennoch ist es heute so, dass nur sechs der 26 NATO-Mitgliedsländer den BIP-Standard erfüllen. Im Laufe der Jahre gab es Versuche, die Nationen Europas und des Bündnisses in verschiedene Kategorien einzuteilen: Die NATO ist keine "Mitgliedschaft auf Papier", kein "Freizeitclub" und auch keine "Gesprächsrunde". Sie ist ein Militärbündnis - das mit ernsten Pflichten einhergeht, die aus der Realität auf der Welt entstehen. Es ist eine traurige Realität, dass es heute wie zu jedem anderen Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte Personen gibt, die durch Gewalt und Verbrechen gegen Unschuldige andere Menschen beherrschen wollen. Eine weitere traurige Realität ist, dass diese Personen sich letztendlich nicht Vernunft oder Verhandlungen beugen, sondern nur höherer Gewalt. Das ist möglicherweise politisch inkorrekt und die zu offene Ausdrucksweise eines ehemaligen Nachrichtendienstmitarbeiters. Aber es ist die Realität. Und es ist die politische und militärische Macht der 26 Demokratien der NATO – des einflussreichsten Bündnisses in der Weltgeschichte – die das Schild bildet, in dessen Schutz die von uns geteilten Auffassungen und Werte auf der Welt verbreitet werden. Kurz gesagt, wir müssen unsere gegenseitigen Verpflichtungen und unsere Verpflichtungen gegenüber jenen erfüllen, denen wir helfen wollen - vom Balkan bis nach Afghanistan – um ihren und unseren Erfolg zu gewährleisten. Wenn wir zurückblicken, war der Kalte Krieg ein epischer Kampf der epische Kosten verursachte. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass diese Kosten den Alternativen vorzuziehen waren: katastrophalen Konflikten oder totalitärer Herrschaft. Die Fülle an Herausforderungen und Bedrohungen, der wir heute gegenüberstehen, wird auch unsere Bereitschaft auf die Probe stellen, unsere Verpflichtungen zu erfüllen, Geld auszugeben und Risiken einzugehen - ja, unserer gemeinsame Verantwortung zum Schutz unserer gemeinsamen Interessen und Werte gerecht zu werden. Es kann keinen Zweifel geben: Die Welt braucht ein dynamisches und starkes transatlantisches Bündnis. Die Kooperation zwischen unseren Ländern muss andauern und vertieft werden. Wir werden hart daran arbeiten müssen. Und wir arbeiten hart zusammen – auf dem Balkan, in Afghanistan und – viele von uns – auch im Irak. Während wir uns diesen Herausforderungen als reiche und mächtige Demokratien stellen, sollten wir uns die Worte eines Politikers in einem jungen und schwachen Bündnis mit grundverschiedenen Provinzen in Erinnerung rufen. Diese Provinzen hatten: Es gilt das gesprochene Wort!
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U.S.
Diplomatic Mission to Germany
/Public Affairs/ Information Resource Centers Aktualisiert: Juni 2008 |