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US Siegel

Für Stabilität und Sicherheit – Die Transformation der transatlantischen Partnerschaft
Rede des Stellvertretenden US-Finanzministers Robert M. Kimmitt vor dem CDU-Wirtschaftsrat in Berlin
1. Juni 2006

 

English

Sehr geehrter Herr Professor Schwab, Exzellenzen, Abgeordnete, sehr geehrte Damen und Herren. Ich danke Kurt Lauk für die freundliche Einführung, für die Jahre der Unterstützung für die Stärkung der transatlantischen Beziehungen, besonders im Bereich von Wirtschaft und Finanzen.

Bevor ich 1991 als Botschafter nach Deutschland kam, hat mir mein Vorgänger Vernon Walters einen einzigen Rat gegeben: Vergiss nie, dass Reden für Deutsche etwas sehr Wichtiges sind. Sie halten gern Reden, sie hören gern zu und analysieren sie weit genauer, als dies in den Vereinigten Staaten der Fall ist. Er hatte einmal 40 Minuten lang zu einer ausgewählten Zuhörerschaft wie dieser gesprochen. Als er sich, mit seiner Leistung einigermaßen zufrieden, hingesetzt hatte, war er ziemlich überrascht, als sein Gastgeber ihm antwortete: „Herr Botschafter, wir danken Ihnen für Ihre Ausführungen. Wenn Sie einmal Zeit für eine richtige Rede haben, kommen Sie gern wieder!“ Nun, wenn 40 Minuten die Zeitgrenze für eine wirkliche Rede sind, dann werde ich heute ebenso nur einige Ausführungen machen, da Kurt Lauk mich gebeten hat, meinen Vortrag auf maximal 35 Minuten zu begrenzen.

Es ist für mich eine große Ehre, Teil dieses ausgewählten Programms zu sein – und besonders zwischen meinen Freunden, Bundeskanzlerin Angela Merkel und Professor Klaus Schwab, zu sprechen. Die Bundeskanzlerin und ich haben uns vor fünfzehn Jahren das erste Mal getroffen, als ich junger amerikanischer Botschafter und sie noch jüngere Bundesministerin war. Seitdem haben wir in Berlin und Washington, in ihrem Wahlkreis auf Rügen und auf langen Spaziergängen auf dem Lande nördlich von Berlin, unsere Ansichten darüber ausgetauscht, wie unsere beiden Länder noch enger zusammenarbeiten können, um Frieden und Wohlstand in der transatlantischen Gemeinschaft und darüber hinaus voranbringen zu können.

Die Globalisierung zum Nutzen der Bürger einsetzen

In den letzten fünf Monaten ist eine neue Lebendigkeit im deutsch-amerikanischen Verhältnis spürbar geworden. Die neue deutsche Regierung hat wichtige Schritte unternommen, um die Tradition und den Geist der deutsch-amerikanischen und der transatlantischen Kooperation wiederzubeleben. Kanzlerin Merkel und Präsident Bush und auch ihre Minister sprechen viel häufiger und mit mehr Offenheit über die wichtigen Fragen. Diese gestärkte deutsch-amerikanische Partnerschaft als Kern einer starken europäisch-amerikanischen Partnerschaft ist entscheidend, um gemeinsam die globalen Herausforderungen zu meistern. Sie ermöglicht uns, die Chancen der globalisierten Welt zur Mehrung von Wohlstand und Sicherheit zu nutzen.

Führungsstärke in einem starken transatlantischen Verhältnis muss auf einem starken wirtschaftlichen Fundament basieren. Obwohl Stabilität und Sicherheit weiterhin eine wichtige politisch-militärische Dimension haben, betrifft die eigentliche Transformation des transatlantischen Verhältnisses im Kern die Wirtschaftsbeziehungen, die einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität und Sicherheit leisten.

Die innere Stärke eines Landes ist heute zunehmend davon abhängig, dass eine Volkswirtschaft sich den Herausforderungen der Globalisierung anpassen kann und deren Vorteile nutzt. Deutschland und die USA profitieren enorm von der Globalisierung. Deutschland ist der größte Warenexporteur der Welt. Die Exporte nach China und Indien allein haben sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt. Die USA sind als das bevorzugte Ziel ausländischer Investitionen darauf angewiesen, dass ausländische Investoren zusätzliches Kapital ins Land bringen, das aus den eigenen Rücklagen nicht aufgebracht werden kann. Im letzten Jahr übertraf der Zustrom privater Investitionen die Summe von einer Billion US-Dollar.

Für die US-Wirtschaft ist die Globalisierung bislang eine Quelle wirtschaftlicher Dynamik gewesen und sie hat viele neue Arbeitsplätze geschaffen. Die US-Wirtschaft hat seit 1995 im Jahresdurchschnitt 1,6 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen. Ich weise darauf hin, dass diese Zahl der Saldo von weggefallenen Arbeitsplätzen und neu geschaffenen ist. Dahinter steht, was Joseph Schumpeter als "kreative Zerstörung" bezeichnet. So ist zum Beispiel im letzten Jahr in den USA die Zahl der Arbeitsverträge um zwei Millionen gestiegen. Eine andere Statistik verdeutlicht, dass dieser beachtliche Anstieg sich aus 57 Millionen Neueinstellungen bei 55 Millionen beendeten Arbeitsverhältnissen zusammensetzt. Dies entspricht einem Fluktuationsniveau von etwas über 40 Prozent, ungefähr ein Drittel mehr als die Summe der gesamten deutschen Arbeitsbevölkerung.

Ein weiterer Aspekt dieser Entwicklung zeigt sich beim Blick auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit. In den USA behält der durchschnittliche Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz 6,6 Jahre lang. In Deutschland beträgt die Zahl 10,6 Jahre. Die Tendenz in den USA ist weiter abnehmend. Studien zeigen, dass ein Arbeitnehmer zwischen dem 18. und 38. Lebensjahr im Durchschnitt zehn verschiedene Arbeitgeber hat. Diese Mobilität ist im Allgemeinen produktiv, sowohl für den Arbeitnehmer, als auch für die Volkswirtschaft. Diese vielfältigen Möglichkeiten verdeutlichen eine grundsätzliche Eigenschaft der Globalisierung: Eine Tendenz zu deutlich weniger Arbeitsplatzsicherheit und gleichzeitig eine große Beschäftigungssicherheit durch die fortlaufende Schaffung neuer Möglichkeiten durch den globalen Markt.

Die Steigerung der Produktivitätsrate in den USA zeigt auch, dass ein flexibler Arbeits- und Produktmarkt die Zahl der Arbeitsplätze und die Produktivität der Arbeitnehmer steigert. Die Produktivität hat in den USA im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte stetig zugenommen, zunächst durch den Einzug der Informationstechnologie und in jüngster Zeit durch die Einführung von neuen Technologien in der Dienstleistungsbranche. Diese Produktivitätssteigerung wird durch einen dynamischen Arbeitsmarkt und flexible Regulierung möglich, die sich rasch den neuen Möglichkeiten des technischen Fortschritts anpassen.

So macht "kreative Zerstörung" den Weg frei, damit Arbeitnehmer, Ideen und Kapital zu besseren Investitionen und in bessere Jobs fließen können. Durch sie können Innovation und Humankapital in mehr Möglichkeiten und steigende Einkommen umgewandelt werden.

Doch was in wirtschaftlicher Hinsicht dynamisch ist, kann auf der persönlichen Ebene zu Schwierigkeiten führen. Amerikaner, ebenso wie Europäer, machen sich Sorgen darum, welche Auswirkungen die Globalisierung auf ihren Arbeitsplatz und ihre Familie hat. Trotz der vielen neuen Möglichkeiten vollzieht sich ein Jobwechsel nicht ohne Schmerzen. Oft erfordert er ein Umlernen oder einen Ortswechsel. Aber die Antwort auf diese Stresssituation kann nicht darin liegen, auf die Wachstumsbremse zu treten, indem man die Flexibilität des Arbeitsmarktes einschränkt. Ganz im Gegenteil: Die Antwort muss sein, unsere wirtschaftliche und soziale Infrastruktur so auszurichten, dass sie Dynamik unterstützt.

Die Notwendigkeit von Reformen

Die positive Auswirkung flexibler Arbeits- und Warenmärkte auf die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Wirtschaftswachstum ist bekannt. Studien der OECD sagen voraus, dass die Anwendung von ‘best practice’-Prinzipien bei der Regulierung von Warenmärkten das europäische Wirtschaftswachstum jährlich um 3,2 Prozent steigern könnte – das sind 850 Euro zusätzlich pro Jahr für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in der EU. Durch die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte würde Europa die Beschäftigungsrate um 6 bis 9 Prozent steigern. Das entspricht der Schaffung von 22 Millionen neuen Arbeitsplätzen in der EU.

Ich möchte betonen, dass dies unabhängig von der Verfügbarkeit von Sozialleistungen so ist. Flexibilität muss nicht um den Preis niedriger Sozialstandards erkauft werden. Häufig höre ich als Antwort auf amerikanische Argumente für mehr Flexibilität in Europa ein: “Ja, aber die USA können mehr Einkommensungleichheit tolerieren, als mit dem europäischen Sozialstaatsmodell vereinbar ist”. Länder wie Dänemark jedoch kombinieren großzügige Leistungen für Arbeitslose mit flexiblen Regelungen des Arbeitsmarktes und proaktiven Programmen zur Jobvermittlung und sind das Gegenbeispiel dafür. Dänemarks Arbeitslosenquote von 5 Prozent entspricht ungefähr der der USA. Die durchschnittliche Verweildauer auf einem Arbeitsplatz ist dabei ebenso hoch wie in Großbritannien und nur wenig höher als in den USA. Jedes Land muss sein Modell nach seinen eigenen sozialen Prioritäten wählen. Aber Deutschland kann seine wirtschaftliche Flexibilität erhöhen, ohne dadurch die Grundlagen des deutschen Gesellschaftsvertrages zu gefährden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Deutschland darüber hinaus auch für Europa eine wichtige Rolle spielen kann, indem es den Weg weist zu machbaren Lösungen für die wirtschaftliche Zukunft. Die Vereinigten Staaten sähen Deutschland gern zurück in der traditionellen Rolle als Europas Wachstumsmotor. Das Land befindet sich in einer guten Ausgangslage um mit mutigen, wachstumsfördernden Reformen große Schritte nach vorn zu machen.

Das heißt nicht, dass die Reformen einfach sein werden – Veränderungen sind dies selten. Aber die Vision von Kanzlerin Merkel für die Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft ist glaubwürdig. Sie fußt auf dem “kreativen Imperativ,” den die Kanzlerin in ihrer Rede auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum erläutert hat und die hinter der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler steht. Sie reagiert damit auf die ganze Bandbreite an Herausforderungen, die die Globalisierung mit sich bringt. Sie entwickelt den Gedanken der Innovation über ein begrenztes Verständnis von Forschung, Entwicklung und Bildung hinaus weiter. So widmet sie sich den grundlegenden wirtschaftlichen Faktoren, die dem Einzelnen die Freiheit und die Möglichkeit zu produktiver und kreativer Mitwirkung in der modernen Wissensgesellschaft geben. Die Bundeskanzlerin bezieht sich auf Ludwig Erhard, der 1957 schrieb: "Ich will mich aus eigener Kraft bewähren. Ich will das Risiko des Lebens selbst tragen, will für mein Schicksal verantwortlich sein." Sie widmet sich der praktischen Anwendbarkeit in der heutigen Zeit, indem sie fragt: “Welchen Ordnungsrahmen braucht unsere veränderte Welt ...um Teilhabe für jeden Einzelnen an den Früchten und dem Fortschritt unserer Gesellschaft und unserer Welt zu ermöglichen?“ Die Antworten der Kanzlerin auf diese Frage zeigen sich in ihren Bemühungen um die Reform des Tarifvertragssystems, der Unternehmensmitbestimmung und des Gesundheitssystems.

Rahmenbedingungen müssen Anreize und Flexibilitäten schaffen, damit Unternehmen und Arbeitnehmer Angebot und Nachfrage von Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt effizient zusammenbringen können. Aus wirtschaftlicher Perspektive vernichtet nichts mehr Kreativität als die Arbeitslosigkeit. Diese Antwort muss sich auch damit befassen, wie die Weltwirtschaft in Zukunft aussehen wird, nicht nur damit, wie sie heute ist. Das ist ungefähr so, wie wenn man auf ein Fußballfeld läuft und versucht vorherzusehen, wo der Ball sich befinden wird und nicht nur wo er gerade ist.

Ich muss mit Ihnen nicht die deutsche Reformagenda im Einzelnen durchgehen. Sie kennen sie weit besser als ich. Aber ich möchte einige Prinzipien hervorheben.

1. Erstens: Reformen müssen im Grunde nur informelle Entwicklungen formalisieren, die in der deutschen Wirtschaft bereits heute Realität sind. Die verbesserte Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen ist zumindest teilweise das Ergebnis informeller Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Sie ermöglichen eine flexiblere Gestaltung der Arbeitsverhältnisse und längere Arbeitszeiten trotz strikter Regulierung des Arbeitsmarktes.
2. Ein zweites Prinzip ist die Verkleinerung der Steuer- und Abgabenschere in Deutschland, die mit 52 Prozent der Gesamtarbeitskosten weiter eine der höchsten in Europa ist. Dies trifft auch auf andere Steuern zu. So hat es kürzlich viel Diskussion über die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte gegeben. Die Maßnahmen zur Reduzierung des Haushaltsdefizits dürfen den noch schwachen Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt und beim privaten Verbrauch nicht ersticken.

3. Drittens muss besonderes Augenmerk auf die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt gerichtet werden. Deutschland kann das produktive Potenzial von Frauen besser nutzen. Viele wollen arbeiten oder mehr arbeiten, aber ihnen fehlt die dazu notwendige Infrastruktur. Ein deutsches Mädchen, das 2006 geboren wird, hat eine Lebenserwartung von 90 Jahren. Sie muss die Möglichkeit haben, ihre eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Nur so kann sie ihr eigenes Wohlergehen und das ihrer Familie verbessern und die Rentenerfordernisse einer alternden Gesellschaft erfüllen.

4. Dies bringt mich zu einem vierten Prinzip, das ebenso für die Vereinigten Staaten gilt: Demographische Veränderungen – die alternde Gesellschaft und die fallenden Geburtenraten – müssen zentrale Themen der politischen Debatte werden. Die veränderte Demographie zwingt uns zu überdenken, was wir unter Ruhestand verstehen und wie wir für eine Bevölkerung aufkommen, die zum Glück länger leben darf, als wir es uns bei der Schaffung unserer Rentensysteme jemals vorstellen konnten. Es bedeutet auch, dass wir mit viel Kreativität darüber nachdenken müssen, wie wir das Arbeitsleben älterer Leute erweitern können. Auch darüber, was der Begriff „älter“ in Zukunft überhaupt bedeuten wird, und über Einwanderung, die das Rentensystem durch neue Beitragszahler stützen kann, müssen wir nachdenken.

5.Und als letzter Punkt, sollten Hilfsprogramme für Arbeitslose Anreize schaffen, einen neuen Job zu finden. Dafür gibt es in Europa viele erfolgreiche Beispiele. Die Mittel sollten auf Umschulungen und Informationsprogramme konzentriert werden, die diesen Prozess unterstützen. Die Hartz-Reformen haben hierfür eine erste Grundlage geschaffen, es sollte jedoch noch mehr getan werden.

Die Auslandsinvestitionen

Meine Damen und Herren, es sind nicht nur deutsche Firmen, die auf Reformen mit mehr Investitionen reagieren. Auch amerikanische und andere ausländische Anleger sind bereit, mehr Kapital, Arbeitsplätze und Management-Know-how nach Deutschland zu bringen, sobald sich das Investitionsklima verbessert.

Grenzüberschreitende Investitionen stellen enorme Vorteile für unsere Volkswirtschaften dar. In den Vereinigten Staaten erreichten die ausländischen Direktinvestitionen im Jahre 2005 eine Höhe von 129 Milliarden Dollar. Das ist doppelt so viel wie der Durchschnitt seit Mitte der 90er Jahre. Wir schätzen, dass ausländische Unternehmen 5,1 Millionen Arbeitsplätze in den USA geschaffen haben. Der deutsche Anteil daran liegt bei mehr als 15 Prozent, oder 800.000 Arbeitsplätze. 40 Prozent davon sind in der Industrie, die in der gesamten amerikanischen Wirtschaft nur einen Anteil von 10 Prozent hat. Die Investitionen amerikanischer Anleger in Deutschland betragen ungefähr 80 Milliarden Dollar. Amerikanische Firmen beschäftigen mehr als 500.000 Menschen in Deutschland. Ob Private Equity, Aktienanlagen oder Direktinvestitionen – wie AMD in Dresden – grenzüberschreitende Geldanlagen sind ein Wachstumsmotor, der reibungslos funktionieren muss, damit unsere Länder weiter vorankommen.

In den Schlagzeilen auf beiden Seiten des Atlantiks war während der letzten Monate von Einschränkungen ausländischer Investitionen die Rede. In den Vereinigten Staaten warf der Fall von Dubai Ports wichtige Fragen der Sicherheit auf und gab den Anstoß für eine Debatte in Washington über die Rahmenbedingungen von Auslandsinvestitionen in den USA. In Europa versuchten einige Länder die Übernahme von angeblichen “National Champions” zu verhindern. Wieder andere haben die Freizügigkeit von Arbeit und Kapital innerhalb der Europäischen Union in Frage gestellt.

Wegen solcher Ereignisse fragen sich globale Investoren, ob die Tür für die Auslandsinvestition, sowohl in Amerika als auch in Europa, tatsächlich offen bleibt. Gemeinsam müssen wir deutlich machen, dass auf beiden Seiten des Atlantiks die Antwort ein klares “Ja“ ist. Unsere Regierungen müssen sich über den Umgang mit den berechtigten, von der Globalisierung aufgeworfenen Sicherheitsfragen beraten, um sicherzustellen, dass dem schleichenden Protektionismus Einhalt geboten wird. Ich möchte unterstreichen, dass in den USA die überwiegende Mehrheit ausländischer Investitionen – mehr als 90 Prozent – schnell und unumstritten durchgeführt werden.

An dieser Stelle ist es wichtig, auch die Meinung der Anleger zu hören, denen wir die eben erwähnten 5 Millionen Arbeitsplätze zu verdanken haben. Ich ermutige die Vorsitzenden deutscher Firmen mit großen Investitionen in den USA, sich mit den Kongressabgeordneten und Senatoren aus den US Bundesstaaten, in denen ihre Firmen tätig sind, zu treffen. Sie sollten die Abgeordneten zu einem Besuch in ihre Unternehmen einladen, damit diese Entscheidungsträger Amerikaner an Arbeitsplätzen arbeiten sehen, die durch Investitionsentscheidungen im Ausland entstanden sind. Diese Art von persönlichem Kontakt hebt ein wichtiges wirtschaftliches – und politisches – Argument hervor, nämlich, dass Auslandsinvestitionen amerikanische Arbeitsplätze schaffen.

Auf europäischer Seite ist es insbesondere wichtig, dass die Mitgliedsstaaten der EU die Kommission bei der Durchsetzung der Europäischen Übernahmerichtlinie unterstützen und protektionistischen Tendenzen Einhalt gebieten. Die vertiefte Marktintegration steht hier vor einer ersten großen Prüfung. Werden die neuen Regeln nicht durchgesetzt, bedeutet dies einen großen Schlag gegen ein Gründungsprinzip Europas: die Freizügigkeit des Kapitals unter den EU-Mitgliedsstaaten. Staatliche Unternehmen in Europa verlangsamen den Fortschritt in diesem Bereich. Wie man vor einigen Wochen bei dem Kaufangebot von Enel für Suez sehen konnte, wurde die staatseigene Firma Gaz de France benutzt, um eine Investition aus dem Ausland zu blockieren. Deutschland hat bisher solchen Versuchungen widerstanden. Die Beteiligung der Private-Equity-Gruppe Blackstone an der Deutschen Telekom ist ein positives Signal für das Investitionsklima in Deutschland.

Ein anderes wichtiges Signal für Investoren ist die Modernisierung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen unseren Ländern. Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Vertreter der deutschen Regierung und ich heute Nachmittag ein Protokoll zum bestehenden Abkommen unterzeichnen werden. Es schafft die vom Ursprungsland erhobene Kapitalertragssteuer auf die meisten Dividenden ab, die von einer Tochterfirma an die Muttergesellschaft gezahlt werden. Dies wird den Ertrag von grenzüberschreitenden Investitionen erhöhen und sicherstellen, dass amerikanische Investitionen nicht in die Nachbarländer Deutschlands umgeleitet werden, die bereits solche Protokolle mit den USA unterzeichnet haben.

Das Protokoll löst darüber hinaus ein altes Problem, das unsere Pensionsfonds betrifft. Die vom Quellenland erhobene Kapitalertragssteuer auf Dividenden, die an diese Fonds gezahlt werden, wird abgeschafft. Diese Regelung stellt amerikanische Pensionsfonds auf eine Stufe mit deutschen Pensionsfonds und wird eine Zunahme von US-Portfolioinvestitionen in Deutschland nach sich ziehen.

Globale wirtschaftliche Veränderungen gestalten

Das Gewicht Deutschlands und der Vereinigten Staaten in der Weltwirtschaft sowie ihre gemeinsamen Interessen machen unsere beiden Länder zu natürlichen Partnern in der Gestaltung globaler wirtschaftlicher Entwicklungen. Sie stützt sich auf drei grundsätzliche Prinzipien: freie Kapitalströme, freier Handel und flexible Wechselkurse. Wir müssen darüber hinaus gemeinsam daran arbeiten, globale Ungleichgewichte auszugleichen, um das bemerkenswerte Wachstum der Weltwirtschaft, das wir derzeit sehen, zu stützen. Dies ist eine geteilte Verantwortung, für die eine größere Wechselkursflexibilität in Asien, insbesondere in China, erforderlich ist. Mehr Wachstum in Europa und Japan sowie eine höhere öffentliche und private Sparquote in den Vereinigten Staaten sind ebenfalls notwendig. Dieser Ansatz wurde vor kurzem von den Finanzministern der G7 und auch in direkten Gesprächen zwischen Präsident Bush und Bundeskanzlerin Merkel bekräftigt. Gleiches gilt für deren jeweilige Gespräche mit dem chinesischen Präsidenten Hu.

Es ist entscheidend, dass wir bei diesen Themen mit einer Stimme sprechen und unsere politischen Herausforderungen entschlossen angehen. Die Vereinigten Staaten setzen sich dafür ein, ihr Haushaltsdefizit zu senken. Es betrug im vergangenen Jahr 318 Milliarden US Dollar oder 2,6 Prozent des BIP und fällt derzeit als Folge steigender Einnahmen und größerer Ausgabendisziplin. Aber kein Teil der Weltwirtschaft, auch nicht die Vereinigten Staaten, kann im Alleingang wirkungsvoll handeln. Die Geschichte und die empirische Forschung zeigen, dass eine Reduzierung des US-Haushaltsdefizits nur geringe Auswirkungen auf unser derzeitiges Leistungsbilanzdefizit haben würde. Insbesondere dann, wenn andere nicht ihren Teil dazu beitragen. So entwickelte sich der amerikanische Finanzierungssaldo in den Jahren 1996 bis 2000 von einem Defizit zu einem Überschuss. Dennoch stieg das laufende Leistungsbilanzdefizit von 1,6 Prozent auf 4,2 Prozent des BIP.

Was wir dringend brauchen, ist ein geordneter Ausgleich zwischen weltweiten Ersparnissen und der Nachfrage. Während die Vereinigten Staaten ihre Sparquote erhöhen und das Defizit senken, muss Deutschland den Trend zum Rückgang der Binnennachfrage im vergangenen Jahrzehnt umkehren. Dieser hat dazu geführt, dass die Investitionsquote in Deutschland und der private Verbrauch anteilig am BIP zurückgegangen sind. Wir teilen ein starkes gemeinsames Interesse an Wachstum und einer geordneten Anpassung der Ungleichgewichte. Das sollte weiterhin den Kern unserer wirtschaftlichen Partnerschaft ausmachen. Unsere beiden Länder müssen handeln.

Die Schaffung eines offenen Handelssystems sollte auch im Zentrum unserer globalen wirtschaftlichen Kooperation stehen. Wie ich bereits erwähnt habe, ist Deutschland die größte Warenexportnation der Welt, und ich stehe heute als Beispiel dieser Macht im Export vor Ihnen. Meine Eltern haben sich 1947 in Berlin kennen gelernt und haben hier geheiratet. Ich wurde genau neun Monate später in den USA geboren. Wie Präsident Kennedy kann ich mit Stolz sagen „Ich bin ein Berliner“ und in meinem Fall „Made in Germany“.

Deutschland profitiert enorm von der Handelsliberalisierung und hat daher ein Interesse an Verantwortung in einer Führungsrolle in der europäischen Handelspolitik. Eine erfolgreiche Doha-Runde, die Fortschritte bei Zöllen und Marktzugang für landwirtschaftliche Erzeugnisse, Industriegüter und Dienstleistungen bringt, ist im Interesse unserer beiden Länder. Aber sie läuft Gefahr, von den Interessen des europäischen Agrarsektors dominiert zu werden. Ich habe das Argument gehört, dass die handelspolitischen Interessen Deutschlands aus historischen und anderen Gründen hinter den Interessen anderer EU-Mitglieder oder Gesamteuropas zurückstehen müssen. Meiner Meinung nach ist das ein vorgeschobenes Dilemma. Wie die Verhandlungen über einen neuen EU-Haushalt gezeigt haben, würde ganz Europa profitieren, wenn Deutschland aktiv auf einen neuen Handelskonsens hinwirken würde.

Da Energiepreise heute einen großen Risikofaktor für die Weltwirtschaft darstellen, ist die Kooperation im Energiebereich zu einer neuen Priorität auf unserer bilateralen Tagesordnung geworden. Unsere Kooperation muss sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite einschließen.
· Wir müssen Technologien für neue, sauberere Brennstoffe entwickeln und dürfen dabei auch die Nukleartechnik der nächsten Generation nicht ausschließen.
· Wir müssen Wege finden, Förderquellen und Transportwege für fossile Brennstoffe auszuweiten, um unsere Abhängigkeit von potenziell unzuverlässigen Energielieferanten zu reduzieren.
· Auf der Nachfrageseite müssen wir an Umwelttechnologien arbeiten, die zu einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch führen. In diesem Bereich können die Vereinigten Staaten viel von Deutschland lernen. Es ist Zeit, mehr Bereiche zu finden, in denen wir Wissen austauschen und gemeinsam an innovativen Energielösungen arbeiten können.

Die Bekämpfung von Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen

Meine Damen und Herren, ich möchte heute auch auf die wichtige Rolle der Finanzministerien der Welt bei der Bekämpfung der schlimmsten Bedrohungen für unsere nationale Sicherheit eingehen. Dazu zählen Terrorismus und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen. In der Welt nach dem 11. September 2001 tragen diese Ministerien eine neue Last, da Terroristen, Waffenhändler und andere kriminelle Akteure versuchen, mithilfe von Banken ihr Geld anzulegen und zu verschieben. Gezielte finanzielle Sanktionen und andere finanzielle Befugnisse können sehr effektiv sein – und bieten ein schlagkräftiges Instrument zur Unterstützung diplomatischer Bemühungen.

Es besteht kein Zweifel, dass Terroristen Massenvernichtungswaffen erwerben wollen. Das ist möglicherweise die größte Bedrohung, der wir heute gegenüberstehen. Deshalb haben uns der UN-Sicherheitsrat und die G8 aufgefordert, Gesetze zu erarbeiten, mit denen wir den Finanzströmen und anderen Aspekten der Verbreitungsaktivitäten Einhalt gebieten können.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir nicht nur auf Regierungsebene zusammenarbeiten sondern auch in Partnerschaften zwischen Regierungen und dem Privatsektor. Unsere gemeinsame nationale Sicherheit und unser langfristiger wirtschaftlicher Erfolg hängen vom Schutz unserer Finanzsysteme vor Missbrauch ab.

Die Verfolgung gemeinsamer strategischer Interessen

Unsere Kooperation im Kampf gegen den Terror ist nur eine Facette unserer umfassenden Kooperation in Bereichen, die für unsere gemeinsamen strategischen Interessen unerlässlich sind. Andere wichtige Bereiche sind:

Die Förderung von Demokratie in Osteuropa: Die Ereignisse in Georgien und der Ukraine haben uns während der vergangenen zwei Jahre inspiriert. Die Festigung von Demokratie und Wohlstand und ihre Ausbreitung in Ländern wie Weißrussland braucht eine enge Kooperation – besonders auf wirtschaftlicher Ebene – zwischen den Vereinigten Staaten, Deutschland und dem Rest Europas.

Afghanistan: Die Vereinigten Staaten sind dankbar für die starke Führungsrolle, die Deutschland beim Wiederaufbau Afghanistans übernommen hat. Dazu zählt auch die Ausrichtung der Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg im Jahr 2002. Eine starke deutsche Rolle, auch im Rahmen der NATO, ist von großer Bedeutung für die Verbesserung der inneren Sicherheit und der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Afghanistan.

Irak: Wir sehen der Zusammenarbeit mit Deutschland bei der Umsetzung der Ziele der neuen irakischen Regierung zur Schaffung einer dynamischen, auf dem freien Markt basierenden Wirtschaft optimistisch entgegen. Die irakischen Politiker begrüßen unsere nachdrückliche Unterstützung beim Aufbau stabiler, glaubhafter Institutionen und einer Infrastruktur, die sie für die Nutzung ihres gewaltigen wirtschaftlichen Potenzials benötigen, insbesondere um die zweitgrößten nachgewiesenen Ölreserven der Welt auf den internationalen Ölmarkt zu bringen.

Iran: Kanzlerin Merkel und Präsident Bush haben deutlich gemacht, dass die Vereinigten Staaten und Europa das gemeinsame Ziel verfolgen, eine nukleare Bewaffnung des Iran zu verhindern. Wir sind fest entschlossen, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern an der Lösung dieser Frage zu arbeiten. Wie Außenministerin Rice gestern deutlich gemacht hat, sind die Vereinigten Staaten bereit, sich an den direkten Gesprächen unserer europäischen Partner mit dem Iran zu beteiligen, sobald der Iran seine Anreicherungs- und Wiederaufbereitungsaktivitäten vollständig und nachprüfbar einstellt. Iran wurde vor die Wahl gestellt, jetzt ist es an der Zeit für das iranische Regime, von dem Verhalten eines verantwortungsbewussten Mitglieds der internationalen Gemeinschaft zu profitieren oder zunehmende Isolierung in Kauf zu nehmen.

Schlussbemerkung

Meine Damen und Herren, die vor uns liegenden Jahre werden in vielerlei Hinsicht schwierig sein. Ich bin jedoch überzeugt, dass sie keine schwierigen Jahre für die deutsch-amerikanischen Beziehungen sein werden. Ganz im Gegenteil, aus meiner Sicht werden unsere Beziehungen sich zum Nutzen unser beider Staaten und der Welt weiter positiv entwickeln. Während Sie sich in der CDU, in der Grossen Koalition und in der deutschen Wirtschaft für die Verbesserung der wirtschaftlichen Chancen Ihrer Bürger und die Interessen Deutschlands in der Welt einsetzen, werden Sie in den Vereinigten Staaten stets einen verlässlichen Partner haben. Der Erfolg Deutschlands liegt nicht zuletzt in unserem eigenen nationalen Interesse.

Es war für mich eine Ehre, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

 

 
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Aktualisiert: August 2006