"Ich schätze
mich glücklich, heute in Stuttgart an der Eröffnung der neuen
Räumlichkeiten des Amerika-Hauses teilnehmen zu können. Es
ist wohl angebracht, gleich zu Beginn festzustellen, welchen Zwecken
dieses Haus dienen soll.
Um es mit einfachen Worten zu sagen: Dieses Gebäude soll ein Treffpunkt
sein, wo Männer und Frauen mit lnteressengebieten und Informationen
vertraut werden können, die sich im allgemeinen, wenn auch keineswegs
ausschließlich, auf die Gedankenwelt und das Leben des amerikanischen
Volkes beziehen.
Das Amerika-Haus ist kein Haus der Propaganda. Hier können freie
Männer und freie Frauen ihre Ansichten austauschen. Hier haben
sie die Möglichkelt, zu lernen und sich untereinander zu verständigen.
Vor allem aber ist es ein Treffpunkt junger Menschen. lm Amerika-Haus
werden Sie einer Atmosphäre begegnen, wie sie das Wesen eines jungen
Volkes ausstrahlt.
Wiederholt ist angedeutet worden, daß die Kultur der Vereinigten
Staaten im Vergleich zu der verfeinerten Kultur des älteren Europa
manches zu wünschen übrig lasse. lch möchte nicht sagen,
daß die amerikanische Kultur der europäischen überlegen
ist oder daß wir Amerikaner nicht viel von den alten Kulturen
zu lernen hätten. lch hoffe jedoch zuversichtlich, daß Sie
bei lhren Besuchen im Amerika-Haus einiges von der umfassenden Gedankenwelt
und den gewaltigen Energien erkennen, die die Vereinigten Staaten heute
verkörpern. Hier können Sie einen Begriff davon erhalten,
was eine junge Nation erreichen kann, welche unter einer fest verankerten
Verfassung mit ihren Nachbarn in Frieden lebt. Dieses System gestattet
eine volle Entfaltung der Wirtschaft, Wissenschaft und Religion des
Landes, ohne daß hierdurch die persönliche Freiheit unterdrückt
wird.
lm Amerika-Haus, so hoffe ich, werden Sie in Büchern, Zeitschriften
und anderen Informationsquellen ein Spiegeibild der Leistungen eines
Volkes finden, das sich der Freiheit des Gedankens und des Ausdrucks,
der freien Rede und einer freien Presse erfreut. Nicht alles ist blindlings
zu bewundern und nachzuahmen. Es steht ihnen zur Verfügung, um
beurteilt und nach seinem wahren Gehalt bewertet zu werden. Es erfordert
natürlich mehr als dieses Haus, Amerika darzustellen oder zu verstehen.
Die amerikanische Universität ist beispieisweise nicht nur eine
Stätte der Wissenschaftler und der Forschung. Sie ist ein großes
Trainingsfeld des demokratischen Gedankens. In den amerikanischen Universitäten
werden Hunderttausende von Studenten aus allen Teilen der Bevölkerung
mit der umfassenden Geschichte der internationalen Zivilisation vertraut
gemacht. Nicht aIle werden Doktoren, Rechtsanwälte, Lehrer oder
Beamte. Die meisten kehren zu ihren Farmen oder zur lndustrie und Wirtschaft
zurück. Diese Eigentümlichkeit muß beachtet und gewertet
werden, genauso wie die amerikanischen Methoden der wissenschaftlichen
Ausbildung und Forschung.
Wie auch immer Sie ihr Wissen durch einen Besuch im Amerika Haus bereichern
können, Sie sollen das dort befindliche Material nach Belieben
verwenden. Wir hoffen, daß Sie sich im Amerika-Haus wohlfühlen
werden. Die Einweihung dieses Hauses in Stuttgart gibt mir auch Gelegenheit,
ihnen über meine kürzliche Reise nach den Vereinigten Staaten
zu berichten. Ich möchte Ihnen einiges von den Eindrücken
wiedergeben, die ich dort von der Bevölkerung und von der Regierung
empfangen habe. Ich möchte ferner in möglichst einfacher Form
gewisse Grundsätze der amerikanischen Deutschlandpolitik wiederholen.
Wie Sie wissen, bin ich in die USA zurückgekehrt, um mit dem Präsidenten,
mit den speziell mit der Außenpolitik vertrauten Kongreßmitgliedern
und mit anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Besprechungen
zu führen. Des weiteren konnte ich durch den Rundfunk und auf andere
Weise zu einem sehr großen Teil des amerikanischen Volkes sprechen.
In den vergangenen zwei Wochen habe ich nicht nur Fragen beantwortet,
die mir der Präsident, der Außenminister, die Mitglieder
des Kongresses, Zeitungsverleger und Redakteure, Reporter und Leitartikler
vorlegten, sondern als Diener der Öffentlichkeit stand ich auch
vor Hunderten von Menschen in Washington, New York und Boston, um ihnen
in anerkennenden Worten die Entwicklung in Deutschland zu schildern
und ihre Fragen zu beantworten. Mir haben diese Begegnungen viel gegeben,
und von ihnen ermutigt komme ich hierher zurück. Darf ich offen
und freundlich dieses gesunde, wenn auch recht anstrengende Verfahren
dem deutschen Volke und seinen Beamten empfehlen? Es würde für
uns alle von Nutzen sein.
Mein tiefster Eindruck von meinem Amerika-Besuch ist das Iebhafte, große
Interesse an Deutschland. Auf den ersten Seiten unserer Zeitungen sind
fast täglich Berichte aus Deutschland zu finden. Unsere öffentlichen
Organisationen widmen dem deutschen Problem viel Zeit, und die Gründe
dieser Anteilnahme sind Ieicht zu verstehen. Die Bevölkerung der
USA hat außerordentlich große Mittel an Menschen und Material
aufgewendet, um Hitler zu besiegen, den Nazismus zu vernichten und in
Deutschland wieder ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Seit Generationen haben deutsche Aggressionen die Bevölkerung Amerikas
und, wie ich glaube, auch die anderer Lander, tief berührt. Sie
ist über jedes Anzeichen des Wiederauflebens jener Krafte beunruhigt,
die zur Nazi Herrschaft geführt haben. Sie weiß, daß
Deutschland in dem Europa und der Welt von heute ein entscheidender
Faktor ist.
Unter der unendlichen
Vielfalt von Fragen, die mir gestellt wurden, kehrten einige wenige
immer wieder. Im folgenden gebe ich lhnen die Hauptlinie, auf der sich
diese Fragen bewegten:
Wie sind die Aussichten für ein Wiederaufleben des Nazismus? Von
welcher Bedeutung sind die nationalistischen Tendenzen? Wer steckt hinter
diesen Bestrebungen? Was wollen gewisse deutsche Regierungsvertreter
mit ihren wiederholten nationalistischen Äußerungen erreichen?
Wie stark sind die Parteien der extremen Rechten und der äußersten
Linken? Was fangen das deutsche Volk und die Behörden mit diesen
Parteien an? Wie stark ist der Wille zur Demokratie und der Wille zum
Frieden in Deutschland? Sind die Deutschen aufrichtig am Beitritt zur
westeuropäischen Völkergemeinschaft interessiert? Arbeiten
einflußreiche Gruppen und Einzelpersonen daran, Deutschland zu
einem friedlichen demokratischen Staat zu machen? Wie lange wird es
dauern, bis man vom Entstehen eines gesunden und friedlichen Staatswesens
überzeugt sein kann?
Das alles waren Fragen, in denen sich tiefste Besorgnis äußerte.
Aber so häufig diese Fragen auch wiederkehrten, so gab es doch
auch Fragen wie die folgenden: Wie können wir den Deutschen beim
Wiederaufbau helfen? Was können wir Privatleute und private Organisationen
tun, um den Deutschen bei der Bewältigung der großen vor
ihnen liegenden Probleme zu helfen? Anders ausgedrückt: Neben tiefer
Besorgnis über Deutschland gab es, wie ich ausdrücklich wiederholen
möchte, Hoffnung und erstaunliche Hilfsbereitschaft. Darüber
hinaus erschüttert mich immer wieder die große Anzahl von
Menschen in den Vereinigten Staaten viele Deutsche und viele Amerikaner
die selber oder deren Angehörige unter den barbarischen Nazis zu
leiden hatten und die trotzdem gewillt sind, Deutschland zu unterstützen.
lch nehme an, Sie wissen, wie ich diese Fragen beantwortet habe. Ich
erklärte dem amerikanischen Volk, daß ich über das Wiederaufleben
nationalistischer Gruppen besorgt bin, daß es meiner Ansicht nach
im deutschen Leben noch zu viel Traditionsgebundenheit und Autoritätsbedürfnis
gibt, daß zahlreiche unerwünschte frühere Nazis und
Nationalisten ihren Weg in wichtige Positionen zurückgefunden haben,
daß es Widerstände gegen längst fällige Reformen
gibt und daß zu viele Deutsche bei der Übernahme ihrer politischen
Verantwortung apathisch sind und eine negative Haltung einnehmen. Ich
sagte jedoch auch, daß meiner Ansicht nach das Gesamtbild eher
positiv als negativ ist. Ich wies daraufhin, daß es heute in Deutschland
eine durch freie Wahlen entstandene Regierung und ein Parlament gibt,
daß im öffentlichen Leben ausgezeichnete Männer zu finden
sind, die sich voll Ernst für die Freiheit einsetzen, daß
es in den Ländern ein Ansteigen fortschrittlicher Gesetzgebung
gibt, daß die deutschen Zeitungen eine wachsende Wachsamkeit und
ein Bemühen, der Bevölkerung die Tatsachen vor Augen zu halten,
aufzeigen.
Ich erklärte, es sei meine Überzeugung, daß die große
Mehrheit des deutschen Volkes den Frieden wünscht und die Remilitarisierung
Deutschlands bedauern würde, daß sie an die Einheit Westeuropas
glaubt und daß sie sich als verantwortlichen Teil Westeuropas
betrachtet.
Ich erwähnte einige der großartigen Persönlichkeiten,
die ich während der Zeit, seit ich hier bin, getroffen habe und
die mir in meinen Ansichten über die Zukunft des Landes Mut machten.
Ich habe die Gefahren in Deutschland nicht verkleinert. Ich wies darauf
hin, daß die Millionen Flüchtlinge, die heimatlose Jugend
und die Erwerbslosen diese Gefahr vergrößern. Ich sagte,
daß die Extremisten der deutschen Rechten und die Kommunisten
der Linken unter ihren oberflächlichen Unterschieden im Totalitarismus
vereint sind und daß sie nicht zögern würden, die Not
dieser Gruppen für ihre Ziele auszunutzen.
Nun möchte
ich noch ein paar allgemeine Punkte klarstellen. Erstens, daß
die Vöiker des Westens sich in bezug auf Deutschland einig sind.
Es gibt Meinungsverschiedenheiten und Verschiedenheiten der Interessen,
die von Zeit zu Zeit auftreten. Das Hauptziel der Bevölkerung und
der offiziellen Vertreter der drei Besatzungsmächte ist jedoch
dasselbe. Alle sind Mitglied der westlichen Welt, alle suchen den Frieden,
und alle suchen die Freiheit. Darüber hinaus sind die westlichen
Völker durch äußerst lebendige Erinnerungen an gemeinsame
Opfer, die auf zahlreichen Gebieten geleistet wurden, miteinander verbunden.
Kurz gesagt, es besteht wenig Wahrscheinlichkeit für große
Diskrepanzen, und es besteht große Wahrscheinlichkeit für
die Beibehaltung der kollektiven wechselseitigen Unterstützung
auch für ein friedliches Deutschland.
Zweitens kann ich ein paar Worte über den Gegenstand "Kollektiv-Schuld"
sagen. Es ist ein Begriff, über den sehr viel Tinte verbraucht
worden ist, und ich zögere, weil ich die Abneigung der Politiker
kenne, diesem Gegenstand nahe zu kommen oder ihn auch nur zu erwähnen.
Es hat keinen Zweck, gegen Windmühlen anzukämpfen. Niemand,
am wenigsten die Bevölkerung der Vereinigten Staaten, lädt
allen Deutschen die Verantwortung für die Verbrechen Hitlers auf.
lhr enormes Ausmaß allein würde dies ausschließen.
Niemand verlangt Selbstbezichtigungen oder einen Canossagang.
Was ich jedoch erwarte, ist Schluß mit dem Gerede jener Deutschen,
die nicht nur ihre eigene Schuld leugnen, sondern auch die Verantwortung
für die Folgen dieser Schuld auf die Fehler anderer Völker
schieben wolIen. Gewisse Redner dieses Landes haben in der letzten Zeit
die Tendenz gezeigt, mit einem Sprung von der Verleugnung der Kollektiv-Schuld
zu der Behauptung zu kommen, daß andere Völker und Länder
für die Nachkriegsschwierigkeiten- und probleme Deutschlands verantwortlich
sind.
In allem Ernst möchte ich klarmachen, daß solche Äußerungen
Deutschland unabsehbaren Schaden bringen und seinen Interessen widersprechen.
Sie legen damit ein tiefes Mißverständnis für die Ereignisse
der letzten siebzehn Jahre an den Tag. Sie bringen das in Erinnerung,
was man jetzt leicht vergißt, nämlich die erstaunliche Duldsamkeit
und Billigung des größeren Teils der deutschen Bevölkerung
gegenüber den Auswüchsen der Nazis. Denn es waren nun einmal
diese Auswüchse, die die Not, die Deutschland nunmehr erleidet,
und vieles mehr mit sich brachten. Demut führt zu Stärke und
nicht zu Schwäche. Es ist die höhste Form der Selbstachtung,
Fehler einzugestehen und sie auszumerzen.
In dieser für die deutsche und die Weltgeschichte bedeutungsvollen
Zeit haben die Deutschen und ihre führenden Männer gute Gelegenheit
zu beweisen, daß sie aus den Lehren der Vergangenheit gelernt
haben. Sie können ihren guten Willen beweisen, indem sie auf demokratische
Art die sehr ernsten, aber nicht unüberwindlichen innenpolitschen
Probleme lösen, denen sie jetzt gegenüberstehen. Die Agitation
in außenpolitischen Fragen, wie reizvoll sie auch immer sein mögen,
kann niemals die Aufmerksamkeit von lebenswichtigen inneren Problemen
und der dringenden Notwendigkeit für innere Reformen ablenken.
In den kommenden Monaten müssen das deutsche Volk, seine Regierung
und sein Parlament sich mit den Problemen der Arbeitslosigkeit, der
Flüchtlinge und der Jugend befassen. Dies sind die Hauptprobleme.
Wenn diese ProbIeme in wahrhaft staatsmännischer Weise angepackt
werden, wenn die politischen Führer der Deutschen immer daran denken,
daß alles, was sie sagen, die Weltöffentlichkeit ebenso erreicht
wie die unmittelbaren Zuhörer, dann werden sie der Lösung
der Probleme näher kommen, und Deutschland wird erkennen, daß
das amerikanische Volk und seine Vertreter hier ihnen bei der Lösung
der Aufgabe helfen wollen.
Die westlichen Nationen haben sich bereits in bisher ungekannter Weise
zu helfen bemüht. Die Hochkommissare sind bereit, zusammen mit
der Bundes und den Landesregierungen Mittel und Wege zu suchen und zu
überprufen, die zu der Lösung dieser Probleme beitragen.
Ich kann mindestens von mir aus sagen, daß beispielsweise die
Arbeitslosigkeit nicht ausschließlich ein deutsches Problem ist,
denn zumindest ist es allein schon durch den Zustrom der Leute, die
vor dem Ostterror fliehen, sehr erschwert. Angesichts der Tatsache,
daß die Vereinigten Staaten bereits so viel zur Unterstützung
Deutschlands getan haben, ist es schwierig, sich vorzustellen, was man
in dieser Hinsicht von uns noch verIangen kann. Trotzdem sind wir bestimmt
zur äußersten Zusammenarbeit bereit, wenn von deutscher Seite
stärkste Anstrengungen gezeigt werden.
Lassen Sie mich jedoch nachdrücklich feststellen, und dies sage
ich vor allem den politischen Führern in Deutschland: Wir Amerikaner
sind nicht ausschließlich hier, um das deutsche VoIk zu ernähren
und die wirtschaftliche Erholung zu fördern. Wir wollen auch nicht
nur dafür sorgen, daß keine Panzer und Flugzeuge gebaut werden.
Unser Hauptzweck ist es, Deutschland zu helfen, den politischen Wiederaufbau
zu vollenden. Damit meine ich, daß wir dem deutschen Volk helfen,
eine politische Demokratie zu errichten, in der die Deutschen als freie
Menschen leben und die Früchte dieser Freiheit genießen können.
Dies ist meine Antwort für jene, die hie und da sagen, daß
wir kein Recht hätten, uns in die politischen Probleme, denen sich
Deutschland gegenübersieht, einzumischen.
Und nun haben Sie wohl ein Anrecht darauf, gewisse Richtlinien der gegenwärtigen
arnerikanischen Politik kennenzulernen. Vor etwas mehr als drei Jahren
hat der damalige amerikanische Außenminister J.F. Byrnes in dieser
Stadt einen für das deutsche Volk ermutigenden Ton angeschlagen.
lndem ich die folgenden Feststellungen treffe, möchte ich zu jener
Hoffnung noch Weiteres hinzufügen. Hier sind die wesentlichen Prinzipien
unserer Deutschlandpolitik, wie ich sie sehe:
Das deutsche Volk muß in die Lage versetzt werden, seine politische
Unabhängigkeit auf demokratischer Grundlage und in enger Zusammenarbeit
mit den freien Völkern Westeuropas zu entwickeln. Das deutsche
Volk muß in ein freies Europa integriert werden. Das deutsche
Volk muß, wenn es und seine Regierung ihre Bereitschaft und ihr
Verantwortunsbewußtsein bewiesen haben, voller Anteil an den wirtschaftlichen
Vorteilen des freien Europa erhalten und entsprechende Verpflichtungen
dafür übernehmen.
Das deutsche Volk und die deutsche Regierung müssen selbst wachsenden
aktiven Anteil an der politischen und wirtschaftlichen Organisierung
Europas nehmen. Es kann Deutschland nicht gestattet werden, politische
Verhältnisse zu entwickeln oder einen militarischen Status zu schaffen,
der andere Nationen oder den Weltfrieden bedroht. Das heißt, es
wird keine deutsche Armee oder Luftwaffe geben. Die deutsche Sicherheit
wird am besten durch eine deutsche Beteiligung an der enggewobenen westeuropäischen
Gemeinschaft gewährleistet werden.
Das deutsche Volk muß in Anbetracht der vorangegangenen Überlegungen
größte Freiheit haben, um seine Zukunft zu gestalten. Die
von den Besatzungsbehörden ausgeübten Kontrollen sollten in
einer Weise angewendet werden, die eine volle Entfaltung des deutschen
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens nicht behindert.
Volle Unterstützung und Förderung wird den demokratischen
Kräften in Deutschland zuteil werden. Die im Besatzungsstatut vorbehaltenen
Vollmachten sind verfügbar und dafür bestimmt, jedes Wiederaufleben
ultranationalistischer oder antidemokratischer Kräfte, die den
Frieden Europas bedrohen würden, zu verhindern.
Die Entwicklung der Deutschen Bundesrepublik wird auch weiterhin voll
unterstützt werden. Es wird alles getan werden, um das Ziel der
Einheit Deutschlands auf demokratischer und föderativer Grundlage
zu erreichen. Trotz aller Hindernisse werden wir auch weiterhin nach
einem Weg suchen, um diese Einheit zu fördern.
Berlin, das bei den freien Völkern der Welt einen solchen positiven
Widerhall gefunden hat, wird auch in Zukunft die Hilfe und Unterstützung
der Vereinigten Staaten erhalten. Der Geist und die Stärke dieser
Stadt kann dem neuen Deutschland Kraft und Leben geben, und alle Maßnahmen,
sie der Bevölkerung Westdeutschlands näher zu bringen werden
wir fördern. Es entspricht der amerikanischen Politik, faires Handelsgebaren
durch ein Dekartellisierungsprogramm und durch die Dezentralisierung
der Industrie zu fördern. Es entspricht weiterhin der amerikanischen
Politik, allen Personen und Organisationen, die durch rassische oder
politische Diskriminierung während der Nazizeit ihres Eigentums
beraubt wurden, dieses Eigentum zurückzuerstatten oder ihnen eine
adäquate Entschadigung zukommen zu lassen. Es entspricht der amerikanischen
Politik, daß alle Personen, die aus rassischen, ideologischen
oder religiösen Gründen von den Nazis verfolgt wurden und
körperliche Schäden oder Verletzungen erlitten, entschädigt
werden. lhre Schäden können niemals wieder gutgemacht werden.
Aber ohne Ausreden oder Ausflüchte muß man ihnen mit allem
Anstand gegenübertreten und sich mit ihnen befassen. Ein Wiederaufbau
ohne Rücksicht auf diese Verpflichtungen würde verkehrt sein
und ein Omen für ein zukünftiges Unglück darstellen.
lch möchte in Verbindung mit dieser Politik folgendes betonen:
Wir waren alle durch das Wiederaufleben der sowjetischen Bestrebungen
erschüttert, das Leben der Berliner Bevölkerung durch Unterbrechungen
und Verlangsamung des normalen Verkehrs zwischen den Westzonen und der
Stadt zu erschweren. Es ist völlig klar, Proteste oder Entrüstungserklarungen
über das Sinnlose dieser Hartherzigkeit zu machen auf diejenigen,
die diese Maßnahmen durchführen, keinen Eindruck.
Ich beabsichtige nicht, zu drohen oder über besondere Maßnahmen
zu sprechen, die die Kommission gemeinsam mit der Bundesrepublik ergreifen
könnte, falls diese Lage andauert. Ich möchte nur hinzufügen,
daß auch die gegenwärtige Bedrohung nicht mehr Erfolg haben
wird, als die vorhergehende. Was auch immer die Hochkommissare und die
Bundesrepublik für notwendig erachten, um der Stadt zu helfen und
die Wirkung dieser Einmischung zu zerstören, wird, das weiß
ich, von der Bevölkerung der Vereinigten Staaten unterstützt
werden.
Ich rnöchte gleichfalls noch ein paar Worte zur Saarfrage sagen.
Welche Lösung auch getroffen wird, sie darf keinesfails dem großen
ZieI der Teilnahme Deutschlands an der Organisation Westeuropas im Wege
stehen. Eine vernünftige staatsmännische Lösung kann
sehr wohl gefunden werden, und es steht zu viel auf dem Spiel, um es
zuzulassen, daß dieses Problem wiederum zum Ausgangspunkt für
interne politische Manöver wird, die nur dazu führen können,
ein bitteres französisch - deutsches Mißverständnis
hervorzurufen.
Was auch immer unsere Politik anstrebt und unsere Unterstützung
darstellt, es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß das
deutsche VoIk allein den Schlüssel für seine eigene friedliche
und gedeihliche Zukunft in den Händen hält. Es muß sich
daher seine Stellung in der Welt sehr genau überlegen.
Mit Recht sind die Deutschen auf die Weltstellung solcher Leute wie
Goethe und Beethoven stolz. Diese Männer dachten nicht in Begriffen
wie Frankfurt, Bonn, Stuttgart, Hamburg oder selbst Deutschland. Sie
waren Weltmänner. Heutzutage, nach einem Unglück von derartig
gewaltigen Ausmaßen, wie der zweite Weltkrieg, gibt es in Deutschland
außerordentliche Möglichkeiten für eine neue Bewertung
der Dinge und einen Bruch mit den Gewohnheiten, die bisher zu Elend
und Unglück führten.
Die Zukunft Deutschlands ist keine Frage von örtlicher, nationaler
Bedeutung. Sie ist mit einem Teil eines großen Weltproblems eng
verbunden. Sie erfordert Reife der Gedanken und der Ausdrucksweise sowie
Festigkeit des Handeins. Deutschland kann sich eine Stellung in der
Welt erwerben, indem es ein Anzeichen eines wiedergeborenen Geistes
zeigt, der bei allen Völkern der freien Welt ein breites Echo finden
würde.
Auf diese Weise kann Deutschland eine Steliung in der Welt erringen,
wie sie durch keinerlei politische Manöver zwischen zwei Weltmächten
geschaffen werden könnte.
Diese Vorsteliung von der Welt und ein weltweites Verantwortungsbewußtsein
müssen von Politikern, Pädagogen, Geistlichen und Philosophen
im neuen Deutschland vermitteit werden. Das ist das genaue Gegenteil
von dem Gedanken der Weltherrschaft, mit dem falsche Führer das
deutsche Volk bis an den Rand der Zerstörung und des Zerfalls gebracht
haben.
Noch eine Mahnung möchte ich, wenn ich es wagen darf, aussprechen.
Ich sage es mit dem Nachdruck, den mir die Erfahrung in meinem eigenen
Lande gibt. Wenn selbst die Bevölkerung der USA mit ihrer Iangen
demokratischen Überlieferung ständing wachsam bleiben muß,
dann muß das deutsche Volk, das erst vor so kurzer Zeit den vielleicht
übelsten Mißbrauch der persönlichen Freiheit in der
Geschichte überhaupt überwunden hat, erst recht dauernd auf
der Hut sein. Es ist von größter Bedeutung, daß jeder
Deutsche, und nicht nur wenige beherzte, seiner eigenen Verantwortlichkeit
für den Schutz der Bürgerrechte und für die Handhabung
des Gerichtswesens bewußt ist. Es ist so leicht, die Dinge treiben
zu lassen und die Anzeichen der Gefahr zu übersehen, bis dann nur
noch Helden und Märtyrer den aufgestauten Kräften der Unterdruckung
Widerstand zu leisten wagen.
lch möchte an dieser Stelle betonen, daß eines der Hauptziele
der Besatzung war und ist, Nazi-Einflüsse und die Naziführung
aus dem deutschen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben
auszumerzen. Dieser Grundsatz ist im Grundgesetz und in den Landerverfassungen
festgelegt. Die Bundesregierung und die Landesregierungen haben die
Pflicht, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um das deutsche Volk
gegen ein Wiederaufieben des Nazismus in jeglicher Form zu schützen.
Wir werden mit allen zusammenarbeiten und alle unterstützen, die
ehrlich und gewissenhaft dieses ZieI verfolgen. Andererseits aber werden
wir jedoch nicht zögern, unsere ganze Macht und unseren Einfluß
aufzubieten, um jegliche umstürzlerische Bestrebung, die die Wiedergeburt
des Nazismus im deutschen Leben gutheißt oder fordert, aufzudecken
und ihr entgegenzutreten. Wenn das deutsche Volk seinen Platz in der
Gemeinschaft der freien Völker wieder einnehmen will, dann muß
es seinen Willen beweisen, auf einer ehrlichen und energischen Durchführung
dieser Politik zu bestehen.
Im Leben jeder Nation gibt es kritische Perioden der Entscheidung. Heute,
fünf Jahre nach dem Kriege, ist eine solche Zeit für Deutschland
gekommen; wenn das deutsche Volk die Gelegenheit voll ergreift, wird
es den Weg zur Einheit, der Vereinigung Deutschlands finden. Und es
wird von den demokratischen Vöikern des Westens voll unterstützt
werden."
(Amerika Dienst,
7. Februar 1950)
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