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Rede von John J. McCloy bei der Eröffnungsfeier des Amerika Hauses Stuttgart, Stuttgart, February 6, 1950

 

"Ich schätze mich glücklich, heute in Stuttgart an der Eröffnung der neuen Räumlichkeiten des Amerika-Hauses teilnehmen zu können. Es ist wohl angebracht, gleich zu Beginn festzustellen, welchen Zwecken dieses Haus dienen soll.

Um es mit einfachen Worten zu sagen: Dieses Gebäude soll ein Treffpunkt sein, wo Männer und Frauen mit lnteressengebieten und Informationen vertraut werden können, die sich im allgemeinen, wenn auch keineswegs ausschließlich, auf die Gedankenwelt und das Leben des amerikanischen Volkes beziehen.

Das Amerika-Haus ist kein Haus der Propaganda. Hier können freie Männer und freie Frauen ihre Ansichten austauschen. Hier haben sie die Möglichkelt, zu lernen und sich untereinander zu verständigen. Vor allem aber ist es ein Treffpunkt junger Menschen. lm Amerika-Haus werden Sie einer Atmosphäre begegnen, wie sie das Wesen eines jungen Volkes ausstrahlt.

Wiederholt ist angedeutet worden, daß die Kultur der Vereinigten Staaten im Vergleich zu der verfeinerten Kultur des älteren Europa manches zu wünschen übrig lasse. lch möchte nicht sagen, daß die amerikanische Kultur der europäischen überlegen ist oder daß wir Amerikaner nicht viel von den alten Kulturen zu lernen hätten. lch hoffe jedoch zuversichtlich, daß Sie bei lhren Besuchen im Amerika-Haus einiges von der umfassenden Gedankenwelt und den gewaltigen Energien erkennen, die die Vereinigten Staaten heute verkörpern. Hier können Sie einen Begriff davon erhalten, was eine junge Nation erreichen kann, welche unter einer fest verankerten Verfassung mit ihren Nachbarn in Frieden lebt. Dieses System gestattet eine volle Entfaltung der Wirtschaft, Wissenschaft und Religion des Landes, ohne daß hierdurch die persönliche Freiheit unterdrückt wird.

lm Amerika-Haus, so hoffe ich, werden Sie in Büchern, Zeitschriften und anderen Informationsquellen ein Spiegeibild der Leistungen eines Volkes finden, das sich der Freiheit des Gedankens und des Ausdrucks, der freien Rede und einer freien Presse erfreut. Nicht alles ist blindlings zu bewundern und nachzuahmen. Es steht ihnen zur Verfügung, um beurteilt und nach seinem wahren Gehalt bewertet zu werden. Es erfordert natürlich mehr als dieses Haus, Amerika darzustellen oder zu verstehen. Die amerikanische Universität ist beispieisweise nicht nur eine Stätte der Wissenschaftler und der Forschung. Sie ist ein großes Trainingsfeld des demokratischen Gedankens. In den amerikanischen Universitäten werden Hunderttausende von Studenten aus allen Teilen der Bevölkerung mit der umfassenden Geschichte der internationalen Zivilisation vertraut gemacht. Nicht aIle werden Doktoren, Rechtsanwälte, Lehrer oder Beamte. Die meisten kehren zu ihren Farmen oder zur lndustrie und Wirtschaft zurück. Diese Eigentümlichkeit muß beachtet und gewertet werden, genauso wie die amerikanischen Methoden der wissenschaftlichen Ausbildung und Forschung.

Wie auch immer Sie ihr Wissen durch einen Besuch im Amerika Haus bereichern können, Sie sollen das dort befindliche Material nach Belieben verwenden. Wir hoffen, daß Sie sich im Amerika-Haus wohlfühlen werden. Die Einweihung dieses Hauses in Stuttgart gibt mir auch Gelegenheit, ihnen über meine kürzliche Reise nach den Vereinigten Staaten zu berichten. Ich möchte Ihnen einiges von den Eindrücken wiedergeben, die ich dort von der Bevölkerung und von der Regierung empfangen habe. Ich möchte ferner in möglichst einfacher Form gewisse Grundsätze der amerikanischen Deutschlandpolitik wiederholen.

Wie Sie wissen, bin ich in die USA zurückgekehrt, um mit dem Präsidenten, mit den speziell mit der Außenpolitik vertrauten Kongreßmitgliedern und mit anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Besprechungen zu führen. Des weiteren konnte ich durch den Rundfunk und auf andere Weise zu einem sehr großen Teil des amerikanischen Volkes sprechen. In den vergangenen zwei Wochen habe ich nicht nur Fragen beantwortet, die mir der Präsident, der Außenminister, die Mitglieder des Kongresses, Zeitungsverleger und Redakteure, Reporter und Leitartikler vorlegten, sondern als Diener der Öffentlichkeit stand ich auch vor Hunderten von Menschen in Washington, New York und Boston, um ihnen in anerkennenden Worten die Entwicklung in Deutschland zu schildern und ihre Fragen zu beantworten. Mir haben diese Begegnungen viel gegeben, und von ihnen ermutigt komme ich hierher zurück. Darf ich offen und freundlich dieses gesunde, wenn auch recht anstrengende Verfahren dem deutschen Volke und seinen Beamten empfehlen? Es würde für uns alle von Nutzen sein.

Mein tiefster Eindruck von meinem Amerika-Besuch ist das Iebhafte, große Interesse an Deutschland. Auf den ersten Seiten unserer Zeitungen sind fast täglich Berichte aus Deutschland zu finden. Unsere öffentlichen Organisationen widmen dem deutschen Problem viel Zeit, und die Gründe dieser Anteilnahme sind Ieicht zu verstehen. Die Bevölkerung der USA hat außerordentlich große Mittel an Menschen und Material aufgewendet, um Hitler zu besiegen, den Nazismus zu vernichten und in Deutschland wieder ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.
Seit Generationen haben deutsche Aggressionen die Bevölkerung Amerikas und, wie ich glaube, auch die anderer Lander, tief berührt. Sie ist über jedes Anzeichen des Wiederauflebens jener Krafte beunruhigt, die zur Nazi Herrschaft geführt haben. Sie weiß, daß Deutschland in dem Europa und der Welt von heute ein entscheidender Faktor ist.

Unter der unendlichen Vielfalt von Fragen, die mir gestellt wurden, kehrten einige wenige immer wieder. Im folgenden gebe ich lhnen die Hauptlinie, auf der sich diese Fragen bewegten:
Wie sind die Aussichten für ein Wiederaufleben des Nazismus? Von welcher Bedeutung sind die nationalistischen Tendenzen? Wer steckt hinter diesen Bestrebungen? Was wollen gewisse deutsche Regierungsvertreter mit ihren wiederholten nationalistischen Äußerungen erreichen? Wie stark sind die Parteien der extremen Rechten und der äußersten Linken? Was fangen das deutsche Volk und die Behörden mit diesen Parteien an? Wie stark ist der Wille zur Demokratie und der Wille zum Frieden in Deutschland? Sind die Deutschen aufrichtig am Beitritt zur westeuropäischen Völkergemeinschaft interessiert? Arbeiten einflußreiche Gruppen und Einzelpersonen daran, Deutschland zu einem friedlichen demokratischen Staat zu machen? Wie lange wird es dauern, bis man vom Entstehen eines gesunden und friedlichen Staatswesens überzeugt sein kann?

Das alles waren Fragen, in denen sich tiefste Besorgnis äußerte. Aber so häufig diese Fragen auch wiederkehrten, so gab es doch auch Fragen wie die folgenden: Wie können wir den Deutschen beim Wiederaufbau helfen? Was können wir Privatleute und private Organisationen tun, um den Deutschen bei der Bewältigung der großen vor ihnen liegenden Probleme zu helfen? Anders ausgedrückt: Neben tiefer Besorgnis über Deutschland gab es, wie ich ausdrücklich wiederholen möchte, Hoffnung und erstaunliche Hilfsbereitschaft. Darüber hinaus erschüttert mich immer wieder die große Anzahl von Menschen in den Vereinigten Staaten viele Deutsche und viele Amerikaner die selber oder deren Angehörige unter den barbarischen Nazis zu leiden hatten und die trotzdem gewillt sind, Deutschland zu unterstützen.

lch nehme an, Sie wissen, wie ich diese Fragen beantwortet habe. Ich erklärte dem amerikanischen Volk, daß ich über das Wiederaufleben nationalistischer Gruppen besorgt bin, daß es meiner Ansicht nach im deutschen Leben noch zu viel Traditionsgebundenheit und Autoritätsbedürfnis gibt, daß zahlreiche unerwünschte frühere Nazis und Nationalisten ihren Weg in wichtige Positionen zurückgefunden haben, daß es Widerstände gegen längst fällige Reformen gibt und daß zu viele Deutsche bei der Übernahme ihrer politischen Verantwortung apathisch sind und eine negative Haltung einnehmen. Ich sagte jedoch auch, daß meiner Ansicht nach das Gesamtbild eher positiv als negativ ist. Ich wies daraufhin, daß es heute in Deutschland eine durch freie Wahlen entstandene Regierung und ein Parlament gibt, daß im öffentlichen Leben ausgezeichnete Männer zu finden sind, die sich voll Ernst für die Freiheit einsetzen, daß es in den Ländern ein Ansteigen fortschrittlicher Gesetzgebung gibt, daß die deutschen Zeitungen eine wachsende Wachsamkeit und ein Bemühen, der Bevölkerung die Tatsachen vor Augen zu halten, aufzeigen.

Ich erklärte, es sei meine Überzeugung, daß die große Mehrheit des deutschen Volkes den Frieden wünscht und die Remilitarisierung Deutschlands bedauern würde, daß sie an die Einheit Westeuropas glaubt und daß sie sich als verantwortlichen Teil Westeuropas betrachtet.
Ich erwähnte einige der großartigen Persönlichkeiten, die ich während der Zeit, seit ich hier bin, getroffen habe und die mir in meinen Ansichten über die Zukunft des Landes Mut machten. Ich habe die Gefahren in Deutschland nicht verkleinert. Ich wies darauf hin, daß die Millionen Flüchtlinge, die heimatlose Jugend und die Erwerbslosen diese Gefahr vergrößern. Ich sagte, daß die Extremisten der deutschen Rechten und die Kommunisten der Linken unter ihren oberflächlichen Unterschieden im Totalitarismus vereint sind und daß sie nicht zögern würden, die Not dieser Gruppen für ihre Ziele auszunutzen.

Nun möchte ich noch ein paar allgemeine Punkte klarstellen. Erstens, daß die Vöiker des Westens sich in bezug auf Deutschland einig sind. Es gibt Meinungsverschiedenheiten und Verschiedenheiten der Interessen, die von Zeit zu Zeit auftreten. Das Hauptziel der Bevölkerung und der offiziellen Vertreter der drei Besatzungsmächte ist jedoch dasselbe. Alle sind Mitglied der westlichen Welt, alle suchen den Frieden, und alle suchen die Freiheit. Darüber hinaus sind die westlichen Völker durch äußerst lebendige Erinnerungen an gemeinsame Opfer, die auf zahlreichen Gebieten geleistet wurden, miteinander verbunden. Kurz gesagt, es besteht wenig Wahrscheinlichkeit für große Diskrepanzen, und es besteht große Wahrscheinlichkeit für die Beibehaltung der kollektiven wechselseitigen Unterstützung auch für ein friedliches Deutschland.

Zweitens kann ich ein paar Worte über den Gegenstand "Kollektiv-Schuld" sagen. Es ist ein Begriff, über den sehr viel Tinte verbraucht worden ist, und ich zögere, weil ich die Abneigung der Politiker kenne, diesem Gegenstand nahe zu kommen oder ihn auch nur zu erwähnen. Es hat keinen Zweck, gegen Windmühlen anzukämpfen. Niemand, am wenigsten die Bevölkerung der Vereinigten Staaten, lädt allen Deutschen die Verantwortung für die Verbrechen Hitlers auf. lhr enormes Ausmaß allein würde dies ausschließen. Niemand verlangt Selbstbezichtigungen oder einen Canossagang.

Was ich jedoch erwarte, ist Schluß mit dem Gerede jener Deutschen, die nicht nur ihre eigene Schuld leugnen, sondern auch die Verantwortung für die Folgen dieser Schuld auf die Fehler anderer Völker schieben wolIen. Gewisse Redner dieses Landes haben in der letzten Zeit die Tendenz gezeigt, mit einem Sprung von der Verleugnung der Kollektiv-Schuld zu der Behauptung zu kommen, daß andere Völker und Länder für die Nachkriegsschwierigkeiten- und probleme Deutschlands verantwortlich sind.

In allem Ernst möchte ich klarmachen, daß solche Äußerungen Deutschland unabsehbaren Schaden bringen und seinen Interessen widersprechen. Sie legen damit ein tiefes Mißverständnis für die Ereignisse der letzten siebzehn Jahre an den Tag. Sie bringen das in Erinnerung, was man jetzt leicht vergißt, nämlich die erstaunliche Duldsamkeit und Billigung des größeren Teils der deutschen Bevölkerung gegenüber den Auswüchsen der Nazis. Denn es waren nun einmal diese Auswüchse, die die Not, die Deutschland nunmehr erleidet, und vieles mehr mit sich brachten. Demut führt zu Stärke und nicht zu Schwäche. Es ist die höhste Form der Selbstachtung, Fehler einzugestehen und sie auszumerzen.

In dieser für die deutsche und die Weltgeschichte bedeutungsvollen Zeit haben die Deutschen und ihre führenden Männer gute Gelegenheit zu beweisen, daß sie aus den Lehren der Vergangenheit gelernt haben. Sie können ihren guten Willen beweisen, indem sie auf demokratische Art die sehr ernsten, aber nicht unüberwindlichen innenpolitschen Probleme lösen, denen sie jetzt gegenüberstehen. Die Agitation in außenpolitischen Fragen, wie reizvoll sie auch immer sein mögen, kann niemals die Aufmerksamkeit von lebenswichtigen inneren Problemen und der dringenden Notwendigkeit für innere Reformen ablenken.

In den kommenden Monaten müssen das deutsche Volk, seine Regierung und sein Parlament sich mit den Problemen der Arbeitslosigkeit, der Flüchtlinge und der Jugend befassen. Dies sind die Hauptprobleme.

Wenn diese ProbIeme in wahrhaft staatsmännischer Weise angepackt werden, wenn die politischen Führer der Deutschen immer daran denken, daß alles, was sie sagen, die Weltöffentlichkeit ebenso erreicht wie die unmittelbaren Zuhörer, dann werden sie der Lösung der Probleme näher kommen, und Deutschland wird erkennen, daß das amerikanische Volk und seine Vertreter hier ihnen bei der Lösung der Aufgabe helfen wollen.

Die westlichen Nationen haben sich bereits in bisher ungekannter Weise zu helfen bemüht. Die Hochkommissare sind bereit, zusammen mit der Bundes und den Landesregierungen Mittel und Wege zu suchen und zu überprufen, die zu der Lösung dieser Probleme beitragen.
Ich kann mindestens von mir aus sagen, daß beispielsweise die Arbeitslosigkeit nicht ausschließlich ein deutsches Problem ist, denn zumindest ist es allein schon durch den Zustrom der Leute, die vor dem Ostterror fliehen, sehr erschwert. Angesichts der Tatsache, daß die Vereinigten Staaten bereits so viel zur Unterstützung Deutschlands getan haben, ist es schwierig, sich vorzustellen, was man in dieser Hinsicht von uns noch verIangen kann. Trotzdem sind wir bestimmt zur äußersten Zusammenarbeit bereit, wenn von deutscher Seite stärkste Anstrengungen gezeigt werden.

Lassen Sie mich jedoch nachdrücklich feststellen, und dies sage ich vor allem den politischen Führern in Deutschland: Wir Amerikaner sind nicht ausschließlich hier, um das deutsche VoIk zu ernähren und die wirtschaftliche Erholung zu fördern. Wir wollen auch nicht nur dafür sorgen, daß keine Panzer und Flugzeuge gebaut werden. Unser Hauptzweck ist es, Deutschland zu helfen, den politischen Wiederaufbau zu vollenden. Damit meine ich, daß wir dem deutschen Volk helfen, eine politische Demokratie zu errichten, in der die Deutschen als freie Menschen leben und die Früchte dieser Freiheit genießen können. Dies ist meine Antwort für jene, die hie und da sagen, daß wir kein Recht hätten, uns in die politischen Probleme, denen sich Deutschland gegenübersieht, einzumischen.

Und nun haben Sie wohl ein Anrecht darauf, gewisse Richtlinien der gegenwärtigen arnerikanischen Politik kennenzulernen. Vor etwas mehr als drei Jahren hat der damalige amerikanische Außenminister J.F. Byrnes in dieser Stadt einen für das deutsche Volk ermutigenden Ton angeschlagen. lndem ich die folgenden Feststellungen treffe, möchte ich zu jener Hoffnung noch Weiteres hinzufügen. Hier sind die wesentlichen Prinzipien unserer Deutschlandpolitik, wie ich sie sehe:

Das deutsche Volk muß in die Lage versetzt werden, seine politische Unabhängigkeit auf demokratischer Grundlage und in enger Zusammenarbeit mit den freien Völkern Westeuropas zu entwickeln. Das deutsche Volk muß in ein freies Europa integriert werden. Das deutsche Volk muß, wenn es und seine Regierung ihre Bereitschaft und ihr Verantwortunsbewußtsein bewiesen haben, voller Anteil an den wirtschaftlichen Vorteilen des freien Europa erhalten und entsprechende Verpflichtungen dafür übernehmen.

Das deutsche Volk und die deutsche Regierung müssen selbst wachsenden aktiven Anteil an der politischen und wirtschaftlichen Organisierung Europas nehmen. Es kann Deutschland nicht gestattet werden, politische Verhältnisse zu entwickeln oder einen militarischen Status zu schaffen, der andere Nationen oder den Weltfrieden bedroht. Das heißt, es wird keine deutsche Armee oder Luftwaffe geben. Die deutsche Sicherheit wird am besten durch eine deutsche Beteiligung an der enggewobenen westeuropäischen Gemeinschaft gewährleistet werden.
Das deutsche Volk muß in Anbetracht der vorangegangenen Überlegungen größte Freiheit haben, um seine Zukunft zu gestalten. Die von den Besatzungsbehörden ausgeübten Kontrollen sollten in einer Weise angewendet werden, die eine volle Entfaltung des deutschen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens nicht behindert.

Volle Unterstützung und Förderung wird den demokratischen Kräften in Deutschland zuteil werden. Die im Besatzungsstatut vorbehaltenen Vollmachten sind verfügbar und dafür bestimmt, jedes Wiederaufleben ultranationalistischer oder antidemokratischer Kräfte, die den Frieden Europas bedrohen würden, zu verhindern.

Die Entwicklung der Deutschen Bundesrepublik wird auch weiterhin voll unterstützt werden. Es wird alles getan werden, um das Ziel der Einheit Deutschlands auf demokratischer und föderativer Grundlage zu erreichen. Trotz aller Hindernisse werden wir auch weiterhin nach einem Weg suchen, um diese Einheit zu fördern.

Berlin, das bei den freien Völkern der Welt einen solchen positiven Widerhall gefunden hat, wird auch in Zukunft die Hilfe und Unterstützung der Vereinigten Staaten erhalten. Der Geist und die Stärke dieser Stadt kann dem neuen Deutschland Kraft und Leben geben, und alle Maßnahmen, sie der Bevölkerung Westdeutschlands näher zu bringen werden wir fördern. Es entspricht der amerikanischen Politik, faires Handelsgebaren durch ein Dekartellisierungsprogramm und durch die Dezentralisierung der Industrie zu fördern. Es entspricht weiterhin der amerikanischen Politik, allen Personen und Organisationen, die durch rassische oder politische Diskriminierung während der Nazizeit ihres Eigentums beraubt wurden, dieses Eigentum zurückzuerstatten oder ihnen eine adäquate Entschadigung zukommen zu lassen. Es entspricht der amerikanischen Politik, daß alle Personen, die aus rassischen, ideologischen oder religiösen Gründen von den Nazis verfolgt wurden und körperliche Schäden oder Verletzungen erlitten, entschädigt werden. lhre Schäden können niemals wieder gutgemacht werden. Aber ohne Ausreden oder Ausflüchte muß man ihnen mit allem Anstand gegenübertreten und sich mit ihnen befassen. Ein Wiederaufbau ohne Rücksicht auf diese Verpflichtungen würde verkehrt sein und ein Omen für ein zukünftiges Unglück darstellen.

lch möchte in Verbindung mit dieser Politik folgendes betonen: Wir waren alle durch das Wiederaufleben der sowjetischen Bestrebungen erschüttert, das Leben der Berliner Bevölkerung durch Unterbrechungen und Verlangsamung des normalen Verkehrs zwischen den Westzonen und der Stadt zu erschweren. Es ist völlig klar, Proteste oder Entrüstungserklarungen über das Sinnlose dieser Hartherzigkeit zu machen auf diejenigen, die diese Maßnahmen durchführen, keinen Eindruck.

Ich beabsichtige nicht, zu drohen oder über besondere Maßnahmen zu sprechen, die die Kommission gemeinsam mit der Bundesrepublik ergreifen könnte, falls diese Lage andauert. Ich möchte nur hinzufügen, daß auch die gegenwärtige Bedrohung nicht mehr Erfolg haben wird, als die vorhergehende. Was auch immer die Hochkommissare und die Bundesrepublik für notwendig erachten, um der Stadt zu helfen und die Wirkung dieser Einmischung zu zerstören, wird, das weiß ich, von der Bevölkerung der Vereinigten Staaten unterstützt werden.

Ich rnöchte gleichfalls noch ein paar Worte zur Saarfrage sagen.
Welche Lösung auch getroffen wird, sie darf keinesfails dem großen ZieI der Teilnahme Deutschlands an der Organisation Westeuropas im Wege stehen. Eine vernünftige staatsmännische Lösung kann sehr wohl gefunden werden, und es steht zu viel auf dem Spiel, um es zuzulassen, daß dieses Problem wiederum zum Ausgangspunkt für interne politische Manöver wird, die nur dazu führen können, ein bitteres französisch - deutsches Mißverständnis hervorzurufen.

Was auch immer unsere Politik anstrebt und unsere Unterstützung darstellt, es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß das deutsche VoIk allein den Schlüssel für seine eigene friedliche und gedeihliche Zukunft in den Händen hält. Es muß sich daher seine Stellung in der Welt sehr genau überlegen.

Mit Recht sind die Deutschen auf die Weltstellung solcher Leute wie Goethe und Beethoven stolz. Diese Männer dachten nicht in Begriffen wie Frankfurt, Bonn, Stuttgart, Hamburg oder selbst Deutschland. Sie waren Weltmänner. Heutzutage, nach einem Unglück von derartig gewaltigen Ausmaßen, wie der zweite Weltkrieg, gibt es in Deutschland außerordentliche Möglichkeiten für eine neue Bewertung der Dinge und einen Bruch mit den Gewohnheiten, die bisher zu Elend und Unglück führten.

Die Zukunft Deutschlands ist keine Frage von örtlicher, nationaler Bedeutung. Sie ist mit einem Teil eines großen Weltproblems eng verbunden. Sie erfordert Reife der Gedanken und der Ausdrucksweise sowie Festigkeit des Handeins. Deutschland kann sich eine Stellung in der Welt erwerben, indem es ein Anzeichen eines wiedergeborenen Geistes zeigt, der bei allen Völkern der freien Welt ein breites Echo finden würde.

Auf diese Weise kann Deutschland eine Steliung in der Welt erringen, wie sie durch keinerlei politische Manöver zwischen zwei Weltmächten geschaffen werden könnte.

Diese Vorsteliung von der Welt und ein weltweites Verantwortungsbewußtsein müssen von Politikern, Pädagogen, Geistlichen und Philosophen im neuen Deutschland vermitteit werden. Das ist das genaue Gegenteil von dem Gedanken der Weltherrschaft, mit dem falsche Führer das deutsche Volk bis an den Rand der Zerstörung und des Zerfalls gebracht haben.

Noch eine Mahnung möchte ich, wenn ich es wagen darf, aussprechen. Ich sage es mit dem Nachdruck, den mir die Erfahrung in meinem eigenen Lande gibt. Wenn selbst die Bevölkerung der USA mit ihrer Iangen demokratischen Überlieferung ständing wachsam bleiben muß, dann muß das deutsche Volk, das erst vor so kurzer Zeit den vielleicht übelsten Mißbrauch der persönlichen Freiheit in der Geschichte überhaupt überwunden hat, erst recht dauernd auf der Hut sein. Es ist von größter Bedeutung, daß jeder Deutsche, und nicht nur wenige beherzte, seiner eigenen Verantwortlichkeit für den Schutz der Bürgerrechte und für die Handhabung des Gerichtswesens bewußt ist. Es ist so leicht, die Dinge treiben zu lassen und die Anzeichen der Gefahr zu übersehen, bis dann nur noch Helden und Märtyrer den aufgestauten Kräften der Unterdruckung Widerstand zu leisten wagen.

lch möchte an dieser Stelle betonen, daß eines der Hauptziele der Besatzung war und ist, Nazi-Einflüsse und die Naziführung aus dem deutschen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben auszumerzen. Dieser Grundsatz ist im Grundgesetz und in den Landerverfassungen festgelegt. Die Bundesregierung und die Landesregierungen haben die Pflicht, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um das deutsche Volk gegen ein Wiederaufieben des Nazismus in jeglicher Form zu schützen.

Wir werden mit allen zusammenarbeiten und alle unterstützen, die ehrlich und gewissenhaft dieses ZieI verfolgen. Andererseits aber werden wir jedoch nicht zögern, unsere ganze Macht und unseren Einfluß aufzubieten, um jegliche umstürzlerische Bestrebung, die die Wiedergeburt des Nazismus im deutschen Leben gutheißt oder fordert, aufzudecken und ihr entgegenzutreten. Wenn das deutsche Volk seinen Platz in der Gemeinschaft der freien Völker wieder einnehmen will, dann muß es seinen Willen beweisen, auf einer ehrlichen und energischen Durchführung dieser Politik zu bestehen.

Im Leben jeder Nation gibt es kritische Perioden der Entscheidung. Heute, fünf Jahre nach dem Kriege, ist eine solche Zeit für Deutschland gekommen; wenn das deutsche Volk die Gelegenheit voll ergreift, wird es den Weg zur Einheit, der Vereinigung Deutschlands finden. Und es wird von den demokratischen Vöikern des Westens voll unterstützt werden."

(Amerika Dienst, 7. Februar 1950)

 
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Aktualisiert: August 2001