Ich bin einer der
Gründungsväter der amerikanischen Botschaft. 1934 wanderte
ich von Deutschland in die Vereinigten Staaten aus, nachdem die Naziherrschaft
immer unerträglicher für mich wurde. lch war Beamter in Potsdam,
und der von den Nazis verlangte Ariernachweis ergab, daß meine
Großmutter eine Nichte Felix Mendelssohn-Bartholdys war. Obwohl
sie getaufte Christin war, zeugte ihr Name doch unzweifelhaft von jüdischer
Abstammung, und ich verlor meine Regierungsanstellung. Nachdem ich mein
Juraexamen in Yale bestanden hatte, wurde ich 1941 amerikanischer Staatsbürger
und ein Jahr später zur Armee eingezogen. Nach meiner Entlassung
1946 kehrte ich als Mitarbeiter der Rechtsabteilung der amerkanischen
Militärregierung nach Deutschland zurück. Aufgrund meiner
Ausbildung in deutschem als auch amerikanischem Recht war ich entschlossen,
bei der Wiederherstellung des deutschen Rechtssystems zu helfen. Ironischerweise
war es eine meiner ersten Aufgaben, Naziverordnungen aus deutschen Gesetzen
zu entfernen. Diese Gesetze waren genau der Grund gewesen, warum ich
Deutschland verlassen hatte.
Ich glaube, daß es John McCloys größter Beitrag zur
deutschen und europäischen Geschichte war, früh und entschieden
eine Rückkehr Deutschlands zur Souveränität zu unterstützen.
Gründe hierfür waren wahrscheinlich seine Erinnerungen an
Versailles und die frühen zwanziger Jahre sowie seine eigenen Verbindungen
zu Deutschland. Die Großväter seiner Frau und von Frau Adenauer
waren Brüder. Frau Adenauers Großvater war mit seinen Brüdern
nach Amerika ausgewandert, aber später nach Köln zurückgekehrt.
Während McCloys Zeit in Deutschland wurde über diese Verbindung
der Mantel des Schweigens gelegt, da es weder für McCloy noch für
Adenauer besonders hilfreich gewesen wäre, wenn der Eindruck der
Begünstigung entstanden wäre.
Bevor die Botschaft 1951 erbaut wurde, kamen viele unserer Mitarbeiter
mit dem Auto von Frankfurt, um an den wöchentlichen Treffen der
Hohen Kommission auf dem Petersberg teilzunehmen. Einer der wichtigsten
historischen Augenblicke ereignete sich im November 1949, als das sogenannte
Petersberger Protokoll von den drei Westalliierten und Adenauer unterschrieben
wurde. Dies war das erste Mal seit dem Krieg, daß Deutschland
als gleichberechtigter Partner behandelt wurde. Es setzte dem Abbau
der Stahlindustrie und anderer lndustrien ein Ende und brachte Deutschland
nicht nur auf den Weg zur Souveränität, sondern auch zur Erholung
seiner Wirtschaft. Drei Jahre später, 1952, wurde die Bonner Konvention,
die das Ende der Besatzung beinhaltete, unterzeichnet. Sie trat aber
nicht vor 1955 in Kraft, da die Franzosen sich weigerten, den mit der
Konvention verbundenen Vertrag über den europäischen Verteidigungspakt
(EDC European Defense Community) zu unterzeichnen. Der britische Premierminister
Eden Iöste später dieses Problem, indem er vorschlug, daß
Deutschland ein Mitglied der NATO werden solle und die Bonner Verträge
von der Verbindung zur EDC befreit werden sollten. Während der
Feierlichkeiten anläßlich der Unterzeichnung des geänderten
Vertrages in Paris 1954 hatte ich die Ehre, Außenminister Dulles
die Unterlagen zur Unterschrift reichen zu dürfen. Ein Jahr später
war die Ratifikation letztlich vollständig und Deutschland wieder
ein souveräner Staat. Am 5. Mai 1955 war ich im Konferenzraum der
Botschaft anwesend, als das Besatzungsstatut aufgehoben wurde, und die
Bonner Konvention (im allgemeinen Sprachgebrauch Bonn-Paris-Verträge
genannt) in Kraft trat. Dieser Raum und nicht der Petersberg ist der
Ort, an dem die Alliierte Hohe Kommission zum letzten Mal zusammentrat
und in dem die Bundesrepublik das Licht den Welt erblickte. An diesem
Tag erlangte Deutschland nicht nur seine Souveränität zurück,
es wurde auch Mitglied der NATO. Dort wurde die Hohe Kommission zur
Botschaft und Hoher Kommissar Conant wurde unser erster Botschafter.
Alle Anwesenden spürten den Hauch der Geschichte. Der 5. Mai 1955
war den Höhepunkt meiner Laufbahn.
lch fühle mich
wahrlich geehrt, daß ich im Dienst den Vereinigten Staaten meinen
Beitrag zu diesem Unternehmen leisten konnte. Wie schon Außenminister
Byrnes 1946 in Stuttgart sagte, war es der Wunsch der amerikanischen
Bevölkerung, daß Deutschland wieder einen ehrenvollen Platz
unter den freien und friedliebenden Nationen erhalten sollte. Der Wunsch
der Menschen und die Vision ihrer Führer wurde erfüllt.
Dr.Joachim von EIbe war zwishen 1946 und 1969 Mitarbeiter in der
Rechtsabteilung der Militärregierung, der Hohen Kommission, und
der amerikanischen Botschaft. Der Text beruht auf Interviews, die Botschafter
Kornblum und Botschaftsmitglieder mit ihm führten.
Aus: A Vision Fulfilled. 50 Jahre Amerikaner am Rhein. United States
Embassy Bonn, 1949 -1999. Edited by Christine Elder and Elizabeth G.
Sammis. Published by United States Embassy Bonn.
© Department of State, 1999.
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