Im August 1958
kamen wir in Berlin an. Die Stadt war ruhig und grün. Im November
jedoch drohte die Lage kritischer zu werden, als Chruschtschow den westlichen
Alliierten sein Ultimatum stellte, innerhalb von sechs Monaten die Stadt
zu verlassen. Während der Zeit, in der er dieses Ultimatum stellte,
benötigten die Berliner starke Rückendeckung. Wir Amerikaner
waren hoch angesehen und wurden in jeder nur erdenklichen Art und Weise
willkommen geheißen. Der Regierende Bürgermeister Willy Brandt
tat sein Bestes in diesen sechs Monaten. Später kam es noch zu
einer Krise, die ihren Höhepunkt 1961 erreichte, als eine Flut
von Flüchtlingen nach Berlin kam. Einer der Gründe für
diese Flüchtlingswelle war die erzwungene Kollektivierung der Landwirtschaft
in der DDR, die dazu führte, daß Tausende von Bauernfamilien
den normalen Strom der Flüchtlinge verstärkten.
Die westlichen
Alliierten spekulierten darüber, was die DDR tun würde. Wir
wurden informiert, daß neue Personalausweise für ostdeutsche
Bürger gedruckt würden, auf denen verschiedene Farbcodes die
Heimatstädte der Bürger kennzeichneten. Dies hätte der
DDR Regierung erlaubt, Ost Berlin abzuschotten, indem man Nicht-Berlinern
den Zugang verwehrt hätte. Dies ist natürlich nicht das, was
tatsächlich geschehen ist. Was geschah, war, daß in der Nacht
von Samstag auf Sonntag, am 13. August 1961, die DDR Ost Berlin von
West Berlin abschnitt, zunächst mit Stacheldraht, dann mit einer
Mauer. Der Zeitpunkt hätte nicht besser gewählt werden können.
Präsident Kennedy machte Ferien in Hyannis Port, Premierminister
Wilson war in Nordengland, und de Gaulle war in seinem Landhaus in Frankreich.
Willy Brandt war auf einer Wahlveranstaltung in Westdeutschland.
Lassen Sie mich einige Geschehnisse dieser Zeit zurück ins Gedächtnis
rufen. Edward R. Murrow, der neue Direktor der US-Informationsbehörde,
kam in der Nacht des 12. August 1961 nach Berlin. Bevor ich zum Flugplatz
gehen konnte, um ihn zu empfangen, hatte ich zwei verwirrende Anrufe
bekommen, beide von Journalisten, die neu in Berlin waren. Beide waren
in Ostberlin gewesen und hatten eine ungewöhnlich große Zahl
von Volkspolizisten gesehen und die Spannung in der Luft gefühlt.
Als ich um Mitternacht nach Hause kam, hatte ich noch mehrere ähnliche
Anrufe. Um ungefähr 1:00 Uhr bekam ich einen Anruf, daß RIAS
im ostdeutschen Radio gehört habe, daß Ostdeutschland Aktionen
eingeleitet hätte, um seine Grenzen zu schützen einschließlich
der Grenze zwischen Ost und West Berlin. Bald erhielt ich Dutzende von
Telefonanrufen von Reportern, die berichteten, daß Stacheldraht
entlang der Grenze in der Innenstadt und wahrscheinlich noch an anderen
Stellen verlegt wurde und wie wütend die Menschen darüber
waren. In dieser Nacht kam ich nicht ins Bett.
Am Morgen nahm ich an einem deprimierenden Treffen mit den westlichen
Kommandanten und Willy Brandt teil, der die meiste Zeit der Nacht damit
verbracht hatte, zu versuchen nach Berlin zurückzukehren. Am Sonntagabend
traf ich Murrow, der noch stärker rauchte als gewöhnlich,
nachdem er sich entschieden hatte, ein persönliches Telegramm an
den Präsidenten zu senden, mit der Bitte, das Vertrauen der Berliner
Bevölkerung wiederherzustellen. Wir halfen dabei, eine Botschaft
zu entwerfen, die Murrow dann zu seiner eigenen machte, nach einer Stunde
an der Schreibmaschine. lch brachte diese Botschaft in den Kodierraum.
Noch heute glaube ich, daß dieses Telegramm den Präsidenten
dazu bewegt hat zu handeln. Er entsandte Vizepräsident Johnson
am folgenden Wochenende nach Berlin, der von General Lucius Clay, dem
Helden der Berliner Luftbrücke und 1.500 Soldaten einer Kampfeinheit
begleitet wurde. Die Soldaten kamen müde und unrasiert an und sahen
wie Kämpfer aus. Ihr Marsch durch Berlin war reines Theater.
General Clays Anwesenheit in Berlin, er blieb zehn Monate, war für
die Leute eine enorme Sicherheit. Sein gar nicht so geheimer Plan war
es, klar zu machen, daß die Sowjets weiterhin für ganz Berlin
verantwortlich waren. Die Gelegenheit hierzu ergab sich am 22. Oktober,
als der amerikanische Gesandte und seine Frau von Volkspolizisten am
Checkpoint Charlie festgehalten wurden. lch wurde benachrichtigt und
eilte hinüber. Clay überredete den Gesandten, Ostberlin, wenn
nötig mit einer bewaffneten Eskorte von Soldaten zu betreten mit
gezogenen Bajonetts. lch stieg ins Auto, und wir fuhren zweimal nach
Ost Berlin, jedesmal mit einer Eskorte. Ein ähnlicher Zwischenfall
einige Tage später am Checkpoint Charlie entwickelte sich zu einer
Panzer Konfrontation. Wir riefen unsere Panzer, und andere Panzer erschienen
aus dem Osten, sie standen sich Auge in Auge am Checkpoint gegenüber.
Die Panzerfahrer sprachen russisch, was die Presse auch prompt festhielt.
CIay hatte seinen Standpunkt klargemacht es waren immer noch die Russen,
die für die Dinge im Osten verantwortlich waren.
Albert Hemsing wurde in der Nähe von Wuppertal geboren. Er arbeitete
für die Office of War Information Film Division und für die
dem Marshallplan zugeordnete Filmabteilung. Seine Laufbahn bei USIS
schloß Ämter in England, Indien und Deutschland ein.
Aus: A Vision Fulfilled.
50 Jahre Amerikaner am Rhein. United States Embassy Bonn, 1949 - 1999.
Edited by Christine Elder and Elizabeth G. Sammis. Published by United
States Embassy Bonn.
© Department of State, 1999.
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