Die Legislative: Die Kompetenzen des Kongresses |
"Regieren beinhaltet die Macht, Gesetze zu erlassen."
Artikel I der Verfassung überträgt alle legislativen Kompetenzen der Bundesregierung auf einen in zwei Kammern – den Senat und das Repräsentantenhaus - unterteilten Kongress. Wie in der Verfassung festgelegt, besteht der Senat aus je zwei Vertretern eines Bundesstaats. Momentan gibt es 100 Senatoren. Die Mitgliederzahl des Repräsentantenhauses basiert auf den Bevölkerungszahlen jedes Bundesstaats und ist deshalb in der Verfassung nicht festgelegt. Die Zahl der Abgeordneten beträgt momentan 435.
Nach der Verabschiedung der Verfassung wurden die Senatoren mehr als 100 Jahre lang nicht direkt vom Volk, sondern von den Legislativen der Bundesstaaten gewählt und als Vertreter ihrer eigenen Heimatstaaten betrachtet. Ihre Aufgabe war es sicherzustellen, dass ihr jeweiliger Bundesstaat bei allen Gesetzen gleichberechtigt behandelt wird. Der 1913 verabschiedete 17. Verfassungszusatz legte die Direktwahl für den Senat fest.
Die Delegierten der verfassungsgebenden Versammlung argumentierten, wenn zwei verschiedene Gruppen – eine als Vertreter der Regierungen der Bundesstaaten und eine als Vertreter des Volkes – jedem eingebrachten Gesetz zustimmen müssen, könne es wenig Gefahr geben, dass der Kongress Gesetze in Eile oder ohne die gebotene Umsicht verabschiedet. Wie im britischen Parlament könnte immer eine Kammer die andere kontrollieren. Die Verabschiedung des 17. Verfassungszusatzes veränderte dieses Mächtegleichgewicht zwischen den beiden Kammern nicht maßgeblich.
Obwohl es in der Versammlung intensive Debatten über die Zusammensetzung und Befugnisse des Kongresses gab, waren viele Delegierte der Ansicht, dass die Legislative eher unwichtig sein würde. Einige meinten, der Kongress würde sich hauptsächlich mit Außenpolitik beschäftigen und innenpolitische Angelegenheiten den Regierungen der Bundesstaaten und Kommunen überlassen. Damit hatten sie sich ganz eindeutig geirrt. Der Kongress hat sich als überaus aktiv erwiesen und weitgehende Befugnisse in allen nationalen Belangen ausgeübt. Seine Stärke im Vergleich zur Exekutive war zu verschiedenen Zeitpunkten der amerikanischen Geschichte mal mehr und mal weniger ausgeprägt, aber der Kongress war nie lediglich dazu da, Entscheidungen des Präsidenten abzusegnen.
QUALIFIKATIONEN DER KONGRESSMITGLIEDER
Die Verfassung bestimmt, dass US-Senatoren mindestens 30 Jahre alt, seit mindestens neun Jahren amerikanische Staatsangehörige und Einwohner des Bundesstaates sein müssen, in dem sie gewählt werden. Mitglieder des Repräsentantenhauses müssen mindesten 25 Jahre alt, seit sieben Jahren amerikanische Staatsangehörige und Einwohner des Staates sein, in dem sie gewählt werden. Die Bundesstaaten können weitere Anforderungen für die Wahl zum Kongress aufstellen, aber die Verfassung überträgt jeder Kammer die Befugnis, die erforderlichen Qualifikationen ihrer Mitglieder festzulegen. Jeder Bundesstaat hat das Recht auf zwei Senatoren. Deshalb wird Rhode Island, mit einem Staatsgebiet von 3.156 Quadratkilometern der kleinste Bundesstaat, durch die gleiche Anzahl von Senatoren vertreten wie Alaska, der mit 1.524.640 Quadratkilometern größte Bundesstaat. Wyoming mit seinen schätzungsweise 480.000 Einwohnern wird durch ebenso viele Senatoren vertreten wie Kalifornien mit einer Bevölkerung von 32.270.000.
Die Gesamtzahl der Abgeordneten des Repräsentantenhauses wird vom Kongress bestimmt. Diese Anzahl wird anhand ihrer Bevölkerungsgröße auf die Bundesstaaten aufgeteilt. Unabhängig von seiner Bevölkerung garantiert die Verfassung jedem Bundesstaat mindesten einen Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Momentan werden sieben Staaten – Alaska, Delaware, Montana, North Dakota, South Dakota und Wyoming – lediglich durch einen Abgeordneten vertreten. Andererseits haben sechs Staaten mehr als 20 Abgeordnete – allein Kalifornien hat 52.
Die Verfassung sieht alle zehn Jahre eine Volkszählung vor und eine Neuverteilung der Sitze im Repräsentantenhaus je nach Veränderung der Bevölkerungszahlen. Gemäß der ursprünglichen Vorgaben der Verfassung sollte es nie mehr als einen Abgeordneten pro 30.000 Bürger geben. Das erste Repräsentantenhaus zählte 65 Abgeordnete. Diese Zahl wurde nach der ersten Volkszählung auf 106 erhöht. Wäre man bei der Formel 1 zu 30.000 geblieben, wäre die Zahl der Abgeordneten aufgrund des Bevölkerungszuwachses in den Vereinigten Staaten inzwischen auf 7.000 gestiegen. Stattdessen wurde die Formel im Laufe der Jahre angepasst, und heute beträgt des Verhältnis der Abgeordneten zur Bevölkerung in etwa 1 zu 600.000.
Die Legislativen der Bundesstaaten teilen die Staaten in Kongressbezirke auf, deren Bevölkerungszahlen sich im Wesentlichen gleichen müssen. Alle zwei Jahre wählen die Stimmberechtigten jedes Bezirks einen Abgeordneten für den Kongress.
Senatoren werden alle zwei Jahre in den Jahren, die auf eine gerade Zahl enden im gesamten Bundesstaat gewählt. Die Amtszeit der Senatoren beträgt sechs Jahre. Alle zwei Jahre wird ein Drittel des Senats neu gewählt. Daher sind zwei Drittel der Senatoren immer Personen mit einiger Erfahrung in der Gesetzgebung auf nationaler Ebene.
Theoretisch ist es möglich, dass das Repräsentantenhaus vollkommen aus Abgeordneten ohne Erfahrung in der Gesetzgebung besteht. Praktisch werden allerdings die meisten Mitglieder mehrere Male gewählt, und das Repräsentantenhaus kann sich ebenso wie der Senat immer auf eine Kerngruppe mit gesetzgeberischer Erfahrung verlassen.
Da die Amtszeit der Mitglieder des Repräsentantenhauses zwei Jahre beträgt, gelten zwei Jahre als die Amtsperiode eines Kongresses. Der 20. Verfassungszusatz bestimmt, dass der Kongress seine regelmäßige Sitzungsperiode jeden 3. Januar aufnimmt, wenn der Kongress kein anderes Datum festlegt. Die Sitzungsperiode des Kongresses dauert an, bis seine Mitglieder sich vertagen – meist gegen Ende des Jahres. Der Präsident kann eine Sondersitzung einberufen, wenn er dies für erforderlich hält. Die Sitzungen werden im Kapitol in Washington abgehalten.
KOMPETENZEN DES REPRÄSENTANTENHAUSES UND DES SENATS
Jede Kammer des Kongresses hat die Befugnis, Gesetze zu jedem Thema einzubringen, mit Ausnahme von Gesetzen zur Erhöhung der Staatseinnahmen, die vom Repräsentantenhaus ausgehen müssen. Die großen Staaten scheinen so also mehr Einfluss auf die Staatskasse zu haben als kleine Staaten. Praktisch gesehen kann allerdings jede Kammer gegen Gesetze stimmen, die von der anderen Kammer verabschiedet wurden. Der Senat kann beispielsweise einen Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses zu den Staatseinnahmen – oder auch jeden anderen Gesetzentwurf - zurückweisen oder Zusätze einfügen, die eine wesentliche Veränderung bedeuten. In diesem Fall muss ein Vermittlungsausschuss, zusammengesetzt aus Mitgliedern beider Kammern, einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss ausarbeiten, bevor der Entwurf zum Gesetz wird.
Der Senat hat ebenfalls gewisse, nur diesem Organ übertragene Kompetenzen, darunter die Befugnis zur Bestätigung von vom Präsidenten ernannten hochrangigen Beamten und Botschaftern der Bundesregierung sowie die Befugnis zur Ratifizierung aller Verträge durch Zweidrittelmehrheit. In jedem Fall macht eine Ablehnung durch den Senat die Maßnahmen der Exekutive null und nichtig.
Im Fall einer Amtsenthebung von Regierungsvertretern hat das Repräsentantenhaus das alleinige Recht, Vorwürfe des Fehlverhaltens vorzubringen, die zu einem Amtsenthebungsverfahren führen können. Der Senat hat die alleinige Befugnis zur Durchführung von Amtsenthebungsverfahren und zur Entscheidung, ob die jeweilige Person schuldig oder nicht schuldig ist. Ein Schuldspruch führt zur Entlassung des Regierungsvertreters aus seinem Amt.
Die weit reichenden Kompetenzen des Kongresses werden in Artikel I der Verfassung dargelegt:
- Erhebung und Einziehung von Steuern, - Kreditaufnahme für die Staatskasse, - Aufstellung des rechtlichen und ordnungspolitische Rahmens für die Kontrolle des Handels zwischen den Bundesstaaten und mit fremden Ländern, - Aufstellung einheitlicher Bedingungen für die Einbürgerung von Ausländern, - Prägung von Münzen und Drucken von Banknoten, Bestimmung des Geldwerts und Erlassen von Strafbestimmungen für Geldfälscher, - Normierung von Gewichten und Maßen, - Schaffung eines Konkursrechts für das ganze Land, - Errichtung von Postämtern und Bau von Poststraßen, - Ausgabe von Patenten und Urheberrechten, - Bildung eines Bundesgerichtssystems, - Ahndung der Seeräuberei, - Kriegserklärung, - Aufstellung und Unterhaltung von Armeen, - Unterhaltung einer Flotte, - Aufgebot der Miliz, um den Bundesgesetzen Geltung zu verschaffen, Gesetzwidrigkeiten zu unterdrücken oder Invasionen abzuwehren, - ausschließliche Gesetzgebung für den Regierungssitz (Washington, D.C.) - Erlassung aller für die Ausübung der Verfassung erforderlichen Gesetze.
Einige dieser Befugnisse sind mittlerweile überholt, bleiben aber in Kraft. Der 10. Verfassungszusatz schränkt die Befugnisse des Kongresses ein, indem er festlegt, dass nicht der Bundesregierung übertragene Befugnisse den Einzelstaaten oder dem Volk obliegen. Außerdem verbietet die Verfassung ausdrücklich bestimmte Maßnahmen des Kongresses. Es ist ihm nicht erlaubt:
- die Habeas-Korpus-Akte aufzuheben – die Anforderung, dass eine eines Verbrechens beschuldigte Person vor ihrer Inhaftierung einem Richter oder einem Gericht vorgeführt werden muss – es sei denn, dies ist aufgrund eines Aufstandes oder einer Invasion erforderlich; - Gesetze zu erlassen, durch die Personen für Verbrechen oder rechtswidrige Handlungen ohne Gerichtsverfahren verurteilt werden; - Gesetze zu erlassen, durch die eine bestimmte Tat rückwirkend zum Verbrechen erklärt wird; - direkte Steuern von den Bürgern zu erheben, außer auf Basis einer bereits erfolgten Volkszählung; - Ausfuhren aus einem Einzelstaat zu besteuern; - den Hafen eines Bundesstaats oder die ihn anlaufenden Schiffe in Bezug auf Handel oder Besteuerung zu bevorzugen; - Adelstitel zu verleihen.
ÄMTER DES KONGRESSES
Die Verfassung sieht den Vizepräsidenten als Präsidenten des Senats vor. Der Vizepräsident hat kein Stimmrecht, außer bei einem Patt. Der Senat wählt einen Präsidenten pro tempore, der ihm in Abwesenheit des Vizepräsidenten vorsitzt. Das Repräsentantenhaus wählt seinen eigenen Vorsitzenden – den Speaker. Der Speaker und der Präsident pro tempore sind immer Mitglieder der politischen Partei mit der Mehrheit in der jeweiligen Kammer.
Zu Beginn jedes neuen Kongresses wählen die Mitglieder der politischen Parteien Fraktionsvorsitzende und andere Vertreter für die organisatorische Handhabung der eingebrachten Gesetze. Diese Vertreter üben gemeinsam mit den Vorsitzenden und Ausschussvorsitzenden einen starken Einfluss auf die Entstehung von Gesetzen aus.
DAS AUSSCHUSSVERFAHREN
Eines der Hauptmerkmale des Kongresses ist die vorherrschende Rolle der Ausschüsse bei seinen Verfahren. Die heutige Bedeutung der Ausschüsse entwickelte sich im Laufe der Zeit, sie war nicht verfassungsrechtlich beabsichtigt, da Ausschüsse in der Verfassung keine Erwähnung finden.
Zurzeit zählt der Senat 17 ständige Ausschüsse, das Repräsentantenhaus 19. Jeder Ausschuss ist auf einen konkreten gesetzgeberischen Bereich spezialisiert: auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung, Bankwesen, Landwirtschaft, Handel, Bewilligung, um nur einige zu nenen. Fast jeder in einer Kammer eingebrachte Gesetzentwurf wird zur Untersuchung und Empfehlung an einen Ausschuss weitergeleitet. Der Ausschuss kann jede an ihn weitergeleitete Angelegenheit billigen, überarbeiten, zurückweisen oder ignorieren. Es ist fast unmöglich, dass ein Gesetzentwurf im Repräsentantenhaus oder im Senat ohne die Billigung eines Ausschusses vorgetragen wird. Im Repräsentantenhaus muss eine Petition zur Entlassung eines Gesetzentwurfs aus dem Ausschuss in den Sitzungssaal von 218 Abgeordneten unterzeichnet werden; im Senat ist die Mehrheit der Mitglieder erforderlich. In der Praxis erhalten derartige Entlassungsanträge selten die erforderliche Unterstützung.
Die Mehrheitspartei in jeder Kammer kontrolliert das Ausschussverfahren. Ausschussvorsitzende werden von der Fraktion oder einer hierfür designierten Gruppe von Parteimitgliedern gewählt. Minderheitenparteien sind in den Ausschüssen proportional zu ihrer Stärke in jeder Kammer vertreten.
Gesetzesvorlagen können auf verschiedene Art und Weise eingebracht werden. Einige werden von ständigen Ausschüssen erarbeitet, einige von Sonderausschüssen, die für die Behandlung bestimmter gesetzgeberischer Fragen gebildet wurden und einige können vom Präsidenten oder anderen Vertretern der Exekutive eingebracht werden. Bürger und Organisationen außerhalb des Kongresses können Mitgliedern Gesetzesvorschläge unterbreiten, und auch die Senatoren und Abgeordneten selbst können Gesetzentwürfe initiieren. Nachdem sie eingebracht wurden, werden die Gesetzentwürfe den designierten Ausschüssen zugeleitet, die in den meisten Fällen eine Reihe von öffentlichen Anhörungen ansetzen, um den Befürwortern oder Gegnern des Entwurfs die Möglichkeit zu geben, ihre Ansichten darzulegen. Der Anhörungsprozess, der sich über mehrere Wochen oder Monate erstrecken kann, öffnet das Gesetzgebungsverfahren für die Beteiligung der Öffentlichkeit.
Ein Vorteil des Ausschusssystems ist, dass er es Mitgliedern des Kongresses und ihren Mitarbeitern ermöglicht, in verschiedenen gesetzgeberischen Bereichen einen beachtlichen Erfahrungsschatz zu sammeln. In den Anfangsjahren der Republik, als die Bevölkerungszahlen noch niedrig und die Pflichten der Bundesregierung eng begrenzt definiert waren, war derartiges Fachwissen nicht von so großer Bedeutung. Jeder Abgeordneter war Generalist und besaß Kenntnisse in allen Bereichen, die von Interesse waren. Die Vielschichtigkeit des heutigen Lebens erfordert Fachwissen, was bedeutet, dass gewählte Vertreter oft in ein oder zwei politischen Bereichen Kenntnisse erwerben.
Wenn ein Ausschuss sich für einen Entwurf ausgesprochen hat, wird der Gesetzesvorschlag zur Debatte weitergeleitet. Im Senat erlauben die Regeln eine zeitlich praktisch uneingeschränkte Debatte. Im Repräsentantenhaus setzt der Regelausschuss aufgrund der großen Zahl von Abgeordneten meist Grenzen. Nach dem Ende der Debatte stimmen die Mitglieder entweder für die Gesetzesvorlage, gegen sie oder lassen sie ruhen – was eine Zurückstellung und damit so viel wie eine Ablehnung bedeutet – oder schicken sie zurück in den Ausschuss. Ein von einer Kammer verabschiedetes Gesetz wird der anderen Kammer zur weiteren Bearbeitung zugeleitet. Wenn die Gesetzesvorlage von der zweiten Kammer geändert wird, wird ein aus beiden Kammern zusammengesetzter Vermittlungsausschuss eingesetzt, um einen Kompromiss zu finden.
Nachdem es von beiden Kammern verabschiedet wurde, wird das Gesetz dem Präsidenten vorgelegt, der dazu Stellung nehmen muss, damit es in Kraft treten kann. Der Präsident hat die Wahl, das Gesetz entweder zu unterzeichnen – dann erlangt es Gesetzeskraft – oder ein Veto einzulegen. Ein vom Präsidenten abgelehntes Gesetz muss von einer Zweidrittelmehrheit beider Kammern gebilligt werden, um dennoch in Kraft zu treten.
Der Präsident kann auch sowohl die Unterzeichnung eines Gesetzes als auch die Einlegung eines Vetos ablehnen. In diesem Fall tritt das Gesetz zehn Tage (ohne Sonntage) nach Vorlage ohne seine Unterschrift in Kraft. Die einzige Ausnahme von dieser Regel kommt zum Tragen, wenn der Kongress sich nach Vorlage des Gesetzes und vor Ablauf der Zehn-Tage-Frist vertagt; die Weigerung des Präsidenten zu handeln negiert dann das Gesetz – ein als "Tachenveto" (pocket veto) bekanntes Verfahren.
INVESTIGATIVE KOMPETENZEN DES KONGRESSES
Eine der bedeutendsten nicht legislativen Funktionen des Kongresses ist die Ermittlungsbefugnis. Diese Verantwortung wird meist den Ausschüssen übertragen – entweder einem ständigen Ausschuss, einem für einen bestimmten Zweck eingesetzten Sonderausschuss oder gemeinsamen Ausschüssen mit Mitgliedern aus beiden Kammern. Ermittlungen werden durchgeführt, um Informationen über zukünftig notwendige Gesetze zu erhalten, die Wirkung von bereits verabschiedeten Gesetzen oder die Qualifikationen und Leistungen der Mitarbeiter und Beamten anderer Gewalten zu überprüfen und, in seltenen Fällen, um die Vorarbeit für Amtsenthebungsverfahren zu leisten. Oft wenden sich die Ausschüsse an Experten von außen, um die Ermittlungsanhörungen durchzuführen und detaillierte Untersuchungen vorzunehmen.
Die investigative Kompetenz hat bedeutende logische Folgen. Eine ist die Befugnis zur Veröffentlichung der Ermittlungen und ihrer Ergebnisse. Die meisten Ausschussanhörungen sind öffentlich, und in den Massenmedien wird umfassend über sie berichtet. Ermittlungen des Kongresses sind deshalb ein wichtiges Instrument für den Gesetzgeber, die Öffentlichkeit zu informieren und das öffentliche Interesse an nationalen Belangen zu wecken. Kongressausschüsse haben außerdem die Befugnis, unwillige Zeugen zur Aussage zu zwingen, Zeugen, die die Aussage verweigern, der Missachtung des Kongresses, und Zeugen, die eine Falschaussage machen, des Meineids zu bezichtigen.
INOFFIZIELLE PRAKTIKEN DES KONGRESSES
Im Gegensatz zu den parlamentarischen Systemen in Europa hat das Verhalten der amerikanischen Gesetzgeber wenig mit zentraler Parteidisziplin zu tun. Jede der großen amerikanischen politischen Parteien ist eine Koalition aus kommunalen und bundesstaatlichen Organisationen, die zusammen in Vierjahresintervallen für den Präsidentschaftswahlkampf eine nationale – republikanische oder demokratische - Partei bilden. Deshalb verdanken die Mitglieder des Kongresses ihre Position ihrer Wählerschaft in den Kommunen und Bundesstaaten und nicht der nationalen Parteiführung oder ihren Kollegen im Kongress. Folglich ist das gesetzgeberische Verhalten der Abgeordneten und Senatoren eher individualistisch oder idiosynkratisch. Es spiegelt die große Vielfalt der vertretenen Wählerschaften wider und die Freiheit, die sich aus dem Aufbau einer loyalen persönlichen Wählerschaft ergibt.
Der Kongress ist daher ein kollegiales und kein hierarchisches Gremium. Macht wird nicht von oben nach unten ausgeübt, wie in einem Unternehmen, sondern praktisch in jede Richtung. Es gibt nur minimale zentralisierte Autorität, da die Möglichkeiten, abzustrafen oder zu belohnen, gering sind. Kongresspolitik wird durch veränderliche Koalitionen gemacht, die sich je nach Thema unterscheiden können. Manchmal, wenn gegensätzlicher Druck ausgeübt wird – vom Weißen Haus und wichtigen wirtschaftlichen oder ethnischen Gruppen – nutzen die Gesetzgeber die Verfahrensregeln, um eine Entscheidung zu verzögern und damit zu vermeiden, einflussreiche Kreise zu verärgern. Ein Sache kann vertagt werden, wenn der betreffende Ausschuss keine ausreichenden öffentlichen Anhörungen abgehalten hat. Der Kongress kann eine Behörde auch anweisen, vor Erörterung eines Themas einen detaillierten Bericht vorzubereiten. Oder jede Kammer kann eine Maßnahme ruhen lassen und sie damit effektiv zurückweisen, ohne je in der Sache geurteilt zu haben.
Es gibt informelle oder ungeschriebene Verhaltensstandards, die die Aufgaben und den Einfluss eines bestimmten Mitglieds oft bestimmen. "Insider", Abgeordnete und Senatoren, die sich auf ihre gesetzgeberischen Aufgaben konzentrieren, können in den Hallen des Kongresses mehr Macht haben, als "Outsider", die Anerkennung gewinnen, indem sie öffentlich über nationale Belange sprechen. Von den Mitgliedern wird höfliches Verhalten gegenüber ihren Kollegen erwartet. Persönliche Angriffe sind zu vermeiden, unabhängig davon, als wie inakzeptabel man die Politik des Gegners empfinden mag. Außerdem wird von den Mitgliedern erwartet, dass sie sich auf einige Politikbereiche spezialisieren und nicht behaupten, in allen gesetzgeberischen Bereichen kompetent zu sein. Wer sich an diese inoffiziellen Regeln hält, wird mit größerer Wahrscheinlichkeit in angesehene Ausschüsse oder zumindest in Ausschüsse, die für eine maßgebliche Zahl der eigenen Wähler von Interesse ist, gewählt.
AUFSICHTSFUNKTION DES KONGRESSES
Im Wörterbuch wird "Aufsicht" als "sorgfältige Überwachung" definiert, und diese Vorgehensweise hat sich als eine der wirkungsvollsten Methoden des Kongresses zur Einflussnahme auf die Exekutive erwiesen. Durch die Aufsichtsbefugnisse des Kongresses werden Verschwendung und Betrug verhindert, Bürgerrechte und persönliche Freiheiten geschützt, die Einhaltung der Gesetze durch die Exekutive garantiert, Informationen für die Erarbeitung von Gesetzen und die Aufklärung der Öffentlichkeit zusammengetragen und die Leistung der Exekutive bewertet. Sie erstrecken sich auf Ministerien, Regierungsbehörden, Aufsichtsbehörden und die Präsidentschaft.
Die Aufsichtsfunktion des Kongresses nimmt verschiedene Formen an: - Ausschussanfragen und –anhörungen, - formelle Konsultationen mit und Berichte vom Präsidenten, - Beratung des Senats und Zustimmung zu Verträgen und Nominierungen des Präsidenten, - Amtsenthebungsverfahren des Repräsentantenhauses und die entsprechenden Verfahren im Senat, - Verfahren im Repräsentantenhaus und im Senat gemäß dem 25. Verfassungszusatz, falls der Präsident sein Amt nicht ausüben kann oder das Amt des Vizepräsidenten nicht besetzt ist, - informelle Treffen zwischen Vertretern der Legislative und Exekutive, - Kongressmitgliedschaft in Regierungskommissionen, - Untersuchungen durch Kongressausschüsse und nachgeordnete Behörden, wie die Haushaltsbehörde des Kongresses, der Bundesrechnungshof, und die Behörde für Technologiebewertung – alles Organe des Kongresses.
Aufgrund der Aufsichtsfunktion des Kongresses wurden Amtsinhaber zum Rücktritt gezwungen, politische Maßnahmen revidiert und der Exekutive wurden neue gesetzliche Kontrollen auferlegt. 1949 wurde durch Sonderermittlungsausschüsse des Senats korruptes Verhalten von hochrangigen Amtsinhabern der Truman-Regierung aufgedeckt. Daraufhin wurden bestimmte Behörden neu organisiert und eine Sonderkommission des Weißen Hauses zu Korruption in der Regierung eingesetzt.
Die Übertragung von Anhörungen des Auswärtigen Ausschusses des Senats im Fernsehen Ende der sechziger Jahre trug zur Mobilisierung gegen den Vietnamkrieg bei. Durch die Watergate-Ermittlungen des Kongresses 1973 wurde aufgedeckt, dass Beamte des Weißen Hauses ihre Positionen gesetzeswidrig zu ihrem politischen Vorteil nutzten. Mit dem Amtsenthebungsverfahren des Justizausschusses des Repräsentantenhauses gegen Richard Nixon im folgenden Jahr wurde dessen Präsidentschaft beendet. Bei Ermittlungen von Sonderausschüssen 1975 und 1976 wurden gravierende Verstöße der Nachrichtendienste festgestellt und die Erarbeitung neuer Gesetze zur Kontrolle nachrichtendienstlicher Aktivitäten angeregt.
1983 warfen Ermittlungen des Kongresses in Zusammenhang mit einem Vorschlag, die Grenzkontrollaufgaben der Zollbehörde und der Einwanderungsbehörde zusammenzuführen, Fragen über die Befugnisse der Exekutive auf, derartige Veränderungen ohne neue Gesetze vorzunehmen. 1987 wurden Gesetzesverstöße bei den geheimen Waffenverkäufen der Exekutive an Iran und die Weiterleitung der Profite aus den Waffenverkäufen an die Contras, gegen die Regierung gerichtete Kräfte in Nicaragua, aufgedeckt. Die Erkenntnisse des Kongresses führten zu Gesetzesvorschlägen, die ähnliche Vorkommnisse in Zukunft verhindern sollen.
Bei Ermittlungen einer überparteilichen Kongresskommission und den darauf folgenden Anhörungen im Senat 1996 und 1997 wurden Fälle von Missbrauch und Misswirtschaft bei der Finanzbehörde (Internal Revenue Service – IRS), der für die Erhebung von Einkommensteuer zuständigen Behörde, aufgedeckt. Der Finanzausschuss des Senats hörte Beamte der IRS an, die aussagten, dass der Druck, unbezahlte Steuern einzutreiben so groß sei, dass man die Steuerzahler zum Teil stark drangsaliere. Außerdem wurden Bürger angehört, die aussagten, dass sie fälschlich beschuldigt und von der IRS aggressiv verfolgt worden seien, weil sie ihre Steuern nicht bezahlt hätten. 1998 verabschiedete das IRS Reformgesetze, mit denen ein unabhängiger Aufsichtsrat geschaffen und der Schutz der Steuerzahler verbessert wurde. Hierzu zählt auch die Verlagerung der Beweislast bei Streitigkeiten in Steuerangelegenheiten vom Steuerzahler zur IRS.
Die Aufsichtsbefugnisse des Kongresses haben sich immer wieder als entscheidende Kontrollfunktion bei der Beobachtung der Präsidentschaft und der Kontrolle der Politik erwiesen.
DAS AUSSCHUSSSYSTEM
Kongressausschüsse sind in der Verfassung nicht ausdrücklich vorgesehen. Während die Nation wuchs, nahm auch die Notwendigkeit für die sorgfältige Untersuchung anhängiger Gesetzesvorschläge zu.
Im 106. Kongress (1999 – 2000) gab es 19 ständige Ausschüsse im Repräsentantenhaus und 17 im Senat. Hinzu kamen vier gemeinsame ständige Ausschüsse mit Mitgliedern beider Kammern: Kongressbibliothek, Druckerei, Besteuerung und Wirtschaft. Zudem kann jede Kammer für die Untersuchung konkreter Probleme Sonderausschüsse einrichten. Aufgrund der zunehmenden Arbeitsbelastung sind aus den ständigen Ausschüssen außerdem etwa 150 Unterausschüsse hervorgegangen.
Und was genau tun all diese Ausschüsse? Der zuständige Ausschuss muss jede Gesetzesvorlage – der Gesetzentwurf, der dem Kongress vorgelegt wird – sorgfältig überprüfen. Der Ausschuss führt normalerweise Anhörungen durch, bei denen Experten aussagen. Dies können nicht im Ausschuss vertretene Mitglieder des Kongresses sein, Vertreter der Exekutive, Vertreter von Organisationen des Privatsektors und einzelne Bürger.
Nachdem alle Fakten gesammelt wurden, entscheidet der Ausschuss, ob über den Gesetzesvorschlag positiv berichtet wird oder ob Änderungen empfohlen werden. Manchmal lässt man die Vorlage auch ruhen, womit sie praktisch zurückgewiesen ist. Wenn eine Gesetzesvorlage allerdings den Ausschuss verlässt und vom gesamten Repräsentantenhaus oder Senat verabschiedet wird, kommt ein weiterer Ausschuss zum Zuge, der Unstimmigkeiten zwischen den verschiedenen Versionen des Repräsentantenhauses und des Senats der gleichen Gesetzesvorlage ausräumen soll. Dieser "Vermittlungsausschuss" setzt sich aus Mitgliedern beider Kammern zusammen, stellt den Entwurf zur Zufriedenheit aller Kongressmitglieder fertig und legt ihn dann zur endgültigen Erörterung und Abstimmung dem Repräsentantenhaus und dem Senat vor. Wird der Gesetzentwurf verabschiedet, wird er dem Präsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt.
STÄNDIGE AUSSCHÜSSE DES KONGRESSES
Originaltext: "Legislative: The Reach of Congress" aus der Broschüre "Outline of the U.S. Government", die vom Büro für internationale Informationsprogramme des US-Außenministeriums herausgegeben wurde. (erschienen im Amerika Dienst, 2005) |
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U.S. Diplomatic Mission to Germany/Public
Affairs/Information Resource Centers Aktualisiert: November 2005 |