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Zu diesem Heft: Die Nachkriegsentwicklung der Bundesrepublik Deutschland ist ohne die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika nicht denkbar. Die USA waren und sind neben Frankreich der engste Partner des demokratischen Deutschland. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die großen Zeitungen und Nachrichtensendungen über die USA und ihre Politik berichten. Allerdings drehen sich diese Berichte primär um die Außen- und Sicherheitspolitik der Vereinigten Staaten; dabei stehen Präsident, Außen- und auch Verteidigungsminister im Mittelpunkt der Betrachtung. Wie und wo die amerikanische Politik formuliert und durchgesetzt wird, erfahren die deutschen Medienkonsumenten selten. Ähnliche Begrifflichkeiten - Präsident, Minister oder Parlament - wiegen politisch Interessierte in der trügerischen Gewißheit, das amerikanische System zu kennen. Erst Ereignisse wie die Auseinandersetzungen zwischen Präsident Clinton und dem Kongreß seit 1994, die in Deutschland so nicht denkbar wären, machen deutlich, wie verschieden dieses politische System von dem deutschen ist. Aber auch in den USA hat die scheinbar so klare politische Ordnung immer wieder zu Verständnisschwierigkeiten geführt. So notierte der langjährige Reporter der New York Times Hedrick Smith: “Als [ich] in die Hauptstadt kam, meinte ich zu wissen, wie Washington funktioniert. Ich kannte all die Standardlehrsätze aus den Schulbüchern:Präsident und Kabinett stellen die Regierung, der Kongreß hat die Kriegs- und Budgetvollmacht; der Außenminister ist für die Außenpolitik zuständig; die Machtpositionen im Kongreß sind nach der Dauer der Zugehörigkeit verteilt; [...] Diese Gemeinplätze haben längst ihre Gültigkeit verloren.” Er berichtet sodann von Spitzenpolitikern, Wirtschaftsvertretern und Journalisten, die letztendlich ihre “Unkenntnis der Regeln des Washingtoner Machtpokers” scheitern ließ. Präsident John. F. Kennedy hat einmal formuliert: “Unser Präsident ... gilt zurecht als ein Mann mit außerordentlicher Machtbefugnis. Gleichzeitig sind jedoch seiner Macht außergewöhnlich enge Grenzen gesetzt”. Eine genauere Untersuchung der formalen Regelungen und der informellen Abläufe amerikanischer Politik zeigt eine Mischung von Gewaltenteilung und Gewaltenverschränkung von Zwang zur Zusammenarbeit und gegenseitiger Machtkontrolle, von Hemmnissen und Balancen zwischen Präsident und Kongreß ebenso wie zwischen Zentrale und Einzelstaaten, die nur schwer zu durchschauen ist. Das vorliegende Heft unternimmt den Versuch, dieses Mischsystem in seinen Ursprüngen darzustellen und in seiner heutigen Funktionsweise anhand von Beispielen zu erklären. Jürgen Faulenbach |
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