Ein
neues Land
Um das
Jahr 1000 segelte eine Gruppe isländischer Wikinger unter der Leitung
von Leif Ericson bis an die östliche Küste Nordamerikas. Ihren
Landungsort nannten sie Vinland. Reste einer Wikingersiedlung wurden
in der kanadischen Provinz Neufundland entdeckt. Wikinger betraten möglicherweise
auch Neuschottland (Nova Scotia) und Neuengland, doch gründeten
sie keine dauerhaften Siedlungen und verloren bald die Verbindung zum
neuen Kontinent.
Fünfhundert
Jahre später führten die Notwendigkeit der Handelsexpansion
und ein Navigationsfehler zu einem weiteren Treffen zwischen Europa
und Amerika. Im späten 15. Jahrhundert gab es eine große
Nachfrage nach Gewürzen, Textilien und Farbstoffen aus Asien. Christopher
Columbus, ein italienischer Seefahrer, glaubte fälschlicherweise,
er könne den Fernen Osten erreichen, wenn er von Europa 6400 Kilometer
nach Westen segeln würde. 1492 überzeugte er das spanische
Königspaar, eine solche Reise zu finanzieren. Columbus segelte
nach Westen, erreichte aber nicht Asien, sondern landete auf einer der
Bahamainseln in der Karibik.
Columbus erkundete
letztendlich einen Großteil der Karibik. Den Fernen Osten erreichte
er hingegen nie, kehrte jedoch mit etwas Gold nach Hause zurück,
und innerhalb von 40 Jahren nahen spanische Schatzsucher ein riesiges
Reich in Süd- und Zentralamerika ein. Einige der frühesten
nordamerikanischen Siedlungen wurden von Spaniern gegründet - St.
Augustine in Florida (1565), Santa Fe in Neu Mexiko (1609) und San Diego
in Kalifornien (1769).
Ursprünglich
kamen die Europäer auf der Suche nach Reichtum in die neue Welt.
Als Columbus und nachfolgende spanische Forscher mit Geschichten über
reiche Goldvorkommen in den Amerikas nach Europa zurückkehrten,
beeilten sich die europäischen Herrscher, möglichst viel Territorium
in der Neuen Welt für sich zu reklamieren - zusammen mit allen
Reichtümern, die daraus gewonnen werden konnten.
Diese Ansprüche
konnten nur mit Hilfe europäischer Siedlungen in den entsprechenden
Gebieten durchgesetzt und bekräftigt werden. Diese Notwendigkeit,
verbunden mit dem Eifer spanischer Priester, die Ureinwohner Amerikas
zum Christentum zu bekehren, dem Bedarf europäischer religiöser
und politischer Andersdenkender nach einem Fluchtort vor der Verfolgung
im Heimatland, und der Abenteuerlust einiger Personen, stärkte
die Bestrebungen zur Errichtung von Kolonien.
Englische
Siedlungen
Die erste
erfolgreiche englische Siedlung in Amerika wurde 1607 in Jamestown,
Virginia gegründet. Finanziert wurde sie durch eine Londoner Firma,
die sich davon einen - nie eingetretenen - Profit versprach. Von den
ersten 105 Kolonisten starben innerhalb von 7 Monaten nach der Ankunft
73 Personen aufgrund von Hunger und Krankheiten. Aber die Kolonie blieb
bestehen, fing schließlich an zu wachsen und wurde wohlhabend.
Die Einwohner von Virginia entdeckten, daß sich mit dem Anbau
von Tabak, den sie seit 1614 nach England verschifften, Geld verdienen
ließ.
In Neuengland, der
nordöstlichen Region der heutigen Vereinigten Staaten, gründeten
englische Puritaner mehrere Siedlungen. Sie vertraten die Meinung, daß
die Anglikanische Kirche zu viele Praktiken der Römisch-Katholischen
Kirche übernommen hatte. Sie kamen nach Amerika, um der Verfolgung
in der Heimat zu entgehen und eine Siedlung nach eigenen religiösen
Idealen zu gestalten. Eine Gruppe Puritaner, "Pilgrims" (die Pilger)
genannt, überquerte den Atlantik auf dem Schiff Mayflower und siedelte
sich 1620 in Plymouth, Massachusetts, an. Eine sehr viel größere
puritanische Siedlung wurde 1630 in der Gegend von Boston gegründet.
Bereits 1635 wanderten einige Siedler in das benachbarte Connecticut
weiter.
Die Puritaner strebten
die Erschaffung einer idealen Gemeinschaft ("einer Stadt auf dem Hügel
") an. Seither haben Amerikaner ihr Land als ein großes Experiment
angesehen, als ein würdiges Vorbild für andere Nationen. In
Neuengland entstand aber auch eine andere amerikanische Tradition: eine
oft intolerante Moral. Die Puritaner glaubten, daß Regierungen
Gottes Moral durchsetzen sollten. Betrunkene, Ehebrecher, Personen,
die den Sabbat nicht ehrten und Ketzer bestraften sie streng. In ihren
Siedlungen besaßen nur Gemeindemitglieder das Wahlrecht, und die
Pfarrer wurden aus Steuergeldern bezahlt.
Der Puritaner Roger
Williams stellte sich gegen diese Entscheidungen der Gemeinden. Er vertrat
die Meinung, daß der Staat nicht in die Religion eingreifen sollte.
Nachdem er daraufhin 1635 gezwungen wurde Massachusetts zu verlassen,
gründete er die benachbarte Kolonie Rhode Island, in der religiöse
Freiheit und die Trennung von Staat und Kirche garantiert waren. Die
Kolonien Maryland, 1634 besiedelt als ein Zufluchtsort für Katholiken,
und Pennsylvania, gegründet 1681 vom Quäkerführer William
Penn, zeichneten sich ebenfalls durch religiöse Toleranz aus. Sie
wiederum zogen weitere Siedlergruppen in die Neue Welt.
Im Laufe der Jahre
kamen immer mehr Siedler aus anderen Ländern als England in die
britischen Kolonien Nordamerikas. Deutsche Bauern siedelten in Pennsylvania,
Schweden gründeten die Kolonie Delaware und 1619 kamen erstmals
afrikanische Sklaven nach Virginia. 1626 kauften niederländische
Siedler amerikanischen Ureinwohnern Manhattan Island ab, und bauten
die Stadt New Amsterdam. Sie wurde 1664 von Engländern eingenommen
und in New York umbenannt.
Kolonialzeit
Dem ausländischen
Besucher erschien Amerika schon immer weniger als eine einheitliche
Kultur, sondern vielmehr als eine Mischung verschiedener Kulturen. In
der Kolonialzeit zeichnete sich diese Mischung gegensätzlicher
Traditionen bereits ab. Der engstirnige Idealismus von Massachusetts
stand neben dem toleranteren Idealismus Pennsylvanias und der zweckmäßigen,
kommerziellen Landwirtschaft Virginias. Die meisten amerikanischen Kolonisten
arbeiteten auf kleinen Bauernhöfen. In den südlichen Kolonien
Virginia, North Carolina und South Carolina begründeten Landbesitzer
große Tabak- und Reisplantagen in Flußtälern. Diese
wurden von Afrikanern bearbeitet, wobei sich das System der Sklaverei
seit 1619 langsam entwickelt hatte, oder von freien Engländern,
die sich als Gegenleistung für die Überfahrtskosten auf mehrere
Jahre zu unbezahlter Arbeit verpflichtet hatten.
1770 hatten sich
mehrere kleine, aber wachsende urbane Zentren entwickelt, mit Zeitungen,
Läden, Händlern und Handwerkern. Philadelphia war mit 28 000
Einwohnern die größte Stadt, gefolgt von New York, Boston
und Charleston, South Carolina. Im Gegensatz zu anderen Nationen entwickelte
sich in den Vereinigten Staaten nie eine feudale Aristokratie. Im kolonialen
Amerika gab es Land im Überfluß und Arbeitskräfte waren
Mangelware. Jeder freie Mann hatte die Möglichkeit wirtschaftliche
Unabhängigkeit zu erlangen, wenn auch nicht unbedingt Wohlstand.
Alle Kolonien teilten
die Tradition der Repräsentativverfassung. Der englische König
ernannte zahlreiche Gouverneure für die Kolonien, die alle mit
einer gewählten Versammlung zusammenarbeiten mußten. Das
Wahlrecht hatten nur weiße Landbesitzer, aber die meisten weißen
Männer besaßen ausreichend Land um wählen zu dürfen.
Britannien konnte jedoch keine direkte Kontrolle über die Kolonien
ausüben, denn London lag zu weit entfernt und die Kolonisten waren
in ihrer Einstellung zu unabhängig.
1733 bewohnten englische
Siedler 13 Kolonien entlang der Atlantikküste, von New Hampshire
im Norden bis Georgia im Süden. Die Franzosen kontrollierten Kanada
und Louisiana, dessen Gebiet die gesamte Mississippi Wasserscheide umfaßte
- ein riesiges, dünnbesiedeltes Reich. Zwischen 1689 und 1815 kam
es zu mehreren Kriegen zwischen Frankreich und Britannien, und Nordamerika
wurde in jede dieser Auseinandersetzungen hineingezogen. Bis 1756 führten
England und Frankreich den siebenjährigen Krieg, in Amerika unter
dem Begriff "French and Indian War" bekannt. Der britische Premierminister
William Pitt investierte Soldaten und Geld in Nordamerika und gewann
ein Reich. Britische Truppen eroberten die kanadischen Niederlassungen
Louisburg (1758), Quebec (1759) und Montreal (1760). Durch den 1763
unterzeichneten Frieden von Paris erhielt Britannien den Rechtsanspruch
an Kanada und alle Gebiete Nordamerikas östlich des Mississippi.
Britanniens Sieg
führte zu einem Konflikt mit seinen amerikanischen Kolonien. Um
Kämpfe mit den Ureinwohnern, die den Europäern als Indianer
bekannt waren, zu vermeiden, verbot eine königliche Erklärung
den Kolonisten sich westlich der Appalachen anzusiedeln. Die britische
Regierung begann Schmuggler zu bestrafen und führte neue Steuern
auf Zucker, Kaffee, Textilien und andere Importe ein. Der Einquartierungsakt
(Quartering Act) zwang die Kolonisten, britische Soldaten zu beherbergen
und zu verköstigen. Nach Einführung des "Stamp Act" mußten
besondere Steuermarken an allen Zeitungen, Broschüren, juristischen
Dokumenten und Lizenzen angebracht werden.
Den britischen Politikern
erschienen diese Maßnahmen gerecht, denn sie hatten hohe Geldsummen
aufgebracht um die amerikanischen Kolonien während und nach dem
"French and Indian War" zu verteidigen. Sie argumentierten, daß
die Kolonisten einen Teil dieser Kosten tragen sollten. Aber die Amerikaner
befürchteten, daß die neuen Steuern den Handel behindern
würden, und daß die im Land stationierten britischen Truppen
eingesetzt würden, die bürgerlichen Freiheiten, die die Kolonisten
bis dahin genossen, zu vernichten. Insgesamt waren diese Befürchtungen
unbegründet, aber es waren Vorboten von inzwischen verwurzelten
Traditionen in der amerikanischen Politik. Amerikaner mißtrauen
der Macht großer Regierungen, und schließlich kamen Millionen
Einwanderer in dieses Land gerade um politischer Unterdrückung
zu entkommen. Amerikaner haben zudem auch immer darauf bestanden, zumindest
eine gewisse Kontrolle über das System der Besteuerung zu haben,
welches ihre Regierung stützt. Als freigeborene Engländer
bestanden die Amerikaner darauf, daß sie nur durch ihre eigenen
Kolonialversammlungen besteuert werden konnten. Sie beriefen sich auf
den Grundsatz "Keine Besteuerung ohne Vertretung" (no taxation without
representation). 1765 trafen sich Vertreter aus neun Kolonien als "Stamp
Act Congress" und wandten sich gegen diese neue Steuer. Händler
weigerten sich, englische Ware zu verkaufen, Mobs bedrohten die Austeiler
der Steuermarken und die meisten Kolonisten weigerten sich schlicht,
die Marken zu verwenden. Das britische Parlament mußte den Stamp
Act zurücknehmen, aber es setzte den Einquartierungsakt durch,
legte Steuern auf Tee und andere Güter und schickte Zollbeamte
nach Boston um die Zölle einzusammeln. Die amerikanischen Kolonisten
verweigerten erneut den Gehorsam, und britische Soldaten wurden nach
Boston entsandt.
Die Spannungen ließen
nach als der neue britische Finanzminister Lord North die neuen Steuern,
mit Ausnahme der Teesteuer, aufhob. 1773 führte daher eine Gruppe
Patrioten die sogenannte "Boston Tea Party" durch: als Indianer verkleidet
schlichen sie auf britische Schiffe und warfen 342 Teekisten in den
Bostoner Hafen. Das britische Parlament verhängte daraufhin die
"Intolerable Acts". Die Unabhängigkeit von Massachusetts Kolonialregierung
wurde stark eingeschränkt und weitere britische Truppen wurden
in den Hafen von Boston verlegt, der nun für den Seehandel geschlossen
war. Im September 1774 traf sich der erste Kontinentalkongreß.
Führende Persönlichkeiten der Kolonien, die sich gegen die
von ihnen als solche empfundene britische Repression in den Kolonien
wandten, trafen sich in Philadelphia. Sie forderten die Amerikaner auf
die "Intolerance Acts" zu mißachten und den britischen Handel
zu boykottieren. Die Kolonisten begannen, Milizen zu organisieren und
Waffen sowie Munition zu sammeln und lagern.
Revolution
Am 19.
April 1775, marschierten 700 britische Soldaten von Boston in Richtung
des in der Nähe gelegenen Ortes Concord. Sie sollten durch die
Aushebung eines kolonialen Waffenlagers einer Rebellion vorbeugen. Bei
Lexington wurden sie von 70 Mitgliedern einer Bürgerwehr konfrontiert.
Irgendjemand, keiner weiß genau wer, feuerte einen Schuß
ab, und die amerikanische Revolution hatte begonnen. Die Briten
nahmen schnell Lexington und Concord ein, aber bei der Rückkehr
nach Boston wurden sie von hunderten Freiwilligen aus Massachusetts
drangsaliert. Bis Juni hatten sich 10 000 Amerikaner zur Belagerung
von Boston eingefunden und die Briten mußten im März 1776
die Stadt evakuieren.
Im Mai 1775 trat
ein zweiter Kontinentalkongress in Philadelphia zusammen und übernahm
langsam die Funktion einer nationalen Regierung. Er gründete eine
Kontinentalarmee und -marine unter dem Kommando von George Washington,
einem Plantagenbesitzer aus Virginia und Veteran des "French and Indian
Wars". Papiergeld wurde gedruckt und diplomatische Beziehungen mit anderen
Ländern wurden aufgenommen. Am 2. Juli 1776 beschloß der
Kongress, daß "diese vereinigten Kolonien freie und unabhängige
Nationen sind und von rechts her sein sollten". Thomas Jefferson aus
Virginia schrieb, mit Unterstützung einiger anderer, die Unabhängigkeitserklärung,
die vom Kongress am 4. Juli 1776 angenommen wurde.
Diese Erklärung
war eine öffentliche Verteidigung der amerikanischen Revolution,
und enthielt eine längere Liste mit Beschwerden über den britischen
König George III. Sie erklärte auch, und dies ist mit das
Wichtigste, die Philosophie hinter der Revolution - daß die Menschen
ein Recht auf "Life, Liberty and the Pursuit of Happiness" (Leben, Freiheit
und Streben nach Glück) haben, daß Regierungen nur mit "der
Zustimmung der Regierten" herrschen können, und daß jede
Regierung aufgelöst werden kann, wenn sie die Rechte der Bürger
nicht schützt. Diese Politiktheorie stammte vom britischen Philosophen
John Locke, und ist ein zentraler Punkt der angelsächsischen politischen
Tradition.
Anfänglich
verlief der Krieg schlecht für die Amerikaner. Die Briten nahmen
im September 1776 New York City ein und Philadelphia fiel ein Jahr später.
Das Geschehen änderte sich im Oktober 1777, als die britische Armee
unter General John Burgyne sich in Saratoga, im nördlichen New
York, ergab. Durch diesen Sieg ermutigt, ergriff Frankreich die Gelegenheit,
ihren traditionellen Feind Britannien zu erniedrigen und unterzeichneten
im Februar 1778 eine französic-amerikanische Allianz. Die amerikanischen
Truppen kämpften, trotz geringen Proviants und mangelnder Ausbildung,
im allgemeinen sehr gut, hätten jedoch möglicherweise den
Krieg verloren, wenn sie nicht französische Finanzhilfen und Unterstützung
durch die mächtige französische Marine erhalten hätten.
Nach 1778 verlagerten
sich die Kämpfe nach Süden. 1781 wurden von der französischen
Marine und einer gemeinsamen französisch-amerikanischen Armee unter
George Washington, 8000 britische Soldaten unter dem Kommando von General
George Cornwallis in Yorktown, Virginia, eingeschlossen. Cornwallis
kapitulierte, und kurz darauf regte die britische Regierung Friedensverhandlungen
an. Der im September 1783 unterzeichnete Frieden von Paris erkannte
die Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten an und gewährte
der neuen Nation alle nördlich von Florida, südlich von Kanada
und östlich des Mississippi gelegenen Territorien.
Die
Entwicklung einer Verfassung
Die 13
Kolonien waren nun "freie und unabhängige Staaten" - aber noch
keine vereinte Nation. Seit 1781 waren sie durch die "Articles of Confederation"
regiert worden, eine Verfassung, die eine sehr schwache Zentralregierung
vorsah. Die amerikanische Bevölkerung hatte gerade erst gegen ein
Parlament im fernen London rebelliert und wollte es nicht mit einer
tyrannischen Zentralregierung zuhause ersetzen. Die "Articles of Confederation"
ließen weder zu, daß der aus Volksvertretern zusammengesetzte
Kongreß Gesetze erließ oder Steuern erhob. Es gab keine
Bundesjustiz oder eine dauerhafte Exekutive. Die einzelnen Staaten waren
fast unabhängig, und sie konnten sogar eigene Tarife erheben.
Im Mai 1787 trat
in Philadelphia eine Versammlung zusammen, um die "Articles of Confederation"
zu überarbeiten. Die Abgesandten, darunter auch George Washington,
Benjamin Franklin und James Madison, erweiterten den Auftrag und entwickelten
eine neue und praktikablere Verfassung. Sie etablierte eine stärkere
Zentralregierung, die das Recht hatte Steuern zu erheben, Diplomatie
zu betreiben, Streitkräfte zu unterhalten und den Außenhandel
sowie den Handel zwischen den Staaten zu regulieren. Sie sah einen Obersten
Bundesgerichtshof und andere Bundesgerichte vor, und einem Präsidenten
wurde die Exekutivgewalt zugestanden. Die wichtigste Entwicklung aber
war die Einführung des Prinzips des Gleichgewichts der Kräfte,
das zwischen den drei Zweigen der Regierung - der Exekutive, der Legislative
und der Justiz - erhalten bleiben sollte. Bei diesem Prinzip erhielt
jeder Zweig die eigenständige Möglichkeit, die Aktivitäten
der anderen Zweigen zu kontrollieren und auszubalancieren. Somit wurde
garantiert, daß kein Zweig diktatorische Macht auf das Regierungsgeschehen
ausüben kann.
Die Verfassung wurde
1788 nach zahlreichen Diskussionen angenommen. Da viele Amerikaner befürchteten,
daß eine starke Zentralregierung ihre Freiheiten nicht achten
würde, wurden im Jahre 1791 10 Zusatzartikel - die Bill of Rights
- der Verfassung hinzugefügt. Dieses Dokument garantiert die Religionsfreiheit,
eine freie Presse, Redefreiheit, das Recht Waffen zu tragen, Schutz
gegen unrechtmäßige Hausdurchsuchungen, das Recht auf ein
faires Gerichtsverfahren mit Geschworenen und Schutz gegen "grausame
und ungewöhnliche Bestrafung".
Die Verfassung und
die Bill of Rights erzeugten so eine Balance zwischen zwei gegensätzlichen,
aber grundlegenden Aspekten der amerikanischen Politik - die Notwendigkeit
einer starken, effizienten Zentralgewalt und der Notwendigkeit, die
Rechte des Einzelnen zu schützen. Die beiden ersten politischen
Parteien spalteten sich entlang dieser Linien. Die Föderalisten
bevorzugten einen starken Präsidenten und eine Zentralregierung.
Die Demokratischen Republikaner verteidigten die Rechte der einzelnen
Staaten, denn dies schien mehr regionale Kontrolle und Verantwortung
zu garantieren.
Die
Neue Nation
Der erste
Präsident der Vereinigten Staaten, George Washington, regierte
im Stil der Föderalisten. Als Bauern in Pennsylvania sich weigerten,
eine Alkoholsteuer zu bezahlen, mobilisierte Washington 15 000 Männer,
um die sogenannte "Whiskey Rebellion" niederzuschlagen. Unter Leitung
seines Finanzministers, Alexander Hamilton, übernahm die Bundesregierung
die Schulden der einzelnen Staaten und gründete eine Zentralbank.
1797 wurde erneut
ein Föderalist, John Adams, zum Präsidenten gewählt und
1801 der Republikaner Thomas Jefferson. Jefferson kaufte 1803 Frankreich
für $15 Millionen das umfangreiche Louisiana Territorium ab. Die
Vereinigten Staaten erstreckten sich nun bis zu den Rocky Mountains.
Auch der Oberste
Gerichtshof behauptete seine Autorität. 1803 setzte der höchste
Richter John Marshall fest, daß das Gericht Maßnahmen des
Kongresses, die der Verfassung widersprachen, aufheben konnte. Damit
wurde ein Grundsatz des amerikanischen Verfassungsrechts eingeführt.
Die letzte Instanz bei der Auslegung der Verfassung ist der Oberste
Gerichtshof. Erklären die Richter ein Gesetz für verfassungswidrig,
kann es dieses Gesetz aufheben, auch wenn es vom Kongreß in Kraft
gesetzt und vom Präsidenten unterzeichnet wurde.
Während der
Napoleonischen Kriege drangsalierten britische und französische
Kriegsschiffe amerikanische Handelsschiffe. Daraufhin verbot Jefferson
amerikanische Exporte nach Europa, aber Händler aus New England
protestierten, daß dieses Embargo ihren Handel ruiniere. Der Kongress
hob das Verbot 1809 auf. 1812 brach unter Präsident James Madison
aus diesem Grund jedoch ein Krieg mit Britannien aus.
Während des
Krieges von 1812 erzielten die amerikanischen Kriegsschiffe einige beeindruckende
Siege, aber die weit überlegene britische Marine blockierte amerikanische
Häfen. Amerikanische Versuche Kanada zu erobern, scheiterten kläglich,
und britische Truppen nahmen Washington, die neue Hauptstadt, ein und
brannten sie nieder. Im Dezember 1814 vereinbarten Britannien und die
Vereinigten Staaten einen Kompromißfrieden. Keine Seite machte
Zugeständnisse.
Dem Krieg folgte
in den USA eine Zeit des schnellen Wirtschaftswachstums. Ein nationenweites
Netz von Straßen und Wasserkanälen wurde gebaut, Dampfer
fuhren auf den Flüssen, und 1830 öffnete die erste Dampfeisenbahnlinie
in Baltimore, Maryland. Die industrielle Revolution hatte Amerika erreicht.
Es gab Spinnereien in New England und Eisengießereien in Pennsylvania.
In den 1850er Jahren produzierten Fabriken Nähmaschinen, Schuhe,
Kleidung, landwirtschaftliche Geräte, Gewehre, Uhren, und Waren
aus Gummi.
Die Siedlungsgrenze
verschob sich erst nach Westen bis zum Mississippi, dann noch weiter
nach Westen. 1828 wurde mit Andrew Jackson erstmals ein Mann Präsident,
der aus einer armen Familie kam und im Westen geboren worden war, entfernt
von den kulturellen Traditionen der Atlantikküste. Er brach die
Macht der Nationalbank, die die Wirtschaft beherrscht hatte und öffnete
weitere Gebiete zur Besiedlung. Dies geschah hauptsächlich, indem
er Indianerstämme zwang, in Gebiete westlich des Mississippi zu
ziehen.
Konflikte
Die optimistische
Grundeinstellung der Epoche Jackson wurde durch die Existenz eines sozialen
Widerspruchs getrübt. Die Sklaverei - zunehmend als soziales Übel
erkannt - würde die Nation letztendlich spalten. Die Worte der
Unabhängigkeitserklärung - "alle Männer sind gleich erschaffen"
- hatten keine Bedeutung für 1,5 Millionen Sklaven. Thomas Jefferson,
selber Sklavenhalter, erkannte, daß das System inhuman war und
attackierte es bereits in seinem Entwurf für die Verfassung, aber
Abgeordnete aus dem Süden erzwangen die Streichung der entsprechenden
Passagen. Die Einfuhr von Sklaven wurde 1808 verboten, und viele nördliche
Staaten schafften die Sklaverei ab. Die südliche Wirtschaft basierte
jedoch hauptsächlich auf großen Plantagen, auf denen unter
Einsatz von Sklaven Baumwolle, Reis, Tabak und Zucker angebaut wurde.
Aber auch in einigen südlichen Staaten gab es kleine Gruppen von
freien Schwarzen, die als Handwerker oder Händler arbeiteten.
1820 debattierten
Politiker aus dem Norden und dem Süden die Frage, ob Sklaverei
in den westlichen Territorien erlaubt sein sollte. Der Kongreß
stimmte einem Kompromiß zu: Sklaverei würde in dem neuen
Staat Missouri und im Arkansas Territorium erlaubt, in allen anderen
Gebieten westlich und nördlich von Missouri aber verboten sein.
Doch damit war das Thema nicht beendet. Vorwiegend im Norden entstanden
Organisationen zur Abschaffung der Sklaverei, während im Süden
die Sklaverei zunehmend verteidigt wurde. Die Nation spaltete sich auch
bei der Frage von hohen Zöllen, die die Industrie im Norden schützten
und Preise im Süden erhöhten.
Inzwischen hatten
sich tausende Amerikaner in Texas niedergelassen, das damals noch ein
Teil Mexikos war. Die Texaner empfanden die mexikanische Herrschaft
unter General Santa Anna zunehmend als repressiv, und rebellierten 1835.
Sie schlugen die mexikanische Armee und gründeten die unabhängige
Republik Texas. 1845 gliederten die Vereinigten Staaten Texas ein. Mexiko
suspendierte daraufhin die diplomatischen Beziehungen. Präsident
James K. Polk beorderte amerikanische Truppen in ein strittiges Territorium
an der mexikanischen Grenze. Nach einem Kampf zwischen mexikanischen
und amerikanischen Soldaten im Mai 1846, erklärte der Kongreß
Mexiko den Krieg.
Die amerikanische
Armee landete in der Nähe von Vera im März 1847 und nahm Mexiko
Stadt im September ein. Als Gegenleistung für eine Zahlung von
$ 15 Millionen mußte Mexiko ein gewaltiges Gebiet abtreten - das
heutige Kalifornien, Arizona, Nevada, Utah, New Mexico und Colorado.
Schon 1846 hatten
die Vereinigten Staaten, nach Beendigung eines langjährigen Grenzstreites
mit dem britischen Kanada, den eindeutigen Rechtsanspruch an der südlichen
Hälfte des Oregon Country erhalten- den heutigen Staaten Oregon,
Washington und Idaho. So wurde Amerika eine wahrhaftig kontinentale
Macht, die sich vom Atlantik bis zum Pazifik erstreckte.
Die Übernahme
der neuen Territorien weckte eine alte Frage: Sollte in den neuen Gebieten
Sklaverei erlaubt sein? 1850 stimmte der Kongreß einem weiteren
Kompromiß zu. Kalifornien sollte ein freier Staat sein, die Einwohner
von Utah und New Mexico sollten über die Frage abstimmen. Der Kongreß
erließ auch den "Fugitive Slave Act", der es den südlichen
Staaten ermöglichte Sklaven einzufangen, die in die freien nördlichen
Staaten geflohen waren. Einige nördliche Staaten setzten dieses
Gesetz aber nicht durch, und Gegner der Sklaverei halfen weiterhin fliehenden
Sklaven. Harriet Beecher Stowe aus Massachusetts schrieb "Uncle Tom's
Cabin", einen sentimentalen, aber beeindruckenden Roman gegen die Sklaverei,
der viele Leser zu Sklavereigegnern machte. Sklaverei wurde im amerikanischen
politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben sukzzive zu einem
zentralen Streitpunkt.
1854 überzeugte
Senator Stephen Douglas aus Illinois den Kongreß davon, die Einwohner
des Territoriums von Kansas und Nebraska über Sklaverei in ihrem
Gebiet abstimmen zu lassen. Damit wurde der Missouri Kompromiss von
1820 aufgehoben. In Kansas kam es daraufhin zu gewalttätigen Auseinandersetzungen
zwischen Befürwortern und Gegnern der Sklaverei. 1857 traf der
Oberste Gerichtshof die Entscheidung, daß Afro-Amerikaner keine
amerikanischen Bürgerrechte hätten und der Kongreß keine
Macht habe, die Sklaverei in den westlichen Territorien zu verbieten
("Dred Scott decision").
Im Senatswahlkampf
1858 trat Abraham Lincoln gegen den amtierenden demokratischen Senator
Stephen Douglas aus Illinois an. In einer Reihe historischer Debatten
mit Douglas forderte Lincoln ein Ende der Ausbreitung der Sklaverei.
Er war bereit, die Sklaverei in den südlichen Staaten zu tolerieren,
aber gleichzeitig bekräftigte er, daß "diese Regierung nicht
auf Dauer als halb Sklave und halb Frei Bestand haben kann."
Bürgerkrieg
Zwar hatte
Lincoln den Kampf um den Senat verloren, doch standen sich Douglas und
er 1860 erneut gegenüber - diesmal als Kandidaten der Republikaner
und Demokraten für die Präsidentschaft. Die Spannungen zwischen
dem Norden und Süden hatten sich inzwischen extrem erhöht.
1859 hatte der überzeugte Sklavereigegner John Brown versucht,
einen Sklavenaufstand in Virginia zu organisieren, indem er ein Munitionsdepot
der Armee angriff. Brown wurde schnell gefangen, verurteilt und gehängt.
Zahlreiche Personen im Norden sahen ihn daraufhin als Märtyrer.
Die im Süden lebenden Weißen waren hingegen nun überzeugt,
daß der Norden bereit war zur Beendigung der Sklaverei einen blutigen
Krieg zu führen. Douglas drängte zwar die Demokraten im Süden,
in der Union zu bleiben, aber sie stellten ihren eigenen Kandidaten
auf und drohten mit Sezession, falls die Republikaner gewinnen sollten.
In allen südlichen
Staaten und allen Grenzstaaten stimmte die Mehrheit gegen Lincoln, aber
der Norden unterstützte ihn und er gewann die Wahl. Einige Wochen
später sagte sich South Carolina von der Union los, kurz darauf
gefolgt von Mississippi, Florida, Alabama, Georgia, Louisiana, Texas,
Virginia, Arkansas, Tennessee und North Carolina. Diese elf Staaten
erklärten sich selber zu einer eigenständigen Nation - den
Confederate States of America (Konföderierten Staaten von Amerika)
- und der amerikanische Bürgerkrieg brach aus.
Die Südstaatler
erklärten, daß sie nicht ausschließlich für den
Erhalt der Sklaverei kämpften. Schließlich seien fast alle
Soldaten der Konföderierten zu arm, um Sklaven zu besitzen. Der
Süden führe einen Krieg für die Unabhängigkeit -
eine zweite amerikanische Revolution. Die Konföderierten hatten
zumeist den Vorteil, daß sie auf heimischem Boden kämpften
und ihre Moral ausgezeichnet war. Sie hatten hervorragende Soldaten,
Kavalleristen und Generäle, aber die Truppen der Union (Norden)
waren ihnen zahlenmäßig weit überlegen. Das Eisenbahnnetz
und die Industrie im Süden konnten einen modernen Krieg nicht unterstützen.
Die Marine der Union blockierte rasch die Häfen, was zu schwerwiegenden
Engpässen bei Kriegsmaterial und Verbrauchsgütern in der Konföderation
führte. Um den Krieg führen zu können, setzten beide
Seiten einige Bürgerrechte aus, druckten Unmengen von Papiergeld
und führten die Einberufung zum Militär ein.
Lincoln verfolgte
zwei Prioritäten: die Vereinigten Staaten als ein Land zu
erhalten und die Sklaverei abzuschaffen. Er erkannte, daß er Unterstützung
für die Union zuhause und in Übersee gewinnen konnte, indem
er den Krieg zu einem Kampf gegen die Sklaverei machte. Entsprechend
gab er am 1. Januar 1863 die "Emancipation Proclamation" heraus, die
allen Sklaven in den noch von den Konföderierten gehaltenen Gebieten
die Freiheit gab.
Die Konföderierten
konnten am Anfang des Krieges einige Siege verzeichnen, aber im Sommer
1863 marschierte ihr Kommandant General Robert E. Lee nach Norden nach
Pennsylvania. Er traf in Gettysburg auf die Armee der Union und die
größte Schlacht, die je auf amerikanischem Boden geführt
wurde, folgte. Nach drei Tagen verzweifeltem Kampfes, wurden die Konföderierten
geschlagen. Gleichzeitig nahm der General der Union Ulysses S. Grant
die strategisch wichtig gelegene Stadt Vicksburg am Mississippi ein.
Die Truppen der Union kontrollierten nun das gesamte Mississippi Tal
und spalteten die Konföderation geographisch in zwei.
1864 marschierte
die Armee der Union unter General William T. Sherman durch Georgia und
hinterließ verbrannte Erde. In der Zwischenzeit hatte General
Grant unablässig Lees Truppen bekämpft. Am 2. April 1865 mußte
Lee die Stadt Richmond, die Hauptstadt der Konföderation, aufgeben.
Eine Woche später ergab er sich Grant im Gerichtsgebäude von
Appomattox, und bald folgten alle anderen Einheiten der Konföderation.
Am 14. April wurde Lincoln vom Schauspieler John Wilkes Booth ermordet.
Der Bürgerkrieg
war die traumatischste Episode in der amerikanischen Geschichte. Auch
heute sind die Narben noch nicht vollständig verheilt. Alle späteren
Kriege, an denen Amerika beteiligt war, würden außerhalb
der Landesgrenzen stattfinden, aber dieser Konflikt zerstörte den
Süden und brachte die gesamte Region unter Militärherrschaft.
Amerika verlor mehr Soldaten in diesem Krieg als in jedem anderen -
insgesamt belief sich die Zahl der Toten auf 635 000.
Der Krieg löste
zwei grundlegende Fragen, die die Vereinigten Staaten seit 1776 geteilt
hatten. Er beendete die Sklaverei, die durch den 13. Zusatz zur Verfassung
1865 abgeschafft wurde. Es wurde auch festgelegt, daß Amerika
keine Ansammlung halb-unabhängiger Staaten war, sondern eine einzige,
unteilbare Nation.
|