Rede von Präsident Bush bei der Sondersitzung des Deutschen
Bundestages
Berlin, Deutscher Bundestag
23. Mai 2002
Herr Bundestagspräsident, herzlichen Dank für Ihre freundliche
Einführung. Und vielen Dank für die Gelegenheit, heute
hier zu sein. Bundespräsident Rau, Bundeskanzler Schröder,
vielen herzlichen Dank. Soviel ich weiß, ist der ehemalige
Bundeskanzler Kohl hier. Ich möchte den Mitgliedern des Bundestages
danken. Wie geht es Ihnen?
Ich war ein bisschen nervös, als der Bundestagspräsident
mir sagte, Sie seien alle in Urlaub. Ich kann mir gut vorstellen,
wie die Kongressabgeordneten reagieren würden, wenn ich sie
alle aus dem Urlaub zurückrufen würde, um eine meiner
Reden zu hören. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Es ist
mir eine große Ehre, hier zu sein. Meine Frau Laura und ich
sind sehr dankbar für Ihre Gastfreundschaft.
Ich hatte das Vergnügen, Ihren Bundeskanzler bereits dreimal
in Washington zu begrüßen, und wir haben enge Beziehungen
aufgebaut. Herr Bundeskanzler, ich bin Ihnen dankbar.
Jetzt habe ich die Ehre, diese großartige Stadt zu besuchen.
Die Geschichte unserer Zeit spiegelt sich im Leben Berlins wider.
In diesem Gebäude wurden Feuer des Hasses entfacht, die sich
auf der ganzen Welt ausbreiteten. Flugzeuge der Alliierten brachten
dieser Stadt während einer 323 Tage und Nächte andauernden
Belagerung Nahrungsmittel und Hoffnung. Über eine schändliche
Trennlinie sprangen Männer und Frauen aus Wohnhäusern
und durchbrachen Stacheldraht, um in Freiheit zu leben oder bei
dem Versuch zu sterben. Ein amerikanischer Präsident kam hier
her, um sich stolz einen Bürger Berlins zu nennen. Ein anderer
Präsident forderte die Sowjets auf: "reißen Sie
diese Mauer nieder". Und in einer Nacht im November nahmen
die Berliner die Geschichte in die Hand und vereinten ihre Stadt.
In der Spanne eines Lebens haben die Menschen dieser Hauptstadt
und dieses Landes 12 Jahre Diktatur erduldet, unter 40 Jahren bitterer
Teilung gelitten und in diesem herausfordernden Jahrzehnt der Wiedervereinigung
obsiegt. Aus allen diesen Bewährungsproben ist Deutschland
als verantwortungsvolle, wohlhabende und friedliche Nation hervorgegangen.
Wie der Bundespräsident erwähnte sprach mein Vater vor
mehr als einem Jahrzehnt von Deutschland und den Vereinigten Staaten
als Partner in der Führung - und das ist Wirklichkeit geworden.
Ein neues Zeitalter ist angebrochen: Das starke Deutschland, das
Sie aufgebaut haben, hat sich auf der Welt bewährt.
Auf beiden Seiten des Atlantiks war die Generation unserer Väter
aufgerufen, herausragende Ereignisse zu gestalten - und sie schufen
das großartige transatlantische Bündnis der Demokratien.
Sie schufen das erfolgreichste Bündnis der Geschichte. Nach
dem Kalten Krieg, in der relativ ruhigen Zeit der neunziger Jahre,
fragten sich einige, ob unsere transatlantische Partnerschaft noch
einem Zweck diente. Die Geschichte gab die Antwort. Unsere Generation
sieht sich neuen, schwerwiegenden Bedrohungen der Freiheit, der
Sicherheit unserer Völker und der Zivilisation selbst gegenüber.
Wir sind mit einer aggressiven Kraft konfrontiert, die den Tod glorifiziert,
Unschuldige als Ziel auswählt und die Mittel anstrebt, in großem
Ausmaß zu morden.
Wir stehen vor der globalen Tragödie von Krankheit und Armut,
die unzählige Leben fordern und ganze Nationen anfällig
für Unterdrückung und Terror machen.
Wir werden diesen Herausforderungen gemeinsam begegnen. Wir müssen
ihnen gemeinsam begegnen. Diejenigen, die die Freiheit der Menschen
verachten, werden sie auf jedem Kontinent angreifen. Diejenigen,
die den Besitz von Raketen und schrecklichen Waffen anstreben, kennen
auch die Karte Europas. Wie die Bedrohungen einer anderen Zeit,
können auch diese Bedrohungen nicht ignoriert oder beschwichtigt
werden. Indem wir geduldig, unnachgiebig und entschlossen vorgehen,
werden wir die Feinde der Freiheit besiegen.
Indem wir weiterhin geeint handeln, begegnen wir den modernen Bedrohungen
mit den größten Ressourcen des Reichtums und des Willens,
die freie Nationen je aufbrachten. Gemeinsam haben Europa und die
Vereinigten Staaten das kreative Talent, die Wirtschaftsmacht, das
moralische Erbe und die demokratische Vision, unsere Freiheit zu
schützen und die Sache des Friedens voranzubringen.
So unterschiedlich wir sind, wir bauen und verteidigen das gleiche
Haus der Freiheit - seine Türen stehen allen Völkern Europas
offen, seine Fenster blicken auf die globalen Herausforderungen
dahinter. Wir müssen die Grundlagen mit einem Europa schaffen,
das zum ersten Mal in seiner Geschichte ungeteilt, frei und in Frieden
lebt. Dieser Jahrhunderte alte Traum ist in greifbare Nähe
gerückt.
Vom Wald der Argonne bis zum Brückenkopf von Anzio haben Konflikte
in Europa das Blut von Millionen gefordert und dabei Leben auf der
ganzen Welt verschwendet und zerstört. Es gibt tausende Denkmäler
in Parks und auf Plätzen in meinem ganzen Land, jungen Männern
von 18, 19 oder 20 Jahren gewidmet, deren Leben in einer Schlacht
auf diesem Kontinent endete. Wir sind die erste Generation seit
hundert Jahren, die keinen neuen Krieg in Europa fürchten oder
mit ihm rechnen muss. Und diese Leistung - Ihre Leistung - ist eine
der größten der Neuzeit.
Wenn die Einigung Europas voranschreitet, nimmt die Sicherheit
in Europa und Amerika zu. Mit der Integration Ihrer Märkte
und einer gemeinsame Währung in der Europäischen Union
schaffen Sie die Voraussetzungen für Sicherheit und gemeinsame
Zielsetzungen. In allen diesen Schritten sehen die Vereinigten Staaten
nicht den Aufstieg eines Rivalen, sondern das Ende alter Feindseligkeiten.
Wir sehen den Erfolg unserer Bündnispartner, und beglückwünschen
Sie zu Ihren Fortschritten.
Die Erweiterung der NATO wird auch die Sicherheit auf diesem Kontinent
erweitern, insbesondere für die Länder, die im letzten
Jahrhundert wenig Frieden oder Sicherheit kannten. Wir haben uns
vorsichtig in diese Richtung bewegt. Nun müssen wir entschlossen
handeln.
Der Gipfel in Prag rückt näher, und die Vereinigten Staaten
engagieren sich für die Mitgliedschaft aller europäischer
Demokratien in der NATO, die bereit zur Übernahme der Verantwortung
sind, die die NATO mit sich bringt. Jeder Teil Europas sollte an
der Sicherheit und dem Erfolg dieses Kontinents teilhaben. Ein umfassenderes
Bündnis wird die NATO stärken - es wird das Versprechen
der NATO erfüllen.
Eine weitere gemeinsame Mission ist die Ermutigung des russischen
Volks, seine Zukunft in Europa zu suchen - zusammen mit Amerika.
Russland hat seit 1917 die beste Chance, Teil der europäischen
Familie zu werden. Die Umgestaltung Russlands ist noch nicht beendet;
der Ausgang noch nicht entschieden. Aber trotz aller Probleme und
Herausforderungen bewegt Russland sich in Richtung Freiheit - mehr
Freiheit in seiner Politik und auf seinen Märkten - eine Freiheit,
die es Russland ermöglichen wird, als große und gerechte
Nation zu handeln. Ein Russland, das in Frieden mit seinen Nachbarn
lebt und die legitimen Rechte von Minderheiten achtet, ist in Europa
willkommen.
Zwischen Russland und den Vereinigten Staaten entsteht eine neue
Partnerschaft. Russland unterstützt den Krieg gegen den globalen
Terror auf entscheidende Weise. Ein russischer Oberst arbeitet jetzt
mit Heeresgeneral Tommy Franks, dem Befehlshaber des Kriegs in Afghanistan,
zusammen. Und in Afghanistan selbst ist Russland beim Aufbau von
Krankenhäusern und einer besseren Zukunft für das afghanische
Volk behilflich.
Die Vereinigten Staaten und Europa müssen sich des alten Misstrauens
entledigen und ihre gemeinsamen Interessen mit Russland verwirklichen.
Morgen in Moskau werden Präsident Putin und ich wieder gemäß
diesen Interessen handeln.
Die Vereinigten Staaten und Russland befreien sich von den letzten
Relikten der Konfrontation des Kalten Kriegs. Wir sind über
einen ABM-Vertrag hinausgegangen, der uns davon abhielt, unser Volk
und unsere Freunde zu verteidigen. Einige warnten, dass ein Hinausgehen
über den ABM-Vertrag ein Wettrüsten auslösen könnte.
Stattdessen sind Präsident Putin und ich dabei, die drastischste
Vereinbarung über den Rüstungsabbau der Geschichte zu
unterzeichnen. Sowohl die Vereinigten Staaten als auch Russland
werden ihre Nukleararsenale und etwa zwei Drittel reduzieren - auf
das niedrigste Niveau seit Jahrzehnten.
Alte Rüstungsabkommen zielten auf die Handhabung von Feindseligkeiten
und die Wahrung eines Gleichgewichts des Schreckens ab. Diese neue
Vereinbarung berücksichtigt, dass Russland und der Westen keine
Feinde mehr sind.
Das gesamte transatlantische Bündnis gestaltet die Beziehungen
zu Russland neu. Nächste Woche in Rom werden Bundeskanzler
Schröder, unsere Bündnispartner in der NATO und ich als
gleichwertige Partner mit Präsident Putin bei der Gründung
des NATO-Russland-Rats zusammentreffen. Der Rat gibt uns die Möglichkeit,
eine gemeinsame Sicherheit vor gemeinsamen Bedrohungen zu schaffen.
Wir werden mit Projekten zur Nichtverbreitung, der Bekämpfung
des Terrorismus sowie Such- und Rettungseinsätzen beginnen.
Mit der Zeit werden wir diese Zusammenarbeit erweitern und gleichzeitig
die Kernaufgaben der NATO erhalten. Viele Generationen haben ängstlich
auf Russland geblickt. Unsere Generation kann diesen Schatten endlich
von Russland nehmen, indem es die Freundschaft eines neuen demokratischen
Russlands annimmt.
Während wir unser Bündnis erweitern und Russland einbeziehen,
müssen wir auch über Europa hinaus auf Gefahren und bedeutende
Verantwortung blicken. Beim Aufbau des Hauses der Freiheit müssen
wir auch die Herausforderungen einer größeren Welt berücksichtigen.
Und wir müssen uns ihnen gemeinsam stellen.
Für die Vereinigten Staaten war der 11. September 2001 ein
tiefer Einschnitt in ihrer Geschichte - die Ende einer Ära,
das ebenso scharf und deutlich zu Tage trat wie Pearl Harbor oder
der erste Tag der Berlin-Blockade. Es kann auf einer Welt, die der
Gnade von Terroristen ausgeliefert ist, keine dauerhafte Sicherheit
geben - weder für meine noch für irgendeine andere Nation.
Angesichts dieser Bedrohung ist die bestimmende Zielsetzung der
NATO - unsere kollektive Verteidigung - so vordringlich wie eh und
je. Die Vereinigten Staaten und Europa benötigen sich gegenseitig,
um den Krieg gegen den globalen Terror zu führen und zu gewinnen.
Mein Land ist wirklich dankbar für die Anteilnahme des deutschen
Volks und die starke Unterstützung Deutschlands und ganz Europas.
Truppen aus über einem Dutzend europäischer Länder
sind in und um Afghanistan stationiert, darunter tausende Soldaten
aus diesem Land. Es ist die erste Stationierung deutscher Streitkräfte
außerhalb Europas seit 1945. Deutsche Soldaten sind in diesem
Krieg gestorben, und wir beklagen ihren Verlust ebenso wie wir unseren
eigenen beklagen. Deutsche Behörden sind Terrorzellen und ihren
Finanzquellen auf der Spur. Und die deutsche Polizei ist den Afghanen
beim Aufbau ihrer eigenen Polizei behilflich. Wir sind außerordentlich
dankbar für die Unterstützung.
Gemeinsam widersetzen wir uns einem Feind, der sich an Gewalt und
dem Schmerz von Unschuldigen nährt. Die Terroristen werden
von ihren Hassgefühlen bestimmt: Sie hassen Demokratie und
Toleranz und Meinungsfreiheit und Frauen und Juden und Christen
und alle Moslems, die nicht ihrer Meinung sind. Andere töteten
im Namen der Reinheit der Rasse oder des Klassenkampfs. Diese Feinde
töten im Namen einer falschen Reinheit, sie pervertieren den
Glauben, den sie zu haben behaupten. . In diesem Krieg verteidigen
wir nicht nur die Vereinigten Staaten oder Europa, wir verteidigen
die Zivilisation an sich.
Das Böse, das sich gegen uns aufgebaut hat, wird die "neue
totalitäre Bedrohung" genannt. Die Autoren des Terrors
streben den Besitz atomarer, chemischer und biologischer Waffen
an. Regime, die den Terror unterstützen, entwickeln diese Waffen
und ihre Trägersysteme. Wenn diese Regime und ihre terroristischen
Verbündeten diese Fähigkeiten perfektionieren würden,
könnte keine innere Stimme der Vernunft, kein Hauch von Gewissen
ihren Einsatz verhindern.
Wunschdenken mag tröstlich sein, es fördert allerdings
nicht die Sicherheit. Sie können dies eine strategische Herausforderung
nennen; Sie können es wie ich, eine Achse des Bösen nennen;
Sie können es nennen, wie Sie möchten, aber lassen Sie
uns die Wahrheit sagen. Wenn wir diese Bedrohung ignorieren, fordern
wir zu einer Art Erpressung auf und bringen Millionen von Bürgern
in ernsthafte Gefahr.
Unsere Reaktion wird vernünftig, konzentriert und bewusst
sein. Wir werden mehr als unsere militärische Macht einsetzen.
Wir werden die Finanzquellen der Terroristen austrocknen, diplomatischen
Druck ausüben und weiterhin nachrichtendienstliche Erkenntnisse
austauschen. Die Vereinigten Staaten werden sich in jeder Phase
eng mit ihren Freunden und Bündnispartnern beraten. Aber täuschen
Sie sich nicht, wir werden und müssen uns mit dieser Verschwörung
gegen unsere Freiheit und unser Leben auseinandersetzen.
Angesichts neuer Bedrohungen benötigt die NATO eine neue Strategie
und neue Fähigkeiten. Von Europa ausgehende Gefahren können
Europa jetzt im Herzen treffen - die NATO muss also in der Lage
und bereit sein, immer dann zu handeln, wenn Bedrohungen auftreten.
Dies wird alle Mittel der modernen Verteidigung erfordern - mobile
und stationierbare Streitkräfte, komplexe Sondereinsätze,
die Fähigkeit, unter der Bedrohung durch chemische und biologische
Waffen zu kämpfen. Jedes Land muss sich auf die militärischen
Stärken konzentrieren, die es mit in des Bündnis bringen
kann, mit den schwierigen Entscheidungen und den finanziellen Verpflichtungen,
die dies erfordert. Wir wissen nicht, woher die nächste Bedrohungen
kommen könnte; wir wissen wirklich nicht, in welcher Form sie
auftreten könnte. Aber wir müssen als vollwertige militärische
Partner bereit sein, uns diesen Bedrohungen unserer Sicherheit zu
stellen.
Eine Art und Weise, unsere Sicherheit zu verbessern, ist die Bewältigung
Gewalt schürender regionaler Konflikte. Unsere Arbeit auf dem
Balkan und in Afghanistan zeigt, wie viel wir erreichen können,
wenn wir Seite an Seite stehen. Wir müssen uns weiterhin für
den Frieden im Nahen Osten einsetzen. Dieser Frieden muss die dauerhafte
Sicherheit des jüdischen Volks gewährleisten. Und dieser
Frieden muss dem palästinensischen Volk einen eigenen Staat
garantieren.
Inmitten terroristischer Gewalt im Nahen Osten mag die Hoffnung
auf eine dauerhafte Lösung in weiter Ferne scheinen. So beurteilten
viele einst die Aussicht auf Frieden zwischen Polen und Deutschland,
Deutschland und Frankreich, Frankreich und England, Protestanten
und Katholiken. Dennoch haben wir gesehen, wie Feinde nach Generationen
gegenseitiger Gewalt und Demütigung in einem neuen Europa Partner
und Verbündete wurden. Wir beten für den Nahen Osten um
den gleichen Heilungsprozess, die gleiche Überwindung von Hass.
Wir in unserem Streben nach diesem Frieden unermüdlich sein.
Wir müssen uns bewusst machen, dass Gewalt und Ressentiments
durch Fortschritte im Gesundheits- und Bildungswesen und beim Wohlstand
besiegt werden. Armut bringt keinen Terror hervor - aber Terror
wurzelt in gescheiterten Nationen, die keinen funktionierenden Polizeiapparat
haben oder nicht für ihre Bevölkerung sorgen können.
Unser Gewissen und unsere Interessen stimmen überein: um eine
sicherere Welt zu schaffen, müssen wir eine bessere Welt schaffen.
Die Erweiterung des Handels in unserer Zeit ist einer der Hauptgründe
für unsere Fortschritte bei der Bekämpfung der Armut.
In Doha verpflichteten wir uns, auf diesen Fortschritten aufzubauen,
und wir müssen dieser Verpflichtung nachkommen. Die transatlantischen
Nationen müssen eine Lösung für den kleinen, strittigen
Teil unserer umfassenden Handelsbeziehungen im Rahmen der Regeln
und Streitschlichtungsmechanismen der Welthandelsorganisation finden
- ob es sich bei diesen Streitigkeiten um Steuerrecht, Stahl, Landwirtschaft
oder Biotechnologie handelt.
Damit alle Nationen von den Weltmärkten profitieren, benötigen
sie eine gesunde Bevölkerung, die lesen und schreiben kann.
Um den Entwicklungsländern beim Erreichen dieser Ziele behilflich
zu sein, haben die führenden Politiker der wohlhabenden Nationen
eine Gewissenspflicht - wir haben die Pflicht, unseren Wohlstand
großzügig und klug mit anderen zu teilen. Die Regierungen
armer Länder haben eine Verpflichtung gegenüber ihrer
eigenen Bevölkerung - aber sie haben auch die Pflicht, Reformen
durchzuführen, die vorübergehende Hilfe in dauerhafte
Fortschritte verwandeln.
Ich habe vorgeschlagen, dass die neue amerikanische Hilfe an Länder
geht, die sich auf diesem Weg der Reform befinden. Die Vereinigten
Staaten werden ihren Kernhaushalt für Entwicklungshilfe in
den nächsten drei Haushaltsjahren um 50 Prozent aufstocken.
Sie wird bis zu fünf Milliarden Dollar im Jahr erhöht,
über das hinaus, was wir bereits zur Entwicklung beitragen.
Wenn Länder gerecht regiert werden, profitieren die Menschen.
Wenn Länder ungerecht zu Gunsten einiger weniger Korrupter
regiert werden, wird auch noch so viel Entwicklungshilfe den bedürftigen
Menschen nicht helfen. Wenn Länder gerecht regiert werden -
wenn Länder gerecht regiert werden, wenn sie in das Bildungs-
und Gesundheitswesen investieren und wirtschaftliche Freiheit fördern,
haben sie unsere Unterstützung. Und von noch größerer
Bedeutung ist, dass diese aufstrebenden Nationen selbst die Fähigkeit
und schließlich auch die erforderlichen Ressourcen haben werden,
um Krankheiten zu bekämpfen und ihre Umwelt zu verbessern und
für ihre Bevölkerung ein Leben in Würde zu ermöglichen.
Sehr geehrte Mitglieder des Bundestags, wir haben uns aufgrund
eines ernsten Ziels versammelt - eines sehr ernsten Ziels - von
dem die Sicherheit unserer Bevölkerung und das Schicksal unserer
Freiheit jetzt abhängt. Wir schaffen eine Welt der Gerechtigkeit,
oder wir werden in einer Welt der Zwänge leben. Das Ausmaß
unserer gemeinsamen Verantwortung lässt unsere Meinungsverschiedenheiten
belanglos erscheinen. Und diejenigen, die unsere Meinungsverschiedenheiten
übertreiben, spielen ein leicht durchschaubares Spiel und haben
ein simples Verständnis unserer Beziehungen.
Die Vereinigten Staaten und die Nationen Europas sind mehr als
militärische Verbündete; wir sind mehr als Handelspartner;
wir sind die Erben der gleichen Zivilisation. Die Versprechungen
der Magna Charta, die Lehren Athens, die Kreativität von Paris,
das unerschütterliche Gewissen Luthers, der sanfte Glaube des
Heiligen Franziskus - alles dies ist Teil der amerikanischen Seele.
Die Neue Welt war erfolgreich, indem sie die Werte der Alten Welt
achtete.
Unsere Geschichte driftete manchmal auseinander, dennoch versuchen
wir, nach den gleichen Idealen zu leben. Wir glauben an freie Märkte,
gemildert durch Mitgefühl. Wir glauben an offene Gesellschaften,
die unveränderliche Wahrheiten widerspiegeln. Wir glauben an
den Wert und die Würde jeden Lebens.
Diese Wertüberzeugungen verbinden unsere Kulturen und bringen
unsere Feinde gegen uns auf. Diese Wertüberzeugungen sind allgemein
gültig und richtig. Sie prägen unsere Nationen und unsere
Partnerschaft auf einzigartige Weise. Diese Überzeugungen veranlassen
uns, Tyrannei und das Böse zu bekämpfen, wie es andere
vor uns getan haben.
Einer der größten Deutschen des 20. Jahrhunderts war
Pastor Dietrich Bonhoeffer. Er verließ die Sicherheit Amerikas,
um sich gegen das nationalsozialistische Regime zu stellen. In einer
dunklen Stunde gab er Zeugnis ab vom Evangelium des Lebens und zahlte
den Preis für seinen Glauben - er wurde nur Tage vor der Befreiung
seines Lagers getötet.
"Ich glaube", sagte Bonhoeffer, "dass Gott aus allem,
auch aus dem Bösen, Gutes entstehen lassen kann und will."
Diese Überzeugung wird durch die Geschichte Europas seit diesem
Tag bewiesen - in der Versöhnung und Erneuerung, die diesen
Kontinent verwandelt haben. In den Vereinigten Staaten haben wir
vor kurzem den Schrecken des Bösen und die Macht des Guten
gesehen. In den Bewährungsproben unserer Zeit bekräftigen
wir unsere tiefsten Werte und unsere engsten Freundschaften. In
dieser Kammer, in dieser Stadt, in diesem ganzen Land und auf dem
ganzen Kontinent hat Amerika wertvolle Freunde. Und mit unseren
Freunden bauen wir das Haus der Freiheit - für unsere Zeit
und für alle Zeiten.
Möge Gott Sie segnen.
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