Eine Uebersicht:  Das amerikanische Regierungssytem
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Kapitel 1
Die Verfassung: Ein zeitloses Dokument

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Einheit trotz Vielfalt | Der Entwurf der Verfassung | Ratifizierung: Ein Neuanfang |
DieVerfassung als oberstes Gezetz |

Die Grundlagen des Regierungssystems -
Änderungen der Verfassung | Die Bill of Rights | Wichtiger Schutz individueller Freiheiten

"Eine Verfassung, die lange Zeit überdauern soll und folglich an verschiedene menschliche Krisen angepasst werden muss, muss entsprechende Vorkehrungen enthalten."
— John Marshall, Präsident des Obersten Gerichtshofs, McCulloch ./. Maryland (1819)

Die Verfassung der Vereinigten Staaten ist das zentrale Instrument der amerikanischen Regierung und das oberste Gesetz des Landes. Seit 200 Jahren lenkt sie die Entwicklung der Regierungsinstitutionen und dient als Grundlage für politische Stabilität, individuelle Freiheit, wirtschaftliches Wachstum und sozialen Fortschritt.

Die amerikanische Verfassung ist die älteste noch gültige schriftliche Verfassung der Welt. Sie diente weltweit als Vorbild für eine Reihe weiterer Verfassungen. Ihre Beständigkeit verdankt die Verfassung ihrer Einfachheit und Flexibilität. Ursprünglich wurde sie Ende des 18. Jahrhunderts als Rahmen für das Regieren von mehr als vier Millionen Menschen in 13 sehr unterschiedlichen Staaten an der amerikanischen Atlantikküste geschaffen. Ihre grundlegenden Bestimmungen wurden so sorgfältig ausgearbeitet, dass sie mit nur 27 Zusatzartikeln heute den Bedürfnissen von mehr als 260 Millionen Amerikanern in 50 noch vielfältigeren Staaten entspricht, die sich vom Atlantischen Ozean bis zum Pazifik erstrecken.

Der Weg zur Verfassung war weder geradlinig noch einfach. Nach intensiven Debatten und sechs Jahren Erfahrung mit einer früheren föderalen Union entstand 1787 ein Entwurf. Die 13 britischen Kolonien in Amerika erklärten 1776 ihre Unabhängigkeit vom Mutterland. Ein Jahr zuvor war zwischen den Kolonien und Großbritannien Krieg ausgebrochen, ein Unabhängigkeitskrieg, der sechs bittere Jahre andauerte. Noch während des Krieges entwarfen die Kolonien – die sich nun die Vereinigten Staaten von Amerika nannten – einen Vertrag, der sie als Nation miteinander verband. Der als die "Artikel der Konföderation und ewigen Union" (Articles of Confederation and Perpetual Union) bezeichnete Vertrag wurde 1777 von einem Kongress der Staaten verabschiedet und formell im Juli 1778 unterzeichnet. Die Vereinbarung wurde mit Ratifizierung durch den 13. Staat, Maryland, im März 1781 verbindlich.

Die "Artikel der Konföderation" sahen einen losen Zusammenschluss der Staaten sowie eine Bundesregierung mit sehr eingeschränkten Machtbefugnissen vor. In wichtigen Angelegenheiten wie Verteidigung, öffentliche Finanzen und Handel hing die Bundesregierung vom guten Willen der Legislative der Bundesstaaten ab. Dieses System förderte nicht gerade Stabilität oder Stärke. Innerhalb kürzester Zeit wurde allen die Schwäche der Konföderation bewusst. Politisch und wirtschaftlich befand sich die junge Nation am Rande des Chaos. Mit den Worten George Washingtons, der 1789 zum ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt werden sollte, wurden die 13 Staaten lediglich durch ein "imaginäres Band" zusammengehalten.

Unter diesen unheilvollen Umständen entstand die Verfassung der Vereinigten Staaten. Im Februar 1787 richtete der Kontinentalkongress (Continental Congress), die gesetzgebende Körperschaft der Republik, einen Aufruf an die Staaten, Delegierte nach Philadelphia (Pennsylvania) zu entsenden, um die Artikel zu überarbeiten. Die verfassungsgebende Versammlung (Constitutional Convention) wurde am 25. Mai 1787 in der Halle der Unabhängigkeit (Independence Hall) einberufen, in der 11 Jahre zuvor am 4. Juli 1776 die Unabhängigkeitserklärung angenommen wurde. Obwohl die Delegierten lediglich autorisiert waren, die Artikel der Konföderation zu ändern, übergingen sie die Artikel und begannen mit der Erstellung einer Charta für eine völlig neue, zentralisiertere Regierungsform. Das neue Dokument, die Verfassung, wurde am 17. September 1787 vollendet und offiziell am 4. März 1789 verabschiedet.

Die 55 Delegierten, die die Verfassung entwarfen, setzten sich aus den herausragendsten Führungspersönlichkeiten, den Gründervätern der neuen Nation zusammen. Sie vertraten eine Vielzahl von Interessen, waren Menschen verschiedenster Herkunft und gesellschaftlicher Schichten. Alle waren sich jedoch über die zentralen, in der Präambel der Verfassung genannten Ziele einig: "Wir, das Volk der Vereinigten Staaten, von der Absicht geleitet, unseren Bund zu vervollkommnen, die Gerechtigkeit zu verwirklichen, die Ruhe im Innern zu sichern, für die Landesverteidigung zu sorgen, das allgemeine Wohl zu fördern und das Glück der Freiheit uns selbst und unseren Nachkommen zu bewahren, setzen und begründen diese Verfassung für die Vereinigten Staaten von Amerika."

EINHEIT TROTZ VIELFALT

Das Hauptziel der Verfassung war die Schaffung einer starken, gewählten Regierung, die direkt dem Willen des Volkes untersteht. Das Konzept der Selbstverwaltung wurde nicht von Amerikanern entwickelt. Tatsächlich bestand zu der Zeit in England bereits ein gewisses Maß an Selbstverwaltung. Aber der Grad, bis zu dem die Verfassung die Vereinigten Staaten an die Macht durch das Volk band, war einzigartig, sogar revolutionär im Vergleich zu anderen Regierungen auf der Welt. Zum Zeitpunkt der Annahme der Verfassung verfügten die Amerikaner bereits über beträchtliche Erfahrungen in der Kunst der Selbstverwaltung. Lange vor der Erklärung der Unabhängigkeit waren die Kolonien funktionierende Regierungseinheiten, die vom Volk gelenkt wurden. Nach Beginn des Unabhängigkeitskrieges – zwischen dem 1. Januar 1776 und dem 20. April 1777 – verabschiedeten 10 der 13 Staaten ihre eigenen Verfassungen. Die meisten Staaten verfügten über einen von der Legislative der Bundesstaaten gewählten Gouverneur. Die gesetzgebende Körperschaft selbst wurde vom Volk gewählt.

Die Artikel der Konföderation hatten versucht, diese selbstverwalteten Staaten zu einen. Die Verfassung hingegen begründete eine starke zentrale bzw. föderale Regierung mit weit reichenden Machtbefugnissen zur Steuerung der Beziehungen zwischen den Staaten und der alleinigen Verantwortung in Bereichen wie auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung.

Vielen Menschen fiel es schwer, die Zentralisierung zu akzeptieren. Amerika wurde überwiegend von Europäern besiedelt, die ihre Heimat verlassen hatten, um religiöser oder politischer Unterdrückung sowie den starren wirtschaftlichen Strukturen der Alten Welt zu entgehen, die die Menschen unabhängig von ihren Fähigkeiten oder ihrer Tatkraft in bestimmte gesellschaftliche Stellungen zwängten. Diese Siedler schätzten die persönliche Freiheit sehr und ihnen war jede Macht suspekt – besonders die Macht von Regierungen – die individuelle Freiheiten beschränken könnte.

Die Vielfalt der neuen Nation war für die Einheit ebenfalls ein gewaltiges Hindernis. Die Menschen, denen von der Verfassung im 18. Jahrhundert das Recht verliehen wurde, ihre zentrale Regierung zu wählen und zu kontrollieren, waren unterschiedlicher Herkunft, gehörten verschiedenen Glaubensrichtungen an und hatten unterschiedliche Interessen. Viele stammten aus England, aber auch Schweden, Norwegen, Frankreich, Holland, Preußen, Polen und viele andere Länder entsandten Einwanderer in die Neue Welt. Es gab unterschiedliche Glaubensrichtungen, die meist vehement vertreten wurden. Es gab Anglikaner, Katholiken, Kalvinisten, Hugenotten, Lutheraner, Quäker, Juden. Die wirtschaftliche und soziale Bandbreite reichte vom Landadel bis hin zu afrikanischen Sklaven und zur Arbeit verpflichteten Bediensteten, die Schulden abarbeiten mussten. Aber das Rückgrat der Nation war die Mittelschicht – Landwirte, Geschäftsleute, Handwerker, Seeleute, Schiffszimmermänner, Weber, Tischler und viele andere.

Amerikaner hatten damals wie heute sehr unterschiedliche Ansichten zu fast allen Themen, einschließlich der Ablösung von der britischen Krone. Während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges floh eine große Zahl britischer Loyalisten – bekannt als Tories – aus dem Land und siedelte sich überwiegend im östlichen Teil Kanadas an. Diejenigen die blieben, bildeten ein beträchtliches Gegengewicht, obwohl sie untereinander über die Gründe für den Widerstand gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen und die Art der Übereinkunft mit der neuen amerikanischen Republik uneins waren.

In den vergangenen zwei Jahrhunderten nahm die Vielfalt des amerikanischen Volkes zu. Dennoch wurde die für die Nation so wichtige Einheit gestärkt. Im Verlaufe des 19. und bis hinein in das 20. Jahrhundert brachte ein endloser Strom von Einwanderern seine Fähigkeiten und sein jeweiliges kulturelles Erbe mit in die wachsende Nation ein. Pioniere überquerten die Appalachen im Osten, siedelten im Mississippi-Tal und in den Great Plains im Zentrum des Kontinents, dann überquerten sie die Rocky Mountains und erreichten die Küsten des Pazifischen Ozeans – 4.500 Kilometer westlich der ersten Kolonien der Atlantikküste. Mit der Ausbreitung der Nation erkannten alle Siedler den großen Schatz an natürlichen Ressourcen: ein großer Nutzholzbestand, enorme Kohle-, Kupfer-, Eisen- und Ölvorkommen, reichlich Wasserkraft und fruchtbare Böden.

Aus dem Reichtum der neuen Generation erwuchs ihre eigene Form der Vielfalt. Es entstanden spezielle regionale und wirtschaftliche Interessengruppen. Schiffseigentümer von der Ostküste unterstützten den freien Handel. Hersteller aus dem mittleren Westen befürworteten Importzölle zum Schutz ihrer Position auf dem wachsenden US-Markt. Landwirte forderten niedrige Frachtkosten und hohe Güterpreise, Müller und Bäcker waren für niedrige Getreidepreise und Eisenbahnbetreiber sprachen sich für die höchsten möglichen Frachtkosten aus. Banker in New York, Baumwollbauern aus den Südstaaten, texanische Rinderzüchter und Holzfäller aus Oregon hatten alle unterschiedliche Ansichten über die Wirtschaft und die Rolle der Regierung bei ihrer Steuerung.

Die Aufgabe der Verfassung und der durch sie geschaffenen Regierung war es, permanent diese gegensätzlichen Interessen zusammenzubringen, eine gemeinsame Basis zu schaffen und gleichzeitig die Grundrechte aller Menschen zu wahren.

Verglichen mit der Komplexität zeitgenössischer Regierungssysteme erscheinen die Probleme bei der Regierungsgewalt über 4 Millionen Menschen unter wesentlich weniger entwickelten wirtschaftlichen Bedingungen in der Tat klein. Die Väter der Verfassung dachten aber nicht nur an die Gegenwart, sondern auch an die Zukunft der Nation. Sie waren sich der Notwendigkeit bewusst, eine Regierungsstruktur zu schaffen, die nicht nur zu ihren Lebzeiten, sondern auch für kommende Generationen funktionieren würde. Daher wurde eine Bestimmung in die Verfassung aufgenommen, die Änderungen der Urkunde ermöglicht, wenn es die sozialen, wirtschaftlichen oder politischen Bedingungen erfordern. Seit der Ratifizierung wurden 27 Zusatzartikel verabschiedet, und die Flexibilität der Verfassung hat sich als eine ihrer größten Stärken herausgestellt. Ohne diese Flexibilität wäre es undenkbar, dass ein Dokument, das vor mehr als 200 Jahren entworfen wurde, noch immer wirkungsvoll den Bedürfnissen von 260 Millionen Menschen und tausenden von Regierungseinheiten auf allen Ebenen der Vereinigten Staaten von heute gerecht wird. Auch hätte es nicht mit gleicher Kraft und Präzision auf die Probleme kleiner Dörfer und großer Städte angewandt werden können.

Die Verfassung und die Bundesregierung stehen an der Spitze der Regierungspyramide, die kommunale und bundesstaatliche Zuständigkeiten einschließt. Im US-System verfügt jede Regierungsebene über ein hohes Maß an Autonomie, mit speziell ihr vorbehaltenen Zuständigkeiten. Kompetenzstreitigkeiten werden durch Gerichte geklärt. Dennoch gibt es Fragen, die sich auf die nationalen Interessen auswirken und die der zeitgleichen Zusammenarbeit aller Ebenen der Regierung bedürfen. Auch dafür gibt es Regelungen in der Verfassung. Öffentliche Schulen in den Vereinigten Staaten werden beispielsweise überwiegend durch Kommunalbehörden verwaltet, die sich an die bundesstaatlichen Richtlinien halten. Aber die Bundesregierung unterstützt auch Schulen, da Alphabetisierung und Bildung Angelegenheiten von großem nationalen Interesse sind. Sie setzt darüber hinaus einheitliche Standards durch, um die Chancengleichheit in der Bildung zu fördern. Auf anderen Gebieten, wie Wohnungsbau, Gesundheit und Sozialhilfe gibt es eine ähnliche Partnerschaft zwischen den verschiedenen Ebenen der Regierung.

Kein Produkt einer menschlichen Gesellschaft ist perfekt. Trotz der Änderungen enthält die Verfassung der Vereinigten Staaten wahrscheinlich noch immer Schwachstellen, die erst im Verlaufe zukünftiger schwieriger Phasen sichtbar werden. Aber zwei Jahrhunderte des Wachstums und unvergleichlichen Wohlstands haben die Weitsicht der 55 Männer bewiesen, die im Sommer des Jahres 1787 den Grundstein für das amerikanische Regierungssystem gelegt haben. Archibald Cox, ehemaliger Stellvertretender Justizminister der Vereinigten Staaten, drückte es einmal folgendermaßen aus: "Die ursprüngliche Verfassung erweist uns trotz der erheblichen Veränderungen noch immer in jedem Bereich amerikanischen Lebens gute Dienste, weil die Verfassungsväter klug genug waren, ausreichend viel zu sagen, aber nicht zu viel.... Mit dem Erfolg des in der verfassungsgebenden Versammlung vorgestellten Plans, und mit der Ausdehnung des Landes und der Erhöhung des Wohlstands in materieller Hinsicht als auch bei der Verwirklichung der Ideale, gewann die Verfassung weitaus mehr an Erhabenheit und Autorität als irgendeine andere Person oder ein anderes Gremium."

DER ENTWURF DER VERFASSUNG

Die Zeit zwischen der Annahme der Artikel der Konföderation 1781 und dem Entwurf der Verfassung 1787 war gekennzeichnet von Schwäche, Meinungsverschiedenheiten und Aufruhr. Die Artikel der Konföderation enthielten keine Bestimmungen über die Exekutive zur Durchsetzung von Gesetzen oder für ein landesweites Gerichtssystem zu ihrer Auslegung. Ein legislativer Kongress war das einzige Organ der nationalen Regierung, er verfügte aber nicht über ausreichend Macht, um irgendetwas gegen den Willen der Bundesstaaten durchzusetzen. Er konnte – theoretisch – Krieg erklären und eine Armee aufbauen, aber er konnte keinen Bundesstaat zwingen, die zugewiesenen Truppenstärken bereitzustellen oder die notwendigen Waffen und die erforderliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Er war hinsichtlich seiner Aktivitäten auf finanzielle Mittel der Einzelstaaten angewiesen, verfügte jedoch nicht über die Mittel, einen Staat für fehlende Beiträge zum Bundeshaushalt zu bestrafen. Die Kontrolle der Besteuerung und Zölle war den Staaten überlassen, und jeder Staat konnte seine eigene Währung einführen. Bei Streitigkeiten zwischen Bundesstaaten – und es gab viele ungeklärte Streitigkeiten über Staatsgrenzen – spielte der Kongress die Rolle eines Vermittlers und Richters, konnte aber keinen Staat zwingen, seine Entscheidung zu akzeptieren.

Das Ergebnis war Chaos. Ohne die Macht Steuern zu erheben, verschuldete sich die Bundesregierung. Sieben der 13 Staaten druckten große Mengen Papiergeldes – mit hohem Nominalwert, aber niedriger Kaufkraft – um Veteranen des Unabhängigkeitskrieges und eine Reihe Gläubiger bezahlen zu können sowie Schulden zwischen Kleinbauern und großen Plantagenbesitzern zu begleichen.

Im Gegensatz dazu wurden durch die Legislative in Massachusetts eine streng begrenzte Währung und hohe Steuern eingeführt. Dies führte zur Bildung einer kleinen Bauernarmee, angeführt von Daniel Shays, einem ehemaligen Hauptmann des Heeres im Unabhängigkeitskrieg. Mit dem Versuch, das Kapitol von Massachusetts zu übernehmen, forderten Shays und andere die Beendigung der Zwangsvollstreckungen und ungerechten Hypotheken. Zur Unterdrückung des Aufstands wurden Truppen entsandt, aber die Bundesregierung nahm den Vorfall zur Kenntnis.

Das Fehlen einer einheitlichen, stabilen Währung behinderte den Handel zwischen den Bundesstaaten und mit anderen Ländern. Es war nicht nur der Wert der Papierwährung, der von Staat zu Staat variierte. Einige Staaten (wie New York und Virginia) erhoben sogar Zölle auf Produkte, die aus anderen Bundesstaaten in ihre Häfen kamen und provozierten dadurch Vergeltungsmaßnahmen. Die Staaten konnten sagen, wie es der oberste Finanzinspektor auf Bundesebene tat, dass "unser öffentliches Ansehen verspielt ist". Diese Probleme wurden noch dadurch verschärft, dass sich die neuen unabhängigen Staaten gewaltsam von England getrennt hatten und somit in britischen Häfen nicht mehr bevorzugt behandelt wurden. Als US-Botschafter John Adams 1785 versuchte, einen Wirtschaftsvertrag auszuhandeln, lehnten die Briten mit der Begründung ab, dass die einzelnen Bundesstaaten nicht daran gebunden wären.

Eine schwache Zentralregierung, ohne Macht ihre Politik mit militärischer Stärke zu untermauern, war in der Außenpolitik ebenfalls unweigerlich eingeschränkt. Die Briten lehnten es ab, ihre Truppen aus den Forts und Handelsposten im Northwest Territory der jungen Nation abzuziehen, wie sie es im Friedensvertrag von 1783 zugesagt hatten, der das Ende des Unabhängigkeitskrieges markierte. Verschlimmert wurde die Lage noch durch britische Offiziere an den nördlichen Grenzen und spanische Offiziere im Süden, die Waffen an die verschiedenen indianischen Stämme lieferten und sie zu Angriffen auf amerikanische Siedler ermutigten. Die Spanier, die Florida und Louisiana kontrollierten sowie das Territorium westlich des Mississippi River, verweigerten westlichen Bauern die Benutzung des Hafens von New Orleans, um ihre Erzeugnisse zu verschiffen.

Obwohl es in einigen Gebieten Anzeichen für einen wieder wachsenden Wohlstand der jungen Nation gab, nahmen die nationalen und internationalen Probleme zu. Es wurde immer deutlicher, dass die Zentralregierung der Konföderation nicht stark genug war, um ein solides Finanzsystem aufzubauen, den Handel zu regulieren, Verträge durchzusetzen oder, falls nötig, militärische Stärke gegen ausländische Widersacher einzusetzen. Interne Brüche zwischen Bauern und Händlern, Schuldnern und Gläubigern sowie zwischen den Bundesstaaten wurden ernster. George Washington warnte angesichts des noch sehr präsenten Shay-Aufstands verzweifelter Bauern von 1786: "In jedem Staat existiert ein Pulverfass, das durch nur einen Funken in Brand geraten könnte."

Das Gefühl einer möglichen Katastrophe und das Bedürfnis nach weitreichenden Veränderungen durchdrang die verfassungsgebende Versammlung, die ihre Beratungen am 25. Mai 1787 aufnahm. Alle Delegierten waren davon überzeugt, dass eine effektive Zentralregierung mit breit angelegten durchsetzbaren Befugnissen den machtlosen durch die Artikel der Konföderation geschaffenen Kongress ersetzen müsse. Gleich zu Beginn des Verfahrens einigten sich die Delegierten, dass sich die neue Regierung aus drei getrennten Gewalten – der Legislative, der Judikative und der Exekutive – zusammen setzen sollte. Jede sollte über spezielle Befugnisse verfügen, um die der beiden anderen auszugleichen. Es herrschte ebenfalls Einigkeit darüber, dass die Legislative – wie das britische Parlament – aus zwei Kammern bestehen sollte.

Darüber hinaus gab es jedoch erhebliche Meinungsunterschiede, die zeitweise drohten, die Versammlung scheitern zu lassen und das Verfahren noch vor Erstellung eines Verfassungsentwurfs plötzlich zu beenden. Die größeren Staaten argumentierten zugunsten des Verhältniswahlsystems in der Legislative – jeder Staat sollte über ein Stimmrecht gemäß seiner Bevölkerungszahl verfügen. Die kleineren Staaten befürchteten die Dominanz der größeren und bestanden auf einer gleichen Stimmverteilung für alle Staaten. Das Problem wurde im "Großen Kompromiss" beigelegt, einer Maßnahme, gemäß derer in der einen Kammer des Kongresses gleiche Stimmverteilung für alle Staaten und in der anderen Kammer das Verhältniswahlrecht galt. Im Senat sollte jeder Staat über zwei Sitze verfügen. Im Repräsentantenhaus sollte die Zahl der Sitze von der Bevölkerungszahl abhängen. Da das Repräsentantenhaus als empfänglicher für die Stimmung der Bevölkerungsmehrheit angesehen wurde, verlieh man dem Repräsentantenhaus die Befugnis, alle Gesetze in Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt und den Einnahmen einzubringen.

Der "Große Kompromiss" beendete die Kluft zwischen den großen und den kleinen Staaten, aber während des langen Sommers arbeiteten die Delegierten noch eine Vielzahl anderer Kompromisse aus. Einige Delegierte, die sich vor einer zu umfangreichen Übertragung der Befugnisse auf die Bevölkerung fürchteten, sprachen sich für die indirekte Wahl aller Bundesbediensteten aus; andere befürworteten eine Wählerbasis, die so breit wie möglich sein sollte. Einige wollten die westlichen Gebiete von einer eventuellen Souveränität ausschließen; andere sahen die zukünftige Stärke der Nation in den unberührten Gebieten hinter den Appalachen. Es mussten Partikularinteressen ausgeglichen werden und unterschiedliche Ansichten hinsichtlich der Bedingungen, Befugnisse und Auswahlmethode des Präsidenten und widerstreitender Ideen über die Rolle der Judikative miteinander verbunden werden.

Die fachliche Kompetenz der Delegierten bei der Versammlung vereinfachte die Einigung auf Kompromisse. Nur einige der großen Führungspersönlichkeiten des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges waren nicht anwesend: Thomas Jefferson und John Adams – beides zukünftige Präsidenten – dienten als amerikanische Gesandte in Frankreich und England. John Jay war als Außenminister der Konföderation tätig. Eine Hand voll weiterer Personen, darunter Samuel Adams und Patrick Henry, nahmen nicht teil, da sie der Überzeugung waren, die damalige Regierungsstruktur sei solide. Von den Anwesenden war der Vorsitzende der Versammlung, George Washington, der Befehlshaber der amerikanischen Truppen und Held des Unabhängigkeitskrieges, bei weitem der bekannteste. Benjamin Franklin, der weise, reife Wissenschaftler, Gelehrte und Diplomat, nahm ebenfalls teil. Darüber hinaus waren herausragende Männer wie James Madison aus Virginia, Gouverneur Morris aus Pennsylvania und Alexander Hamilton, der brillante junge Anwalt aus New York anwesend.

Sogar die jüngsten unter den Delegierten, die sich noch in den Zwanzigern oder Dreißigern befanden, zeigten bereits ihre politischen und intellektuellen Fähigkeiten. Wie Thomas Jefferson in Paris an John Adams in London schrieb: "Es ist wahrhaftig eine Versammlung der Halbgötter."

Einige der in der Verfassung verankerten Ideen waren neu, aber viele stammten aus der britischen Regierungstradition und aus der praktischen Erfahrung der Selbstverwaltung der 13 Staaten. Die Unabhängigkeitserklärung war eine wichtige Leitlinie bei der Fokussierung der Delegierten auf die Ideen der Selbstverwaltung und den Schutz der grundlegenden Menschenrechte. Die Schriften europäischer Philosophen, wie Montesquieu und John Locke, beeinflussten die Delegierten ebenfalls.

Ende Juli ernannte die Versammlung einen Ausschuss, der auf Basis der erzielten Übereinkünfte ein Dokument ausarbeiten sollte. Nach einem weiteren Monat der Diskussionen und Feinarbeit brachte ein zweiter Ausschuss, der von Gouverneur Morris geleitet wurde, die endgültige Version hervor, die am 17. September zur Unterzeichnung vorgelegt wurde. Nicht alle Delegierten waren mit dem Ergebnis zufrieden. Einige verließen die Feierlichkeiten und drei der verbliebenen verweigerten die Unterschrift: Edmund Randolph und George Mason aus Virginia sowie Elbridge Gerry aus Massachusetts. Von den 39 Unterzeichnern war wahrscheinlich keiner vollkommen zufrieden. Ihre Ansichten wurden von Benjamin Franklin geschickt mit den Worten zusammengefasst: "Es gibt mehrere Bereiche in der Verfassung, denen ich zurzeit nicht zustimmen kann, aber das heißt nicht, dass ich ihnen niemals zustimmen werde." Er akzeptiere die Verfassung jedoch, "weil ich nichts Besseres erwarte und weil ich nicht ausschließen kann, dass das bereits das Beste ist".

RATIFIZIERUNG: EIN NEUANFANG

Der Weg war nun frei für den mühsamen Ratifizierungsprozess, das heißt, die Annahme der Verfassung durch wenigstens neun Staaten. Delaware war der erste Staat, der handelte, gefolgt von New Jersey und Georgia. Die Zustimmung in Pennsylvania und Connecticut wurde mit einer komfortablen Mehrheit erteilt. In Massachusetts brach eine erbitterte Debatte aus. Der Staat verknüpfte die Ratifizierung letztendlich mit der Beifügung der 10 Zusatzartikel, die einige grundlegende Rechte garantierten, einschließlich der Religions-, Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit, ebenso wie das Recht auf ein Geschworenenverfahren und das Verbot unzumutbarer Durchsuchungen und Verhaftungen. Eine Reihe weiterer Staaten fügten ähnliche Klauseln an und die 10 Zusatzartikel – nun bekannt als Bill of Rights – wurden 1791 in die Verfassung aufgenommen.

Ende Juni 1788 gaben Maryland, South Carolina und New Hampshire ihre Zustimmung und erfüllten damit die Anforderung der Ratifizierung durch neun Staaten. Die Verfassung war nun rechtlich in Kraft getreten. Aber zwei mächtige und entscheidende Staaten – New York und Virginia – blieben unentschieden, ebenso wie die zwei kleineren Staaten North Carolina und Rhode Island. Es war offensichtlich, dass die Verfassung ohne die Zustimmung von New York und Virginia auf wackeligen Füßen stehen würde.

Virginia war tief gespalten, aber der Einfluss von George Washington, der sich für die Ratifizierung aussprach, überzeugte die Legislative des Bundesstaates am 26. Juni 1788 mit knapper Mehrheit. In New York taten sich Alexander Hamilton, James Madison und John Jay zusammen, um eine erstaunliche Reihe niedergeschriebener Argumente zugunsten der Verfassung zusammenzustellen – The Federalist Papers – und damit am 26. Juli einen knappen Abstimmungssieg zu erringen. Im November stimmte auch North Carolina zu. Rhode Island hielt bis 1790 durch, als die Position als kleiner und schwacher Staat, umringt von einer großen und mächtigen Republik, unhaltbar wurde.

Der Aufbau der Regierung begann kurz nach der Ratifizierung durch Virginia und New York. Am 13. September 1788 legte der Kongress New York als Sitz der neuen Regierung fest. (Die Hauptstadt wurde 1790 nach Philadelphia und 1800 nach Washington verlagert.) Der erste Mittwoch im Januar 1789 wurde als Wahltag für die Wahlmänner des Präsidenten festgelegt. Am ersten Mittwoch im Februar wurde der Präsident durch die Wahlmänner gewählt und am ersten Mittwoch im März wurde die neue Sitzungsperiode des neuen Kongresses eröffnet.

Laut Verfassung hat die Legislative eines Bundesstaates die Befugnis zu entscheiden, wie die Wahlmänner des Präsidenten sowie Vertreter und Senatoren ausgewählt werden sollen. Einige Staaten votierten für direkte Wahlen durch das Volk, andere für Wahlen durch die Legislative und einige wenige für eine Kombination aus beidem. Die Rivalitäten waren groß und Verzögerungen bei den ersten Wahlen nach der neuen Verfassung unvermeidlich. New Jersey sprach sich zum Beispiel für direkte Wahlen aus, lehnte es aber ab, einen Zeitpunkt für das Schließen der Wahllokale festzulegen, die für drei Wochen geöffnet blieben.

Die vollständige und endgültige Einsetzung der Verfassung fand am 4. März 1789 statt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren allerdings lediglich 13 der 59 Vertreter und 8 der 22 Senatoren in New York angekommen. (Die North Carolina und Rhode Island zugeteilten Sitze wurden erst nach Ratifizierung der Verfassung durch diese Staaten besetzt.) Schließlich wurde am 1. April im Repräsentantenhaus und am 6. April im Senat ein Quorum erreicht. Die beiden Häuser tagten dann gemeinsam, um die Wahlmännerstimmen zu zählen.

Es war keine Überraschung, dass George Washington einstimmig zum ersten Präsidenten und John Adams aus Massachusetts zum Vizepräsidenten gewählt wurden. Adams kam am 21. April und Washington am 23. April in New York an. Sie wurden am 30. April 1789 in ihrem Amt vereidigt. Die Aufstellung der neuen Regierung war abgeschlossen. Die Arbeit, die weltweit erste Republik zu bewahren, hatte gerade erst begonnen.

DIE VERFASSUNG ALS OBERSTES GESETZ

Die Verfassung der Vereinigten Staaten bezeichnet sich selbst als "oberstes Gesetz des Landes". Gerichte interpretierten diese Klausel so, dass eine von der Legislative eines Bundesstaates oder dem nationalen Kongress verabschiedete Verfassung oder Gesetze keine Gesetzeskraft erlangen, wenn sie der amerikanischen Verfassung widersprechen. Entscheidungen, die vom Obersten Gerichtshof im Verlaufe von zwei Jahrhunderten getroffen wurden, haben diese Leitlinie der Vorherrschaft der Verfassung bestätigt und verstärkt.

Die endgültige Machtbefugnis wurde dem amerikanischen Volk übertragen. Es kann grundlegende Gesetze ändern, wenn es das möchte, indem die Verfassung geändert oder – zumindest in der Theorie – eine neue ausgearbeitet wird. Dennoch übt das Volk seine Macht nicht direkt aus. Sie delegieren die tägliche Regierungsarbeit an öffentliche Vertreter, die sowohl gewählt als auch ernannt werden.

Die Macht der öffentlichen Vertreter wird durch die Verfassung eingeschränkt. Ihre öffentlichen Handlungen müssen in Einklang mit der Verfassung und den Gesetzen stehen, die selbst in Übereinstimmung mit der Verfassung erlassen wurden. Gewählte Vertreter müssen sich regelmäßig zur Wiederwahl stellen, wo ihre Leistungen sorgfältig von der Öffentlichkeit überprüft werden. Ernannte Vertreter dienen der Person oder Behörde, von der sie ernannt wurden und können jederzeit entlassen werden. Die Ausnahme bilden die vom Präsidenten auf Lebenszeit ernannten Richter des Obersten Gerichtshofes und andere Bundesrichter, damit diese frei von politischen Verpflichtungen oder Einfluss sind.

Im Allgemeinen drückt das amerikanische Volk seinen Willen an der Wahlurne aus. Die Verfassung trifft durch das Amtsenthebungsverfahren im Falle erheblichen Missverhaltens oder strafbarer Handlungen jedoch Vorkehrungen für die Entlassung öffentlicher Vertreter aus ihrem Amt. Artikel II, Abschnitt 4 lautet: "Der Präsident, Vizepräsident und alle Zivilangestellten der Vereinigten Staaten sollen ihrer Ämter enthoben werden, wenn sie wegen Verrats, Bestechung oder anderer schwerer Verbrechen und Vergehen verurteilt worden sind."

Beim Amtsenthebungsverfahren handelt es sich um eine Anklage wegen Amtsvergehen, die durch eine gesetzgebende Körperschaft gegen einen Regierungsvertreter vorgebracht wird. Es bezieht sich nicht, wie allgemein angenommen, auf eine Verurteilung aufgrund dieser Vergehen. Wie in der Verfassung weiter ausgeführt, muss das Repräsentantenhaus die Anklage wegen Amtsvergehen durch Abstimmung über die Amtsenthebung einleiten. Über den beschuldigten Amtsträger wird im Senat verhandelt, wobei der Präsident des Obersten Gerichtshofes der Verhandlung vorsitzt.

Die Amtsenthebung wird als drastische Maßnahme betrachtet, die in den Vereinigten Staaten bisher sehr selten angewandt wurde. Seit 1797 hat das Repräsentantenhaus gegen 16 Bundesbeamte ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet – zwei Präsidenten, ein Kabinettsmitglied, einen Senator, einen Richter des Obersten Gerichts und 11 Bundesrichter. Von den einem Amtsenthebungsverfahren unterworfenen Bundesbeamten wurden sieben vom Senat verurteilt – sie alle waren Richter.

1868 wurde Präsident Andrew Johnson im Zusammenhang mit dem richtigen Umgang mit den besiegten Konföderationsstaaten nach dem amerikanischen Bürgerkrieg einem Amtsenthebungsverfahren unterzogen. Dem Senat fehlte jedoch eine Stimme für die für eine Verurteilung notwendige Zweidrittelmehrheit, und Johnson beendete seine Amtszeit regulär. 1974 trat Präsident Richard Nixon als Folge der Watergate-Affaire zurück, nachdem der Justizausschuss des Repräsentantenhauses das Amtsenthebungsverfahren empfohlen hatte, aber bevor das vollzählige Repräsentantenhaus über das Verfahren abstimmen konnte.

Erst unlängst wurde Präsident Bill Clinton 1998 einem Amtsenthebungsverfahren durch das Repräsentantenhaus wegen Meineids und Behinderung der Justiz unterzogen. Nach einer Anhörung sprach der Senat den Präsidenten von beiden Vorwürfen frei und befand ihn mit 55 zu 45 Stimmen nicht des Meineids und mit 50 zu 50 nicht der Behinderung der Justiz für schuldig. Zur Amtsenthebung des Präsidenten wäre ein Schuldspruch mit einer Stimmenmehrheit von 67 Stimmen bei beiden Anschuldigungen erforderlich gewesen.

Die Grundlagen des Regierungssystems

Obwohl die Verfassung seit ihrer Verabschiedung in vielerlei Hinsicht geändert wurde, gelten weiterhin die selben Grundlagen wie 1789:

- Die drei Regierungszweige – Exekutive, Legislative, Judikative – sind geteilt und unterscheiden sich voneinander. Die Befugnisse der drei werden genau durch die Befugnisse der jeweils anderen beiden ausgeglichen. Jede der Gewalten dient als Kontrolle um eine zu große Machtanhäufung der anderen zu verhindern.

- Die Verfassung steht, gemeinsam mit den gemäß ihrer Bestimmungen und Verträgen verabschiedeten Gesetzen, die durch den Präsidenten aufgestellt und vom Senat gebilligt wurden, über allen anderen Gesetzen, Exekutiverlassen und Vorschriften.

- Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben das gleiche Anrecht auf Schutz durch das Gesetz. Alle Staaten sind gleich und keiner erhält eine Sonderbehandlung durch die Bundesregierung. Innerhalb der Grenzen der Verfassung muss jeder Staat die Gesetze der anderen anerkennen und respektieren. Die Regierungen der Bundesstaaten müssen, ebenso wie die Bundesregierung, demokratisch sein, wobei die letztendliche Autorität beim Volk liegt.

- Das Volk hat das Recht die Form der Bundesregierung durch rechtliche Mittel, die in der Verfassung selbst festgelegt sind, zu ändern.

Änderungen der Verfassung

Die Autoren der Verfassung waren sich bewusst, dass von Zeit zu Zeit Änderungen notwendig sein würden, wenn die Verfassung mit der wachsenden Nation Schritt halten soll. Sie waren sich darüber hinaus bewusst, dass der Prozess der Verfassungsänderung nicht einfach sein sollte, um schlecht durchdachte und übereilte Änderungen zu verhindern. Aus dem gleichen Grund wollten sie sicherstellen, dass keine Minderheit Maßnahmen behindern kann, die von der Mehrheit gewünscht werden. Ihr Lösungsansatz war die Entwicklung eines zweigleisigen Prozesses, zur Änderung der Verfassung.

Der Kongress kann mit einer Zweidrittelmehrheit in beiden Häusern eine Verfassungsänderung einleiten. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass die Legislative in zwei Drittel der Staaten den Kongress auffordert, eine nationale Versammlung einzuberufen, um eine Verfassungsänderung zu erörtern und auszuarbeiten. In beiden Fällen müssen drei Viertel aller Bundesstaaten einem Zusatzartikel zustimmen, bevor er in Kraft tritt.

Abgesehen von der direkten Änderung der Verfassung kann die Wirkung ihrer Bestimmungen durch juristische Auslegung verändert werden. In der frühen Geschichte der Republik legte der Oberste Gerichtshof 1803 im Fall Marbury vs. Madison den rechtlichen Grundsatz der Normenkontrolle (judicial review) fest, d. h., die Befugnis des Gerichtes die Gesetze des Kongresses auszulegen und über ihre Verfassungsmäßigkeit zu entscheiden. Der Grundsatz umfasst darüber hinaus die Befugnis des Gerichtes, verschiedene Abschnitte der Verfassung zu erläutern, da sie an veränderliche rechtliche, politische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen angepasst werden muss. Im Verlaufe der Jahre brachten eine Reihe von Gerichtsurteilen zu Themenbereichen wie der staatlichen Regulierung von Rundfunk und Fernsehen bis hin zu den Rechten von Angeklagten in Strafverfahren das Verfassungsrecht auf den neuesten Stand, ohne wesentliche Änderungen an der Verfassung selbst vorzunehmen.

Durch den Kongress verabschiedete Gesetze zur Umsetzung der Bestimmungen des Grundgesetzes oder zur Anpassung an veränderte Bedingungen erweitern und verändern – auf unterschwellige Art und Weise – die Bedeutung der Verfassung. Bis zu einem gewissen Grad haben die Grundsätze und Vorschriften der vielen Behörden der Bundesregierung ähnliche Auswirkungen. Die Feuerprobe besteht in beiden Fällen in der Bestätigung durch die Gerichte, dass die Gesetzgebung und Grundsätze mit dem in der Verfassung ausgedrückten Willen übereinstimmen.

Die Bill of Rights

Die Verfassung wurde seit 1789 27 Mal geändert und wird in der Zukunft höchstwahrscheinlich weiterhin geändert werden. Die umfassendsten Änderungen wurden in den zwei Jahren nach ihrer Annahme durchgeführt. In diesem Zeitraum wurden die ersten 10 Zusatzartikel angefügt, die zusammen als die Bill of Rights bekannt sind. Der Kongress nahm diese Zusatzartikel im September 1789 im Gesamtpaket an, und bis zum Jahresende 1791 hatten sie 11 Staaten ratifiziert.

Der anfängliche Widerstand gegen die Verfassung ging nicht von jenen aus, die gegen eine Stärkung der föderalen Union waren, sondern von Staatsmännern, die der Ansicht waren, dass die Rechte des Einzelnen ganz besonders betont werden müssten. Einer von ihnen war George Mason, Autor der Declaration of Rights of Virginia, dem Vorläufer der Bill of Rights. Als Delegierter der verfassungsgebenden Versammlung (Constitutional Convention) lehnte es Mason ab, das Dokument zu unterzeichnen, da es seines Erachtens individuelle Rechte ungenügend schützte. Der Widerstand Masons verhinderte beinahe die Ratifizierung durch Virginia. Da Massachusetts ähnliche Ansichten vertrat, knüpfte der Staat seine Ratifizierung an die Bedingung, dass besondere Garantien für die Rechte des Einzelnen hinzugefügt werden. Bis zur Zusammenkunft des ersten Kongresses (First Congress) gab es eine fast einhellige Meinung zugunsten der Annahme derartiger Zusatzartikel, und der Kongress erstellte in kurzer Zeit Entwürfe.

Diese Zusatzartikel gelten bis heute wie sie vor zwei Jahrhunderten verfasst wurden. Der erste sichert die Religions-, Rede- und Pressefreiheit, die Versammlungsfreiheit sowie das Recht, die Regierung durch Petitionen um das Abstellen von Missständen zu ersuchen. Der zweite gewährleistet das Recht der Bürger, Waffen zu tragen. Der dritte sieht vor, dass Truppen nicht ohne Zustimmung des Eigentümers in Privatunterkünften untergebracht werden dürfen. Der vierte schützt vor willkürlicher Durchsuchung, Verhaftung und Beschlagnahmung von Eigentum.

Die nächsten vier Zusatzartikel befassen sich mit dem Gerichtssystem. Der fünfte untersagt bei schwereren Straftaten eine Anklage ohne Anklagebeschluss durch ein großes Geschworengericht. Er untersagt wiederholte Anklagen für die gleiche Straftat, verbietet Bestrafung ohne vorheriges ordentliches Gerichtsverfahren nach Recht und Gesetz und sieht vor, dass ein Angeklagter die Aussage verweigern kann, falls er sich selbst belastet. Der sechste gewährleistet in Strafverfahren einen unverzüglichen und öffentlichen Prozess. Er sieht ein durch ein unparteiisches Geschworenengericht durchgeführtes Strafverfahren vor, garantiert das Recht auf Rechtsbeistand für den Angeklagten und sieht vor, dass Zeugen zur Anwesenheit im Verfahren und zur Aussage in Gegenwart des Beklagten gezwungen werden können. Der siebte Artikel fordert in Zivilprozessen, in denen der Streitwert über einem Wert von 20 Dollar liegt, ein Verfahren durch eine Jury. Der achte untersagt unangemessen hohe Kautionen oder Geldstrafen sowie grausame oder ungewöhnliche Strafen.

Die letzten beiden der zehn Zusatzartikel beinhalten sehr weit gefasste Aussagen über die Verfassungsautorität. Der neunte erklärt, dass die Auflistung der individuellen Rechte keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, und dass die Bürger auch andere Rechte haben, die in der Verfassung nicht gesondert aufgeführt werden. Der zehnte sieht vor, dass Befugnisse, die von der Verfassung weder an die Bundesregierung übertragen, noch den Einzelstaaten entzogen wurden, den Bundesstaaten oder dem Volke vorbehalten bleiben.

Wichtiger Schutz individueller Freiheiten

Die Genialität der Verfassung bei der Organisation des Staatsapparates auf Bundesebene gab den Vereinigten Staaten im Verlaufe von zwei Jahrhunderten außerordentliche Stabilität. Die Bill of Rights und darauf folgende Zusätze machten die grundlegenden Menschenrechte zum Kern des Rechtssystems der Vereinigten Staaten.

Zu Zeiten nationaler Krisen gab es die Verlockung für Regierungen, diese Rechte im Interesse der nationalen Sicherheit auszusetzen, aber in den Vereinigten Staaten wurden solche Versuche nur widerwillig und unter den gewissenhaftesten Vorsichtsmaßnahmen unternommen. Während eines Krieges zensierten militärische Behörden zum Beispiel Post zwischen den Vereinigten Staaten und anderen Ländern. Dies galt besonders für Post aus umkämpften Gebieten an die Familien zu Hause. Aber nicht einmal im Krieg wurde das verfassungsmäßige Recht auf einen fairen Prozess abgeschafft. Personen, die eines Verbrechens beschuldigt werden – und das schließt Bürger feindlicher Staaten ein, die der Spionage, der Staatsgefährdung und anderer gefährlicher Aktivitäten beschuldigt werden – haben das Recht sich zu verteidigen. Im amerikanischen System gilt die Unschuldsvermutung, bis die Schuld nachgewiesen wird.

Verfassungszusätze, die nach den Bill of Rights hinzugefügt wurden, decken ein breites Themenspektrum ab. Einer der weitreichendsten Artikel ist der 14., der 1868 ratifiziert wurde. Er enthält eine klare und einfache Definition der Staatsbürgerschaft sowie die Garantie der Gleichbehandlung vor dem Gesetz. Im Kern wird im Vierzehnten Zusatzartikel von den Bundesstaaten verlangt, dass sie die in den Bill of Rights vorgesehenen Rechte einhalten. Andere Zusatzartikel beschränkten die rechtlichen Befugnisse der Bundesregierung, veränderten die Wahlmethode bei den Präsidentschaftswahlen, untersagten die Sklaverei, verboten die Verweigerung des Wahlrechts aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit, Hautfarbe, Geschlecht oder vorhergehender Knechtschaft, erweiterten die Befugnisse des Kongresses zur Erhebung von Steuern auf individuelle Einkünfte und bestimmten die Direktwahl als Wahlmodus für die US-Senatoren.

Unter den jüngsten Zusatzartikeln befinden sich der 22., der die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Legislaturperioden begrenzt, der 23., der den Bürgern des District of Columbia das Wahlrecht gewährt, der 24., der den Bürgern das Wahlrecht unabhängig von der Zahlung einer Kopfsteuer gewährt, der 25. Zusatzartikel, der vorsieht, dass das Amt des Vizepräsidenten neu besetzt werden muss, wenn es bis zur Hälfte der Amtszeit frei wird, der 26., der das aktive Wahlrecht auf 18 herabsetzt und der 27., der sich mit der Besoldung der Senatoren und Abgeordneten befasst.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Mehrheit der 27 Zusatzartikel aus dem kontinuierlichen Bemühen hervorgegangen ist, die Bürgerrechte oder politischen Freiheiten zu erweitern, während sich nur wenige mit der Erweiterung der 1787 in Philadelphia entworfenen grundlegenden Regierungsstruktur befassen.

 


Aus dem Buch "Das amerikanische Regierungssystem", das vom Büro für internationale Informationsprogramme des US-Außenministeriums als Teil der Outline-Reihe herausgegeben wurde.

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